Norwegen als Stromspeicher Deutschlands?

Batterieanschluss Seekabel „Nordlink“ eingeweiht

Ein Seekabel zwischen Deutschland und Skandinavien soll die Stromnetze miteinander verbinden. „Der deutsche Netzausbau kann allerdings nicht mithalten und droht sich weiter zu verzögern“, befürchtet Igor Steinle am 28.05.2021 im Schwäbischen Taglatt. Es war nicht die einzige kritische Stimme. Außer dem BMWi und tennet.

Kupferkabel – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Martin Polansky vom ARD-Hauptstadtstudio schrieb auf tagesschau.de: „Es ist ein Stromkabel, das in die Zukunft weisen soll. 623 Kilometer lang, dick wie ein Oberschenkel und mit einer Kapazität von 1400 Megawatt. Das entspricht der Leistung eines Atomkraftwerks. Aber NordLink soll keinen Atom- oder Kohlestrom transportieren, sondern einen Beitrag leisten zur Energiewende.“

Und Olaf Preuß auf welt.de: „Die neue Leitung zwischen Norwegen und Deutschland bringt die Nutzung der erneuerbaren Energien voran – und macht zugleich deren größte Defizite deutlich. Das Großvorhaben braucht eine europäische Dimension. “

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg nahmen an der Einweihung der armdicken Deutschland und Norwegen verbindenden Leitung am 27.05.2021 teil, die, wie zu lesen, offensichtlich nicht nur Lob einbrachte – nach mehrmonatigem Probebetrieb. Die insgesamt 623 km lange Gleichstromautobahn von Tonstad in Norwegen nach Wilster in Deutschland ist die längste Seekabel-Stromverbindung der Welt. Das Kabel wird zwar von den Offiziellen als „Meilenstein der Energiewende“ gefeiert. Aber „Nordlink wird Deutschlands Energieprobleme nicht lösen“, so die Überschrift über einem Kommentar von Theo Geers: „Norwegen und Deutschland sind jetzt mit einem dicken Stromkabel verbunden: Nordlink. Jede neue Leitung ist eine gute Leitung, doch: Die deutschen Energiewende-Probleme löst Nordlink nicht. Denn beim innerdeutschen Trassenausbau hinkt das Land dem Bedarf um Jahre hinterher.“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier dagegen nannte „NordLink ein deutsch-norwegisches Gemeinschaftsprojekt und Musterbeispiel für gelungenen Netzausbau. Die Leitung wird die gute bilaterale Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern weiter stärken und die europäische Strommarktintegration einen wichtigen Schritt voranbringen.“

Der Energieaustausch über NordLink wird laut BMWi „die Versorgungssicherheit sowohl für das deutsche als auch das norwegische Stromnetz erhöhen und insbesondere den Austausch von Strom aus Erneuerbaren Energien – Wasserkraft aus norwegischen Pumpspeicherkraftwerken einerseits und Windkraft aus Deutschland andererseits – zwischen beiden Ländern ermöglichen und damit auch zum Ausgleich von fluktuierender Stromerzeugung beitragen. NordLink leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen sowie zum Erreichen der europäischen Klimaschutzziele.“

Durch Nordlink hat Deutschland Zugang zu den Pumpspeicherkraftwerken Norwegens, das  fast komplett mit Wasserkraft versorgt wird: Hat Norwegen überschüssigen Strom, etwa während der Schneeschmelze, kann es diesen nach Deutschland leiten, im Gegenzug kann überschüssiger deutscher Windstrom nach Norwegen übertragen und dort gespeichert werden.

Dabei ist zu viel Euphorie unangebracht. Tim Meyerjürgens, Chef des Netzbetreibers Tennet, verglich die Leistung des Kabels mit der eines Atomkraftwerks. Bei Nordlink handelt es sich aber eher um einen Puffer für die Versorgungssicherheit. Weil aber die innerdeutschen Stromtrassen noch nicht fertig sind, verbindet es zunächst im Grunde nur den ökostromreichen Norden Deutschlands mit dem ökostromreichen skandinavischen Nachbarn, nicht aber den industrie- und bevölkerungsreichen deutschen Rest der Republik. Dabei wären diese Regionen aufgrund des nahenden Atomausstiegs noch viel stärker auf neue Ökostromquellen angewiesen.

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