CO2-Grenzausgleich im europäischen Kontext

Votum des wissenschaftlichen Beirats

Der Wissenschaftliche Beirat (WB) beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) spricht sich nach Angaben der Bundesregierung „für ein multilaterales Vorgehen beim Klimaschutz aus und gegen Maßnahmen, die Handelsstreitigkeiten auslösen und die Effektivität der EU-Klimapolitik untergraben“. Auch die Bundesregierung setze sich für kooperative Lösungen mit internationalen Partnern beim Klimaschutz ein und beziehe das Votum des WB in ihre Klimapolitik ein, heißt es in der Antwort (19/32001) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/31732) vom 27.08.2021. (hib/HAU)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 19/31732 –

Dampf, Rauch und CO2 im Berliner Westen – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Vorbemerkung der Fragesteller
Die Europäische Union (EU) strebt an, ihre Nettotreibhausgasemissionen bis 2050 auf null abzusenken (European Commission – Press release, 4. März 2020, Committing to climate-neutrality by 2050). Bereits bis 2030 soll eine Reduktion um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 erzielt werden (Handelsblatt, 21. April 2021, EU-Klimaziel für 2030 steht fest). Zur konkreten Umsetzung dieser Ziele wurde bereits im September 2020 vonseiten der Europäischen Kommission ein Legislativpaket unter dem Motto „Fit für 55“ angekündigt (Europäische Kommission, 16. September 2020, Lage der Union 2020). Teil dieses mittlerweile vorgelegten Legislativpaketes ist auch ein CO2-Grenzausgleichssystem, das in Ermangelung vergleichbarer Ziele der Partner der EU dem sogenannten Leakage-Problem begegnen soll (Europä-ische Kommission, 14. Juli 2021, Carbon Border Adjustment Mechanism).

Mit den Herausforderungen und Möglichkeiten eines CO2-Grenzausgleichs hat sich erst kürzlich auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministeri-um für Wirtschaft und Energie (BMWi) auseinandergesetzt und eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 22. März 2021, Ein CO2-Grenzausgleich als Baustein eines Klimaclubs). Darin verweisen die Autoren darauf, das unkoordinierte unilaterale Anstrengungen nicht oder nur teilweise zu einer Verringerung globaler Emissionen führen würden. Gleichzeitig bestehe das Risiko, Wertschöpfung an Drittländer zu verlieren. Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs sei laut dem Wissenschaftlichen Beirat vor diesem Hintergrund naheliegend, aber schlussendlich wenig vielversprechend. „Ein solches System wäre mit hohen politischen Kosten und Risiken verbunden, ohne einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“. Stattdessen empfehlen die Sachverständigen, sich zeitnah für eine multilaterale Lösung im Sinne eines Klimaclubs einzusetzen.

Bereits jetzt zeigen sich wichtige Handelspartner der EU vom angekündigten Grenzausgleichsmechanismus beunruhigt. Kürzlich musste der geschäftsführende Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermans, einem Unterausschuss des US-Kongresses diesbezüglich Rede und Antwort stehen. Der Staatspräsident der Volksrepublik China, Xi Jinping, soll sogar in einem persönlichen Telefonat mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor protektionistischen Tendenzen unter dem Mantel des Klimaschutzes gewarnt haben (Handelsblatt, 23. April 2021, Warum die Sorge vor einem grünen Handelskrieg wächst). Die Retorsionsrisiken des Auslands infolge der Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus sind damit aus Sicht der Fragesteller evident.

  1. Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus der Schlussfolgerung des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi, wonach die Einführung eines unilateralen CO2-Ausgleichsystems Retorsionsrisiken berge, ohne die globalen Treibhausgasemissionen wirksam zu reduzieren?
    Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie spricht sich für ein multilaterales Vorgehen beim Klimaschutz aus und gegen Maßnahmen, die Handelsstreitigkeiten auslösen und die Effektivität der EU-Klimapolitik untergraben. Auch die Bundesregierung setzt sich für kooperative Lösungen mit internationalen Partnern beim Klimaschutz ein. Sie bezieht das Votum des wissenschaftlichen Beirats in ihre Positionierung im Rahmen der internationalen Klimapolitik ein.
  2. Inwiefern ist der von der Europäischen Kommission angedachte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) in seiner aktuellen Form aus Sicht der Bundesregierung dazu geeignet, den Verlust von Wertschöpfung an Drittländer zu verhindern?
    Grundidee des European Green Deal ist die Vereinbarung von ambitioniertem Klimaschutz mit einer prosperierenden Wirtschaft und einer sozial ausgewogenen Gesellschaft. Dazu muss auch in Zukunft ein angemessener und dauerhafter Carbon Leakage-Schutz sichergestellt werden.Die Bundesregierung weist darauf hin, dass das Zusammenspiel mehrerer Instrumente beachtet werden muss, um die Effektivität des Carbon Leakage-Schutzes zu bewerten.
    Inwieweit die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen einen angemessenen und dauerhaften Carbon Leakage-Schutz sicherstellen könnten, wird derzeit von der Bundesregierung geprüft. Dabei werden alle Chancen und Risiken, die mit einem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) oder alter-nativen Ansätzen verbunden sein könnten, sorgfältig ermittelt und abgewogen. Darunter fallen aus Sicht der Bundesregierung unter anderem Fragen im Hin-blick auf die Erreichung der Klimaziele, die Kompatibilität mit dem WTO-Recht, die Praktikabilität, die Vereinbarkeit mit internationalen Klimaschutzverträgen, Auswirkungen auf Entwicklungsländer, die handelspolitische Signal-wirkung und mögliche Retorsionsmaßnahmen von Drittstaaten.
  3. Inwiefern ist der CBAM aus Sicht der Bundesregierung dazu geeignet, das Problem von direktem und indirektem Leakage zu beheben?
    Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass ein effektiver Schutz gegenüber Carbon Leakage gewährleistet bleibt. Inwiefern der von der EU-Kommission angedachte CBAM dies erreichen kann, wird derzeit von der Bundesregierung geprüft. Des Weiteren wird auf Absatz 3 der Antwort zu Frage 2 verwiesen.
  4. Welche Kompensation werden Exporteure nach Kenntnis der Bundesregierung für den Wegfall der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten im Zuge der Einführung des CBAM erhalten?
    Die Bundesregierung wird den Vorschlag der Europäischen Kommission auch in Bezug auf die Auswirkungen auf Exporte genau prüfen.
  5. Hat die Bundesregierung das Ansinnen der Kommission bewertet, den CBAM lediglich bei der Einfuhr von Zement, Elektrizität, Düngemitteln und diversen Eisen-, Stahl- sowie Aluminiumgütern anzuwenden?
    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?Wenn nein, warum (noch) nicht?
    a) Ist dieser Produktkatalog aus Sicht der Bundesregierung hinreichend, um direktes oder indirektes Leakage zu vermeiden?
    b) Wieso hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Kommission dazu entschieden, gerade bei diesen Produkten den CBAM anzuwenden?
    c) Wieso hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Kommission bislang davon abgesehen, den CBAM bei weiteren Produkten anzuwenden?
    d) Auf welche weiteren Produkte müsste aus Sicht der Bundesregierung bei der Einfuhr der CBAM angewendet werden?
    e) Bis wann wird die Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung Vorschläge zur Weiterentwicklung des CBAM erarbeiten und vorlegen?
    Die Fragen 5 bis 5e werden gemeinsam beantwortet.
    Die Bundesregierung prüft derzeit den CBAM-Vorschlag der EU-Kommission auch mit Blick auf die oben genannten Fragen. Sie wird ihre Bewertung des Kommissionsvorschlags unter Berücksichtigung der in Antwort zu Frage 2, Absatz 3 genannten Chancen und Risiken durchführen.
  6. Werden die mittels CBAM generierten Mehreinnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung zweckgebunden sein, um klimapolitische Maßnahmen zu finanzieren?
    Zu einer möglichen Zweckbindung werden im Vorschlag der Europäischen Kommission keine Angaben gemacht. 7.Inwiefern werden Entwicklungs- und Schwellenländer nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des CBAM besonders berücksichtigt werden?Ausweislich ihres Vorschlages will die Europäische Kommission mit den Schwellen- und Entwicklungsländern zusammenarbeiten, um die Dekarbonisierung ihrer exportierenden Sektoren voranzutreiben.

->Quellen: