BAM: Neue Erkenntnisse zu Kristallisationsprozessen

Große Bedeutung für Materialforschung und -entwicklung

Je besser die Ergebnisse des Kristallisationsprozesses von Materialien gesteuert und vorhergesagt werden können, desto größer sind die Chancen, Kristalle herzustellen, die spezifische Merkmale aufweisen und es erlauben, Materialeigenschaften zu optimieren. Forschende der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) haben neue Erkenntnisse zur Kristallstruktur vorgelegt, die am 24.11.2021 auf der BAM-Webseite und am 30.11.2021 in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht wurden.

Kristall – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Gemeinhin gelten Kristalle als Inbegriff perfekter Ordnung – eine Vorstellung, die dazu geführt hat, ihnen sogar magische Kräfte zuzuschreiben. Ihre geordnete Struktur legt nahe, dass sich auch ihr Wachstum auf eine sehr regelmäßige und geordnete Weise vollzieht. In den letzten Jahren sind jedoch Studien erschienen, die diese „klassische“ Sichtweise in Frage stellen, und es gilt inzwischen als wahrscheinlich, dass das Wachstum einiger kristalliner Materialien auch auf anderen Wegen erfolgen kann.

Um diese Frage zu erhellen, hat ein Team aus BAM-Forschern Anhydrit-Kristalle aus Mexiko und deren Wachstumsgeschichte intensiv analysiert. Sie nutzten für ihre Untersuchungen Kristalle aus der berühmten Naica-Mine im Norden Mexikos. Natürliche Kavernen des Erzbergwerks enthalten Kristalle, die über viele Jahrtausende gewachsen und daher für Kristallographen besonders aufschlussreich sind.

Bei ihren Untersuchungen haben die Wissenschaftler Defekte der Kristallproben im Nano- bis Millimeterbereich näher betrachtet und die innere Struktur des Minerals genau kartiert. Diese Analysen zeigten, dass sich eine Fehlausrichtung im Nanobereich über Längenskalen ausbreitet, was schließlich zur Bildung von Hohlräumen im Inneren des Kristalls führt, die sogar einen Millimeter und mehr messen können. Sie ergaben auch, dass diese Fehlstellendefekte von einem sogenannten „Keim der Unvollkommenheit“ herrühren, die zu einem makroskopischen Einzelkristall führen, dessen Fragmente im Innern nicht zusammenpassen – auch wenn das Mineral äußerlich betrachtet perfekt erscheint. Das Team gelangte so der Einsicht, dass Fehlausrichtungen im Nanobereich sich während des Wachstumsprozesses um das Millionenfache verstärken.

Diese neue Erkenntnis ergänzt das Konzept der nichtklassischen Keimbildung und kristallinen Wachstumsprozesse entscheidend. Sie ist von großer Relevanz für die Entwicklung und Herstellung neuer und verbesserter Materialien. Beteiligt an den Untersuchungen waren neben dem BAM-Team aus der Abteilung Materialchemie auch Wissenschaftler des Institut des Sciences de la Terre in Grenoble, der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich, des Deutschen GeoForschungsZentrums sowie des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam.

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