Methan-„Ultra-Emittenten“ der Welt aus dem Weltraum geortet

Vorschlag des EU-Parlaments: Methan-Lecks in EU-Drittstaaten eingrenzen

Vom Menschen verursachte Methan-Emissionen treiben den Klimawandel stärker an als bislang gedacht. Vor allem Förderung und Transport verursachen mehr klimaschädliche Treibhausgas-Emissionen als bislang bekannt. Das EU-Parlament will nun mit einem neuen Regelwerk die Methan-Emissionen eindämmen. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung soll strenger auf importierte fossile Brennstoffe ausgerichtet sein und Treibhausgasemissionen auch außerhalb Europas bekämpfen, so die EU-Abgeordneten, welche die Position des EU-Parlaments zu dem Vorschlag ausarbeiten, schreibt Kira Taylor am 09.02.2022 auf EURACTIV. Sie fußen auf den am 04.02.2022 in Science publizierten Forschungsergebnissen des Klimawissenschaftlers Thomas Lauvaux von der Universität Saclay – schreibt Carolyn Gramling am 03.02.2022 im Portal Science News.

Gasfackel in Katar – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wenn es gelingt, die Methanemissionen drastisch zu reduzieren, könnte die Erwärmung der Atmosphäre innerhalb weniger Jahre tatsächlich deutlich abgebremst werden. Denn nur wenige „Ultra-Emittenten“ von Methan aus der Öl- und Gasförderung tragen jedes Jahr bis zu 12 Prozent des Methanausstoßes in die Atmosphäre bei – und jetzt wissen Wissenschaftler, wo sich viele dieser Lecks befinden. Analysen von Satellitenbildern von 2019 und 2020 zeigen, dass die meisten der 1.800 größten Methanquellen in sechs großen öl- und gasproduzierenden Ländern zu verorten sind: An der Spitze steht Turkmenistan, gefolgt von Russland, den Vereinigten Staaten, dem Iran, Kasachstan und Algerien.

Die Schließung dieser Lecks wäre nicht nur ein Segen für den Planeten, sondern könnte diesen Ländern auch Milliarden von US-Dollar ersparen, so Lauvaux. Ultra-Emitter sind Quellen, die mindestens 25 Tonnen Methan pro Stunde in die Atmosphäre schleudern. Diese gelegentlichen massiven Ausbrüche machen nur einen – wenn auch beträchtlichen – Bruchteil des Methans aus der Öl- und Gasförderung aus, das jährlich in die Erdatmosphäre gelangt. „Die Beseitigung solcher Lecks wäre ein wichtiger erster Schritt zur Verringerung der Gesamtemissionen“, sagt Euan Nisbet, Geochemiker an der Royal Holloway University of London in Egham („Is the Destruction or Removal of Atmospheric Methane a Worthwhile Option?), der nicht an der Studie beteiligt war. „Wenn man jemanden bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt sieht, verbindet man die Stellen, die am stärksten bluten.“

Methan hat ein etwa 80mal höheres Erwärmungspotenzial als Kohlendioxid, obwohl es in der Atmosphäre mit 9 Jahren (IPCC 2013) eine vergleichsweise kurze Lebensdauer hat. Bei der Öl- und Gasförderung können massive Methanausbrüche laut Maulvaux die Folge von Unfällen, undichter Pipelines oder anderer Anlagen sein. Diese Lecks sind jedoch oft das Ergebnis von Routinewartungsmaßnahmen, wie das Team herausfand: Anstatt die Pipelines tagelang abzuschalten, um sie von Gas zu befreien, öffnen die Manager beispielsweise Ventile an beiden Enden der Leitung, um das Gas schnell freizusetzen und abzubrennen. Solche Praktiken waren auf Satellitenbildern deutlich als „zwei riesige Gasfahnen“ entlang einer Pipeline zu erkennen, so Lauvaux.

Es ist relativ einfach, solche Praktiken zu unterbinden und undichte Anlagen zu reparieren, weshalb solche Änderungen die niedrig hängenden Früchte sein könnten, wenn es darum geht, Treibhausgasemissionen zu bekämpfen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die einzelnen Quellen dieser enormen Methanemissionen zu ermitteln. Studien aus der Luft können dazu beitragen, einige große Quellen wie Mülldeponien, Milchviehbetriebe sowie Öl- und Gasproduzenten ausfindig zu machen, aber solche Flüge sind begrenzt, da sie nur regional und zeitlich begrenzt sind.

Satelliten wie das TROPOspheric Monitoring Instrument (TROPOMI) der Europäischen Weltraumorganisation bieten ein viel größeres räumliches und zeitliches Fenster. Wissenschaftler haben TROPOMI bereits eingesetzt, um die Gesamtleckage der Öl- und Gasproduktion im riesigen Permbecken im Südwesten der Vereinigten Staaten abzuschätzen, und dabei festgestellt, dass die Region doppelt so viel Methan in die Atmosphäre abgibt wie bisher angenommen.

In der neuen Untersuchung hat das Team die Quellen im Permbecken nicht zu den Ultra-Emittenten gezählt; die großen Emissionen aus dieser Region sind das Ergebnis zahlreicher eng gebündelter, aber kleinerer Emissionsquellen. Da TROPOMI nicht gut durch Wolken hindurchsehen kann, wurden andere Regionen rund um den Globus, wie Kanada und die äquatorialen Tropen, ebenfalls nicht berücksichtigt. Das bedeutet aber nicht, dass diese Regionen aus dem Schneider sind, sagt Lauvaux. „Es sind einfach keine Daten verfügbar“. Nach diesem umfassenden Überblick über TROPOMI arbeiten Lauvaux und andere Wissenschaftler nun daran, diese Datenlücken mit Hilfe anderer Satelliten mit besserer Auflösung und der Fähigkeit, Wolken zu durchdringen, zu schließen.

„Es könnte noch viel mehr getan werden, vor allem in Bezug auf importiertes Öl und Gas“, sagte Martin Hojsík, slowakischer Abgeordneter der zentristischen Fraktion Renew Europe, der an der Ausarbeitung der Stellungnahme des EU-Parlaments zur Methanverordnung beteiligt war. „Ich denke, hier müssen wir stärker und mutiger sein“, sagte Hojsík den Teilnehmern einer EURACTIV-Veranstaltung am 03.02.2022). Der Vorschlag der EU-Exekutive, der im Dezember 2021 vorgelegt wurde, sieht Meldepflichten für Importeure in die EU vor. Für die europäische Industrie für fossile Brennstoffe sieht er jedoch wesentlich strengere Vorschriften vor. Allerdings „entstehen die Emissionen, für die wir verantwortlich sind, hauptsächlich außerhalb der Europäischen Union und 90 Prozent unseres Öls und Gases werden importiert“, bemerkte Jutta Paulus, deutsche grüne Abgeordnete und Fraktionssprecherin für Gesundheitspolitik.

„Ich denke, dass die Frage der Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung ziemlich zügig auf Importe ausgeweitet werden könnte“, sagte Paulus. „Wir haben bereits einen gemeinsamen Rahmen, um diese Emissionen zu überwachen, zu melden und zu überprüfen. Es sei „absolut notwendig“, die Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung auf Importe zu erweitern, so Dagmar Droogsma vom Environmental Defense Fund Europe, der die Veranstaltung unterstützt hat. „Der größte Teil des Methans aus diesen Importen wird ausgestoßen, bevor das Gas in die EU gelangt. Der Gesetzesentwurf lässt diese vorgelagerten Methanemissionen völlig unberücksichtigt“, warnte sie.

Rückschlaggefahr für die Wirtschaft?

In ihrem Vorschlag vom Dezember verfolgte die Europäische Kommission einen zweistufigen Ansatz zur Regulierung von Methan aus Gasimporten: zunächst Transparenzmaßnahmen, einschließlich Satellitenüberwachung, gefolgt von einer Bewertung bis 2025, um gegebenenfalls strengere Maßnahmen zu erwägen. Malcolm McDowell, der bei der Europäischen Kommission ein Team zur Methanreduzierung leitet, verteidigte den Vorschlag und erklärte, er sei eine „Weltpremiere“ und „nicht weniger als bahnbrechend“. Mehr Ehrgeiz in das Gesetz zu zwingen, könnte letztlich nach hinten losgehen, warnte er. „Nehmen Sie keine Aspekte des Vorschlags als selbstverständlich hin, was den Grad der Ambition angeht, den wir erreicht haben“, sagte er und deutete an, dass der Vorschlag vom Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten verwässert werden könnte.

McDowell wies auch darauf hin, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um die europäischen Energielieferanten herauszufordern. Die EU befindet sich derzeit in einer Energiekrise, die zusammen mit den wachsenden Spannungen in der Ukraine die Abhängigkeit Europas von ausländischen Gaslieferungen offenbart hat. Importe machen 70 Prozent des europäischen Bedarfs an fossilen Brennstoffen aus, so McDowell. Daher wäre es unrealistisch, diese Lieferungen an die Einhaltung aller Vorschriften zu knüpfen, die Europa seinem Binnenmarkt auferlegen will.

Aber Hojsík widersprach: „Für mich ist es der perfekte Zeitpunkt, denn die unerwarteten Gewinne, die die Unternehmen haben, ermöglichen ihnen offensichtlich nicht nur, Dinge zu tun, sondern zeigen letztlich auch, dass viel mehr Geld aus den Rohren sickert.“ Bis 2025 wird die Europäische Kommission die Gesetzgebung überprüfen müssen und könnte strengere Bedingungen für Importe ins Auge fassen.

CBAM für Methan

Zudem befürchtet Hojsík, dass die in Europa auferlegten Methanvorschriften die EU-Industrie für fossile Brennstoffe gegenüber ausländischen Wettbewerbern benachteiligen könnten. Eine Lösung hierfür, so schlug er vor, wäre die Einführung einer Grenzabgabe auf Öl- und Gasimporte, ähnlich zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Diesen möchte die EU für die Einfuhr von Produkten, die einen hohen CO2-Gehalt aufweisen, künftig errichten. „Letztendlich denke ich, dass die Motivation darin bestehen sollte, dass das nach Europa importierte Öl und Gas dem gleichen Standard entspricht, das heißt auch mit den geringstmöglichen Methanemissionen“, erklärte Hojsík. Laut McDowell könnten die Methanemissionen in Zukunft in die CO2-Grenzabgabe einbezogen werden, sobald mehr Daten im Rahmen der vorgeschlagenen Methanverordnung gesammelt werden. „Die Möglichkeit, Methanemissionen zu einem späteren Zeitpunkt einzubeziehen, ist vorhanden, aber wir denken, dass das CBAM speziell für den Umgang mit CO2-Emissionen entwickelt wurde… zu denen wir extrem gute Daten haben, Daten zu Punktquellen, was im Moment für Methan nicht der Fall ist“, sagte er.

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