Die Kontroverse um die Designer Fuels

Diskussion im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Blog

Im Blog von „H2 – das Magazin für Wasserstoff und Brennstoffzellen“ publizierte Sven Geitmann vom 26. bis 28.05.2022 drei Diskussionsbeiträge zum Thema Alternative Treibstoffe (s.auch: solarify.eu/alternative-kraftstoffe-synthetische-treibstoffe-designer-fuels-e-fuels). Den Auftakt machte Andreas Luczak von der Fachhochschule Kiel. Er kritisierte, dass E-Fuels nicht ausschließlich mittels Grünstrom produziert würden und somit die Umwelt weiter belasteten. Ihm folgte Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des  Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes, er ist überzeugt, dass synthetische Treibstoffe jetzt unerlässlich sind: „Ohne geht es nicht!“ Johanna Büchler von der DUH nannte schließlich das (von ihr selbst formulierte) Versprechen der Klimafreundlichkeit von E-Fuels eine „gefährliche Illusion“. Ihr Vorwurf: „Klimascheinlösung E-Fuels„.

Synthetische Kraftstoffe: Zapfhähne für OME, H2 und Solarstrom – Bild © PPP Schlögl, MPI CEC

I. Diwald: Grüner Wasserstoff und E-Fuels – ohne geht es nicht!

„Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen: Die Klimaziele müssen ohne negativen Einfluss auf unsere Mobilität und den Wirtschaftsstandort Deutschland erreicht werden. Um die Treibhausgasemissionen zu mindern, müssen daher neben neuen batterieelektrischen und Brennstoffzellen- auch die Bestandsfahrzeuge bedacht werden. Dafür kommt nur der Einsatz von erneuerbaren synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, infrage. Nur so können im Rahmen der von der neuen Bundesregierung angestrebten Klimaziele 2030 Fahrverbote für konventionelle Fahrzeuge, die vor allem die sozial schwächeren Bürger betreffen würden, verhindert werden.

Die EU-Kommission beabsichtigt jedoch, so euphorische und idealistische Anforderungen an die Produktion der erneuerbaren Kraftstoffe zu stellen, dass der notwendige Hochlauf der Produktion von erneuerbaren synthetischen Kraftstoffen massiv erschwert wird. Die Umsetzung des bislang vorliegenden Entwurfs der Europäischen Kommission zur RED II würde einen Einstieg in eine zukunftsweisende Technologie verzögern und somit die deutschen Klimaziele im Verkehr unerreichbar machen. Die Bundesregierung muss deswegen diesbezüglich auf europäischer Ebene aktiv werden. Zudem sollte Deutschland seinen rechtlichen Gestaltungsspielraum vollends ausschöpfen, schließlich hat die Bundesrepublik sehr viel ehrgeizigere Ziele für den Anteil erneuerbarer Kraftstoffe als die EU vorgegeben (mehr als 25 statt nur 14 Prozent). Dies ist die Bundesregierung ihren Wählern und dem Klima schuldig.

Die alte Bundesregierung hatte eine verbindliche Treibhausgasminderungsquote (THG) von 25 Prozent verabschiedet. Gleichzeitig wurde dem grünen Wasserstoff eine von der EU-Richtlinie abweichende Sonderrolle (die doppelte Anrechnung des Energiegehaltes auf die THG-Quotenverpflichtung) eingeräumt. Damit wurden die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine kostenneutrale Zielerreichung mit grünem Wasserstoff und E-Fuels geschaffen. Was jetzt noch fehlt, ist eine Verordnung, die für die Unternehmen Investitionssicherheit bei der Umsetzung gewährleistet.

Die neue Bundesregierung ist jetzt gefordert, eine Verordnung für erneuerbare synthetische Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff zu erlassen. Dabei gilt es zwischen Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und dem Ziel des Koalitionsvertrages, zum Leitmarkt der Wasserstofftechnologien zu werden, abzuwägen. Eine ideologische und zu stringente Vorgabe an den Strombezug aus erneuerbaren Energien wäre hierbei eine Bedrohung eines haushaltsneutralen kurzfristigen Hochlaufs einer grünen H2-Marktwirtschaft.

Zweifelsohne wollen und müssen wir die Klimaziele im Verkehr erreichen. Dabei muss die Bundesregierung jedoch darauf achten, dass einerseits die Kosten für die Bürger, den Güterverkehr und die Landwirtschaft nicht in einem unerträglichen Maße steigen und andererseits die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet ist. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der aktuell hohen Inflation und der aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Durch entsprechende Steuervergünstigungen für Kraftstoffe – mit einem Mindestanteil an erneuerbaren synthetischen Kraftstoffmengen – hat die neue Bundesregierung ausreichend Handlungsspielraum, um einen sozialverträglichen Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Mobilität zu gestalten. Die neue Bundesregierung entscheidet darüber, ob Deutschland die Chance ergreift, zum Leitmarkt des wirtschaftlich so aussichtsreichen grünen Wasserstoffmarktes zu werden. Und auch, ob die Klimaziele 2030 realistisch und sozial fair erreicht werden können“ ().

II. Luczak: E-Fuels noch viele Jahre unnötig für Energiewende

„E-Fuels werden – wenig überraschend – besonders von denjenigen Industriezweigen propagiert, deren Produkte und Infrastruktur stark auf fossile Brenn- und Treibstoffe ausgelegt sind. Die damit verbundene Hoffnung, dass mit klimaneutralem Erdgas, Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin sich unser Leben durch die Energiewende nicht ändern müsste, wird dabei dankbar von Gesellschaft und Politik aufgenommen. Dass hinter dieser E-Fuel-Propaganda in erster Linie wirtschaftliche Interessen stehen, wird dabei geflissentlich übersehen.

Betrachtet man E-Fuels nüchtern, zeigt sich leider ein desillusionierendes Bild: E-Fuels reduzieren prinzipiell nur dann Emissionen, wenn sie aus überschüssigem Ökostrom hergestellt werden. Ansonsten führt die stromintensive Herstellung von E-Fuels zu einer höheren Auslastung der noch einige Jahrzehnte notwendigen fossilen Kraftwerke und damit zu mehr Emissionen, als diese durch den Einsatz von E-Fuels an anderer Stelle wieder eingespart werden könnten. Aktuell werden jedoch nur wenige Prozent des Ökostroms abgeregelt, so dass das Potenzial zur Erzeugung von E-Fuels sehr gering ist.

Hinzu kommt, dass die Abregelungen nur während eines kleinen Teils der Jahresstunden auftreten und teure Infrastruktur zur Herstellung von E-Fuels damit extrem schlecht ausgelastet wäre. Die sich damit ergebenden Kosten, um eine Tonne CO2 einzusparen, werden, ähnlich wie bei dem Einsatz von Wasserstoff, selbst bei einem extrem beschleunigten Ausbau der Wind- und Solarkapazitäten noch bis mindestens etwa 2035 höher sein als die Kosten für alternative CO2-Reduktionsmaßnahmen.

Warum eine staatliche Förderung von E-Fuels unterbleiben sollte

Auch langfristig wird der Einsatz von E-Fuels nur bei sehr wenigen „No-Regret“-Anwendungen, die scheinbar nicht anders CO2-frei gemacht werden können, günstiger sein als alternative Technologien, und zwar nur bei Teilen des Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehrs. Die Dekarbonisierung dieser Anwendungen ist so kostspielig, dass sie erst dann sinnvoll ist, wenn man mit allen günstigeren Maßnahmen den erneuerbaren Anteil des Primärenergieverbrauchs bereits auf etwa 80 Prozent erhöht hat. Wenn man bedenkt, dass man den erneuerbaren Anteil von 1990 bis 2020 trotz größter Anstrengungen nur von 1 auf 17 Prozent erhöhen konnte, lässt sich erahnen, wie weit wir noch von einem sinnvollen Einsatz von E-Fuels entfernt sind“ (26.05.2022).

III. Bühler: Klimascheinlösung E-Fuels

„Den Verkehr großflächig auf E-Fuels umzustellen wäre ein gigantisches Eigentor beim Klimaschutz. Je mehr wir auf E-Fuels setzen, desto mehr verhindern wir eine rechtzeitige globale Energiewende. Der Verbrennungsmotor wird nicht grün, und an einer grundlegenden Mobilitätswende führt kein Weg vorbei. In keinem Sektor läuft Deutschland seinen eigenen Klimazielen so weit hinterher wie im Verkehr: Nach 30 Jahren, in denen die CO2-Emissionen gar nicht gesunken sind, müssen sie nun innerhalb von acht Jahren fast halbiert werden. Zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze muss es tatsächlich noch deutlich schneller gehen.

Hört man Lobbyverbänden der Öl- und Autoindustrie zu, heißt die Lösung E-Fuel – synthetischer Kraftstoff, der flächendeckend in herkömmlichen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden kann. E-Fuels machen den Verkehr grün, ohne die Notwendigkeit für unbequeme strukturelle Veränderungen, so das Versprechen.Das ist eine gefährliche Illusion. Die Deutsche Umwelthilfe hat die häufigsten Mythen zu E-Fuels zusammengestellt: Von E-Fuels ist immer im Kontext Klimaschutz die Rede, doch sie sind keineswegs automatisch klimafreundlich, und ihr Einsatz kann sogar zu hohen Mehremissionen führen. E-Fuels herzustellen ist äußerst energieintensiv, und ihre Klimawirkung ist in höchstem Maße davon abhängig, woher die eingesetzte Energie stammt. Nur auf Basis von zu 100 Prozent zusätzlich erzeugtem erneuerbarem Strom ist ein Klimaschutzbeitrag möglich. Wasserstoff und E-Fuels aus fossilem Gas, die manche Akteure derzeit als „low-carbon“ deklarieren möchten, sind mit enormen Treibhausgasemissionen verbunden und würden die Klimakrise befeuern statt eindämmen.

Grüner Strom indes ist knapp und kostbar und wird das noch auf lange Sicht bleiben. Er muss zielgerichtet so eingesetzt werden, dass maximaler Klimanutzen entsteht. Jede Kilowattstunde Ökostrom bringt in direktelektrischen Anwendungen (im Stromsektor, für E-Fahrzeuge oder Wärmepumpen) mit Abstand die größte Emissionseinsparung. Und das gilt überall auf der Welt. Auch im windigen Chile werden noch fast 80 Prozent des Primärenergiebedarfs über fossile Quellen gedeckt. Kostbaren Windstrom dann zur Produktion von E-Fuels für Porsche statt für die Dekarbonisierung des heimischen Energiesektors zu verwenden, ist keine Entlastung, sondern eine zusätzliche Belastung für das Klima“ (28.05.2022).

Insgesamt gekürzte Online-Versionen – komplette Fachberichte in der April-Ausgabe des HZwei-Magazins.

->Quellen: