„Den Wasserstoff liefern, den Europa braucht“

Alte Idee, neu aufgelegt

Die Grundidee ist schon alt: Solarenergie wird als Strom, Wasserstoff oder Ammoniak aus der Sahara nach Europa exportiert, um unsere Energieprobleme zu lösen. Ist das aber tatsächlich ein gangbarer Weg? Ökologisch betrachtet könnte die Idee sinnvoll sein, weil dadurch fossile Energieressourcen im Boden bleiben, aber ist es auch moralisch vertretbar, oder wäre es eine neue Art des Kolonialismus? Und wie viel Arbeit und Geld müssten investiert werden, und wie hoch sind die Transportverluste? fragt Autor in einem Artikel am 27.11.2022 im Magazin hzwei.info.

Heute nicht mehr aktuell: CSP – Kraftwerk Kuraymat, Ägypten (2011) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Bereits 1912 baute der Amerikaner Frank Shumann das weltweit erste industriell angelegte Solarkraftwerk in Maadi (im Süden Kairos), bestehend aus fünf Parabolrinnen; 1916 bekam er sogar vom Berliner Reichstag (er war der erste Ausländer, der im Reichstag reden durfte) 200.000 Mark für ein Pilot-Solarkrafterk in Deutsch-Ostafrika genehmigt, doch der Erste Weltkrieg durchkreuzte die Pläne.

Lewitz: „1982 spielte der Visionär Ludwig Bölkow mit diesem Gedanken, der dann später von der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH aufgegriffen und um Wasserstoff erweitert wurde. Der Club of Rome übernahm die Idee, und nach der Jahrtausendwende führte das DLR Studien zu diesem Thema durch, auf denen dann später die Gründung von Desertec basierte.“ Initiator und Anschieber war Gerhard Knies (Desy).

2008 wurde auf dessen Betreiben die Desertec-Foundation gegründet. In der Folge entstand am 16.07.2009 die Desertec-Industrie-Initiative, ein Konsortium aus vorrangig deutschen Firmen. Deren Versuch, solarthermische Kraftwerke in Nordafrika aufzubauen und Solarenergie per Hochleistungsstromnetz nach Europa zu transportieren, scheiterte jedoch: Die rsasante Preisentwicklung der Solarenergie, vor allem ihre Verbilligung, ließ die Pläne Geschichte werden.

„‚Desertec 2.0‘ nahm dann die lokalen Märkte stärker in den Fokus, während das heutige Bündnis von Desertec 3.0 in den MENA-Wüsten nun Wasserstoff für die lokale Bevölkerung sowie für die globalen Märkte vorsieht.“

Die Meinungen darüber gehen laut Lewitz auseinander: Jorgo Chatzimarkakis, seit 2016 Generalsekretär beim Verband Hydrogen Europe, forderte vor Jahren dezidiert Wasserstoffleitungen, die das Gas aus Afrika nach Mitteleuropa transportieren, und erklärte: „Wir werden ein Importland von erneuerbaren Energien, aber ein Exportland von Elektrolyseuren sein.“ Demgegenüber sagte BSW-Solar-Chef Carsten Körnig, erneuerbare Energien in großer Menge zu importieren werde nicht möglich sein, weil auch andere europäischen Länder Bedarfe anmelden würden. Deswegen solle verstärkt auf inländische Ökostromerzeugung gesetzt werden.

Um etwas mehr über den aktuellen Stand des Vorhabens zu erfahren, befragte HZwei (Lewitz) Cornelius Matthes, den CEO von Dii Desert Energy. HZwei: „Herr Matthes, Sie sagen in Vorträgen und Veröffentlichungen, dass die Unternehmen aus dem Desertec-Umfeld noch in diesem Jahrzehnt die Wasserstoffmengen liefern können, die Europa benötigt. Das klingt sportlich. Was ist die Grundlage für Ihre Zuversicht?“

Matthes: „Wir kennen die Ankündigungen und Pläne unserer Partner. Dazu gehören Projekte wie Neom Green Hydrogen, das alleine 650 Tonnen Wasserstoff täglich produzieren soll, aber auch weitere Projekte von ACWA Power, Masdar, DEME, Linde oder EDF. Das sind große Unternehmen, deren Trackrecords zeigen, dass sie solche Projekte stemmen können. Rechnet man die Projekte zusammen, die bereits zwischen Ankündigung und der Umsetzungsplanung sind, kommt man auf mehr als die 10 Millionen Tonnen pro Jahr, die Europa bis 2030 importieren möchte. Mit dem Hydrogen Accelerator im Rahmen des REPowerEU-Plans sind die Produktions- und Importziele für Europa ungefähr vervierfacht worden. Das heißt, aus der 2×40-GW-Initiative, die wir im April 2020 gemeinsam mit unserem Partner Hydrogen Europe Frans Timmermans vorstellten, ist eine 2×160-GW-Initiative geworden. Die MENA-Region wird also bis Ende des Jahrzehnts den Wasserstoff liefern können, den Europa braucht.“

Lewitz: „Die Produktionskapazitäten sind das eine. Damit der grüne Wasserstoff eine Alternative zum fossilen Wasserstoff oder zu anderen Energieträgern wird, muss er aber auch bezahlbar sein.“

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