Gral der Physik gefunden?

Umstrittene Supraleiter-„Sensation“

Physics World nannte den angeblich gefundenen, bei Raumtemperatur funktionierenden Supraleiter den „heiligsten aller heiligen Grale der Physik“: Das koreanische Forscherteam Sukbae Lee und Ji-Hoon Kim vom Korea Institute of Science and Technology (KIST) hatte auf dem Preprint-Server arXiv der Cornell University am 22.07.2023 unter dem Titel „The First Room-Temperature Ambient-Pressure Superconductor“ ein Ergebnis publiziert, das allerdings noch nicht von einem Experten begutachtet worden war. Viele Physiker blieben reserviert – angesichts der jüngsten Rückzüge und Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens auf diesem Gebiet.

Klassisches Kupferkabel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Erst am 14.10.2020 hatte Ranga Dias von der Universität Rochester in Nature und im Quanta-Magazin die Entdeckung eines neuen Sepraleiters aus Kohlenstoff, Schwefel und Wasserstoff publiziert, das selbst bei 15 Grad Celsius noch verlustfrei leite. Allerdings brauche es enormen Druck, nämlich 270 Gigapascal (GPa = 1 Milliarde Pascal, oder ungefähr tausendmal unser „normaler“ atmosphärischer Luftdruck). Die Veröffentlichung stieß aber auf Skepsis der wissenschaftlichen Gemeinde. Am 26.09.2022 wurde der Artikel dann zurückgezogen, am 25.07.2023 ein weiterer: Dias hatte Daten manipuliert und steht seitdem im Zweifel.

Der „neue“ Supraleiter-Stoff LK-99 sieht als vermutlicher Umgebungsdruck- und Raumtemperatur-Supraleiter grau-schwarz aus: Es hat hexagonale Struktur, die leicht von Blei-Apatit abgewandelt ist, und soll als Supraleiter unter 127° C funktionieren.? Bis zum 26.07.2023 wurde die publizierte Entdeckung der Supraleitfähigkeit von LK-99 aber weder von Fachleuten überprüft noch von unabhängiger Seite bestätigt.

Vor 111 Jahren entdeckte der niederländische Physik-Nobelpreisträger Heike Kamerlingh Onnes das Phänomen der Supraleitung (in Quecksilber) – eines sogenannten  makroskopischen Quantenzustands. Inzwischen sind zwar viele Materialien bekannt, die verlustfrei Strom leiten, bisher aber nur bei extrem niedrigen Temperaturen. Deshalb wurde seitdem viel daran geforscht, ein Material zu finden oder zu konstruieren, das auch bei Umgebungstemperatur verlustfrei Strom leitet.

LK-99, eine modifizierte Bleiapatit-Kristallstruktur mit der Zusammensetzung Pb10-xCux(PO4)6O (0,9<x<1,1), wurde mit Hilfe der Festkörpermethode synthetisiert. Das Material zeigt die ohmsche Metallcharakteristik von Pb(6s1) oberhalb seiner supraleitenden kritischen Temperatur, Tc, und das Schwebephänomen als Meissner-Effekt eines Supraleiters bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck unterhalb von Tc. Eine LK-99-Probe weist Tc über 126,85° C (400 K) auf. Die Forscher führen die Möglichkeit der Raumtemperatur-Supraleitung in diesem Material auf zwei Faktoren zurück: die erste ist die Volumenkontraktion, die aus einem Isolator-Metall-Übergang resultiert, der durch den Ersatz von Pb durch Cu erreicht wird, und der zweite ist die abstoßende Coulomb-Wechselwirkung vor Ort, die durch die strukturelle Deformation in der eindimensionalen (D) Kettenstruktur (Pb2-O1/2-Pb2 entlang der c-Achse) aufgrund der supraleitenden Kondensation bei Tc verstärkt wird. Der Mechanismus der Raumtemperatur Tc wird anhand der 1-D BR-BCS-Theorie diskutiert. (arxiv.org/abs/2307.12037)

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