Digitalisierung kann Umweltschutz und Lebensqualität in ländlichen Räumen stärken

Fünf Maßnahmenvorschläge zur Umgestaltung des Wirtschaftssystems zu „Green Economy“

Ländliche Räume in Deutschland können durch digitale Technologien nachhaltiger und damit zukunftsfähiger werden. Eine am 31.08.2023 publizierte Untersuchung von Fraunhofer ISI und Fraunhofer IESE im Auftrag des Umweltbundesamts zeigt beispielhaft fünf Instrumente auf, mit denen Digitalisierung und Umweltschutz in ländlichen Räumen gleichermaßen gestärkt werden könnten.

Windgeneratoren im Osten von Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Um die negativen Auswirkungen des menschlichen Handelns auf Umwelt und Klima zu verringern, muss unser Wirtschaftssystem zu einer „Green Economy“ umgestaltet werden. Neue, digitale Technologien können Schlüssel zur Schonung der Umwelt und für die Schaffung attraktiver Lebensräume sein. Allerdings beschränken sich viele Ansätze für die Ressourcenschonung durch Digitalisierung bisher auf urbane Räume, wie sich beispielsweise an zahlreichen „Smart-City“-Initiativen deutscher Großstädte beobachten lässt. Ländliche Räume hingegen stehen nicht zuletzt wegen ihrer Heterogenität und Großflächigkeit bei der digitalen Transformation oft noch hintenan.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Wechselwirkungen zwischen dem Prozess der Digitalisierung und dem Übergang zu einer Green Economy“ haben das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE im Auftrag des Umweltbundesamts eine Teilstudie mit fünf Vorschlägen zur Stärkung von ländlichen Raumen und Umweltschutz unter Berücksichtigung der Potenziale der Digitalisierung veröffentlicht.

350 Praxisbeispiele aus Deutschland und der Welt analysiert

Aufbauend auf Ergebnissen der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, welche unter dem Vorsitz des Bundesinnenministers im Jahr 2019 zwölf Handlungsempfehlungen veröffentlicht hat, untersuchten die Fraunhofer-Forschenden Handlungsbedarfe, Hemmnisse und 350 nationale und internationale Praxisbeispiele für Projekte an der Schnittstelle von Digitalisierung, Umweltschutz und ländlichem Raum.

Aus den Erkenntnissen ihrer Analyse entwickelten die WissenschaftlerInnen dann fünf Maßnahmenvorschläge, die sie weiter auf Kosten-Nutzen-Verhältnis, Hemmnisse und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten hin untersuchten. In zwei Workshops wurden die Ideen mit ExpertInnen diskutiert. Im Ergebnis stehen die folgenden fünf Vorschläge für Instrumente zur Stärkung von Digitalisierung und Umweltschutz in ländlichen Räumen:

  • Digitale Vertriebswege für regional hergestellte Produkte durch Beratungs- und Servicestellen optimieren: Der Onlinehandel ermöglicht es ErzeugerInnen, Produkte einfach und schnell zu vermarkten. Es existieren bereits viele Konzepte für digitale Vertriebswege speziell für ländliche Regionen, die jedoch oft noch keine größere Wirkung entfalten. Sogenannte Kompetenzzentren auf Landesebene sollen dabei helfen, diese Ansätze zu professionalisieren: Durch Beratung und Unterstützung, beispielsweise beim Aufbau von Online-Shops, sollen regionale Akteure in die Lage versetzt werden, das Potenzial digitaler Vertriebswege voll auszuschöpfen.
  • Potenziale von Highspeed-Netzen für den Umweltschutz in ländlichen Räumen erproben: Breitband und Mobilfunk werden seit Jahren ausgebaut, doch die dadurch entstehenden Möglichkeiten werden bisher nur in wenigen Teilen Deutschlands genutzt. Durch die Förderung innovativer Modellvorhaben sollen Anwendungsfälle für die Nutzung des Highspeed-Internets im ländlichen Raum entwickelt werden. Denkbar wäre zum Beispiel die Steuerung autonomer Maschinen in der Landwirtschaft („Smart Farming“) oder die Optimierung intelligenter Energienetze auf dem Land. Die Förderung von Entwicklung und Anwendung innovativer Technologien soll zur besseren Nutzung der Potenziale von Highspeed-Netzen beitragen.
  • „Smart-City“-Anwendungen evaluieren und zur Stärkung des Umweltschutzes in ländliche Räume transferieren: In Städten tragen bereits jetzt viele Initiativen zur gewinnbringenden Verbindung von Digitalisierung und Umweltschutz bei. Diese Ansätze sollen in einer Potenzialstudie hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf den ländlichen Raum untersucht und bewertet werden. Darauf aufbauend soll die Umsetzung erfolgsversprechender Konzepte gefördert werden und eine Förderberatung für ländliche Kommunen und Landkreise eingerichtet werden.
  • Gemeinsam Lebensgrundlagen erhalten – Citizen Science in der Umweltdatenerhebung: In einer früheren Studie hatte das Umweltbundesamt die Erstellung eines sogenannten Umweltatlas vorgeschlagen. Für dessen Erstellung sind umfangreiche Datenerhebungen erforderlich. Die Fraunhofer-Forschenden schlagen nun vor, Citizen-Science-Ansätze zu nutzen und dadurch gleichzeitig Daten zu erheben und das Bewusstsein für die Bedeutung von Naturräumen in der Bevölkerung zu stärken.
  • Coworking in und durch öffentliche Einrichtungen fördern: Anstelle einer kompletten Umsiedlung öffentlicher Einrichtungen in ländliche Räume schlagen die WissenschaftlerInnen vor, Coworking-Spaces für Mitarbeitende von Behörden an Wohnorten im ländlichen Raum anzubieten. Dadurch kann Pendelverkehr reduziert und gleichzeitig die Versorgungssituation vor Ort verbessert werden, indem Coworking-Spaces beispielsweise mit Einrichtungen der Nahversorgung kombiniert werden. In den Behörden, an deren Hauptstandorten dadurch Büros frei werden, könnten diese Raumkapazitäten ebenfalls als Coworking-Spaces neu genutzt werden.

Hintergrund

Die fünf Instrumentenvorschläge beschreiben Maßnahmen, die ländliche Räume stärken, sich dabei digitaler Lösungen bedienen und gleichzeitig dem Umwelt- und Ressourcenschutz dienen. Die Vorschläge zielen auf eine Umsetzung auf Bundes- und Landesebene. Die Publikation mit dem Titel „Zukunftsfähig und nachhaltig – Umweltschutz und ländliche Räume durch digitale Technologien stärken“ ist die dritte und letzte Teilstudie des Projekts „Wechselwirkungen zwischen dem Prozess der Digitalisierung und dem Übergang zu einer Green Economy“, an dem außer Fraunhofer ISI und Fraunhofer IESE in anderen Teilprojekten auch das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung IÖW beteiligt war.

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