406 Milliarden Euro fehlen der EU pro Jahr, um eigene Klimaziele zu erreichen

Jährlich mindestens 813 Milliarden Euro nötig

Obwohl grüne Investitionen in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen haben, fehlen jährlich 406 Milliarden Euro, um die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen. Dies geht aus einer neuen Studie hervor, die am 21.02.2024 veröffentlicht wurde, schreibt Frédéric Simon auf EURACTIV. Der Untersuchung zufolge werden in 22 Wirtschaftssektoren jährlich mindestens 813 Milliarden Euro benötigt, um das Dekarbonisierungsziel der EU zu erreichen. Dieses besteht in einer Nettoreduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990.

Wasserdampf-, CO2– und Rauchausstoß in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die Zahl wurde im Rahmen des Berichts „European Climate Investment Deficit“ vom Institute for Climate Economics (I4CE) veröffentlicht. (Der unabhängige Think-Tank wird von Jean Pisani-Ferry geleitet, einem ehemaligen Berater der französischen Regierung. Der Bericht ist der erste seiner Art, der öffentliche und private Investitionen in den Sektoren Energie, Gebäude und Verkehr umfassend darlegt. Diese gelten als zentral für die Dekarbonisierungsziele der EU.)

Der Untersuchung zufolge werden in 22 Wirtschaftssektoren jährlich mindestens 813 Milliarden Euro benötigt, um das Dekarbonisierungsziel der EU zu erreichen. Dieses besteht in einer Nettoreduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Doch obwohl die Investitionen in grüne Technologien im Laufe der Jahre zugenommen haben, bleiben sie derzeit hinter dem benötigten Volumen zurück, um die Ziele für 2030 zu erreichen, so die ForscherInnen. „Da die realwirtschaftlichen Investitionen 2022 407 Milliarden Euro erreichten, verbleibt ein europäisches Klima-Investitionsdefizit von 406 Milliarden Euro pro Jahr oder 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, heißt es in dem Bericht. Die Investitionen müssten sich daher „noch verdoppeln, damit die EU die Klimaziele für 2030 erreichen kann.“

Der Bericht wird am Mittwoch in Brüssel vorgestellt. Derzeit bereiten sich die EU-Institutionen auf die nächste fünfjährige Legislaturperiode (2024-2029) nach den Europawahlen im Juni vor. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat inzwischen offiziell ihre Kandidatur für eine zweite Amtszeit eingereicht. Die Umsetzung der Klimaziele für 2030 wurde bereits als eine der wichtigsten Herausforderungen für die nächste Legislaturperiode benannt.

Von Donnerstag (22.02.2024) bis Samstag trafen sich die EU-Finanzminister in Gent, um die Wirtschaftsaussichten zu erörtern. Dabei ging es um die künftige Politik der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zudem fand eine Arbeitssitzung mit dem ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, statt. Im September war Draghi mit der Ausarbeitung eines Berichts über die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Europas beauftragt worden. Die Aussichten sind eher düster: Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Eurozone, wird in diesem Quartal voraussichtlich in eine Rezession geraten. Frankreich hat am Wochenende seine Wachstumsprognosen gesenkt, nachdem die Kommission ihre eigenen Prognosen für dieses Jahr herabgesetzt hat. Laut I4CE erfordert die Schließung der grünen Investitionslücke einen „umfassenden Ansatz.“ Dieser müsse Vorschriften, eine CO2-Preispolitik und „einige zusätzliche öffentliche EU-Mittel“ umfassen.

Dazu müssten jedoch „politische Fragen“ angegangen werden, wie etwa die Beschränkungen, die den nationalen Ausgaben durch die Haushaltsregeln der EU auferlegt werden. Zudem müsse die Rolle der EU-Fonds bei der Unterstützung grüner Politiken geklärt und die Debatte über potenzielle neue EU-Finanzierungsquellen geführt werden, heißt es in dem Bericht.

Die EU-Staaten hatten sich vor kurzem auf eine Reform der Haushaltsregeln geeinigt. Allerdings stellten sie nur begrenzten zusätzlichen Spielraum für grüne Investitionen zur Verfügung. Grund dafür war der Druck von „sparsamen“ Staaten wie Deutschland, die die strengen Haushaltsregeln der EU, die während der Corona-Pandemie und der Energiekrise ausgesetzt worden waren, wieder einführen wollten. „Die Europäische Kommission muss das EU-Klima-Investitionsdefizit besser einschätzen und angehen, sonst riskiert sie, dass der Grüne Deal seine wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Versprechen nicht einhält“, warnte I4CE in dem Bericht.

Der Bericht fasst auch neue potenzielle Finanzierungsquellen ins Auge. So sollte beispielsweise der „Next Generation EU“-Plan, der derzeit 800 Milliarden Euro umfasst, fortgesetzt werden, heißt es. Das Paket wurde nach der Coronavirus-Pandemie ins Leben gerufen und beinhaltete zum ersten Mal eine gemeinsame EU-Verschuldung. All diese Lösungen bedürfen jedoch der politischen Unterstützung durch die 27 Staats- und Regierungschefs der EU.

Die Europäische Kommission selbst räumt ein, dass zur Erreichung der EU-Klimaziele enorme Investitionen erforderlich sein werden. Insgesamt seien zwischen 2030 und 2050 jährlich 1,5 Billionen Euro erforderlich, um Klimaneutralität für Energie und Verkehr zu erreichen. Die Zahlen der Kommission, die in ihrem Klimazielplan für 2040 dargelegt sind, betonen auch die Bedeutung einer „industriellen Dekarbonisierung“, um die grünen Ziele der EU zu erreichen Dies entspricht den Ideen, die Präsidentin von der Leyen in ihrer letzten Rede zur Lage der Union im September vorgestellt hat.

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