Chemisches Recycling: Deutschland verschläft Potenzial

Eine neue Studie zeigt: Deutschland könnte jedes Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen Kunststoffabfall chemisch recyceln. Aktuell sind es gerade mal 30 000 Tonnen. Während die Politik erste Schritte macht, fehlt es an industriellen Anlagen.

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Säcke voller Flaschendeckel stehen für das ungenutzte Potenzial: Bis 2035 könnte Deutschland 500 000 Tonnen Kunststoffabfall chemisch recyceln, heute sind es nur rund 30 000. Foto: Hiroki Yato

Jährlich fallen in Deutschland sechs Millionen Tonnen Plastikmüll an. Der größte Teil davon wird mechanisch recycelt oder verbrannt. Für gemischte Kunststoffe aus der gelben Tonne, die verschmutzt sind oder aus verschiedenen Sorten bestehen, bleibt oft nur die Müllverbrennung. Chemisches Recycling könnte diese Lücke schließen. Doch eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Conversio zeigt: Deutschland nutzt das Potenzial nicht.
Derzeit sind in Deutschland vier kleine Pilotanlagen für gemischtes Plastik mit einer maximalen Jahreskapazität von jeweils 4000 Tonnen in Betrieb. Hinzu kommt eine industrielle Anlage, die 20 000 Tonnen Altreifen pro Jahr per Pyrolyse verarbeitet. Insgesamt liegt die Kapazität somit bei lediglich rund 30 000 Tonnen, was nur einen Bruchteil des Möglichen darstellt. Laut der Studie könnten bis 2035 etwa 500 000 Tonnen Kunststoffabfälle für das chemische Recycling zur Verfügung stehen. Was Plastikrecycling angeht, liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück.

Die Studie wurde von der BKV GmbH, Plastics Europe Deutschland und dem Verband der Chemischen Industrie in Auftrag gegeben. Sie untersucht die Situation im Jahr 2024 und gibt einen Ausblick bis 2030 und 2035: Die Technik existiert, doch es fehlt an Investitionen und Rechtssicherheit. Derzeit befinden sich zwei industrielle Anlagen mit Kapazitäten von 24 600 und 50 000 Tonnen pro Jahr im Bau. Zehn weitere Projekte sind in Planung, doch ihre Realisierung steht noch nicht fest.
Beim chemischen Recycling werden Kunststoffe durch hohe Temperaturen oder chemische Verfahren in ihre Grundbausteine zerlegt. Daraus lassen sich neue Kunststoffe oder chemische Produkte herstellen. Das bekannteste Verfahren ist die Pyrolyse, bei der Kunststoffe bei Temperaturen bis 850 °C in Öle umgewandelt werden. Diese Öle können in Raffinerien weiterverarbeitet werden. Allerdings ist der Energieaufwand hoch und die Anlagen sind teuer.

Im November 2025 hat das Bundesumweltministerium einen Entwurf für ein neues Verpackungsgesetz vorgelegt. Darin wird das chemische Recycling erstmals als Ergänzung zum mechanischen Recycling anerkannt. Ab 2028 können bis zu fünf Prozent der Recyclingquote für Kunststoffverpackungen durch chemisches Recycling erfüllt werden. Die Industrie begrüßt die Anerkennung, kritisiert jedoch fehlende Investitionsanreize und hohe Kosten. Die Konsultationsfrist lief bis Anfang Dezember, der Gesetzentwurf soll Anfang 2026 verabschiedet werden. Parallel dazu arbeiten Start-ups an neuen Ansätzen. So entwickelt das Münchner Unternehmen Radical Dot einen Prozess, der bei niedriger Temperatur und mit Katalysatoren arbeitet und dabei Energie erzeugen statt verbrauchen soll. Im März 2025 sammelte das Start-up 2,7 Millionen Euro ein, um einen Prototyp an der Technischen Universität München zu bauen. Ob die Technologie industriell funktioniert, ist offen.

Die Conversio-Studie macht deutlich: Das Potenzial ist vorhanden, jedoch stockt die Umsetzung. Ohne klare Regulierung und wirtschaftliche Anreize werden viele Projekte nicht über das Planungsstadium hinauskommen. Chemisches Recycling wird die mechanische Verwertung zwar nicht ganz ersetzen, könnte aber Abfallströme schließen, die bisher in der Verbrennung enden.

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