2°: „Grenze“ statt „Ziel“

Sprache kann verschleiern und verharmlosen. Schon seit jeher sprechen Arbeitgeber lieber von Freistellungen als von Entlassungen, das klingt schön nach neuer Freiheit. Die großen Energie-Konzerne zogen schon immer die Bezeichnung Kernkraftwerk  dem brutalen Atomkraftwerk vor (dessen Akronym AKW früh zum Kampfbegriff der Ostermarschierer wurde) – Kern, das ist wie Apfelkern harmlos, nett – Atom dagegen gemahnt an Hiroshima, Tschernobyl und Fukushima. Gleiches gilt für die Zwei-Grad-Grenze, welche die Erderwärmung bei Androhung existienzeller Folgen keineswegs nur für die Südseeinsulaner nicht überschreiten darf. Seit 35 Jahren ist sie schon bekannt: 1975 veröffentlichte der US-Wirtschaftsprofessor William Nordhaus eine Grafik mit einer als Zwei-Grad-Grenze bezeichnete Linie – er fügte dieser Grenze eine Zeitachse, die natürlichen Schwankungsbreiten samt einer nach oben verlaufenden Temperatur-Kurve hinzu: 2040 schnitten beide einander. Aus der 2-Grad-Grenze wurde (im Deutschen) über die Jahre ein 2-Grad-Ziel. Unter Ziel verstehen wir aber gemeinhin etwas Erstrebenswertes, für dessen Erreichung oder Überschreitung im Sport sogar Medaillen winken. Es geht aber um die Vermeidung einer Katastrophe, die nach Überzeugung von Experten schon bei 1,5 Grad anfängt. Die keineswegs als radikal-ökologisch verschriene IEA rechnet dagegen in ihrem am 12.11.2012 veröffentlichten World Energy Outlook mit einer „langfristigen mittleren globalen Erwärmung um 3,6°C“. Keine Verharmlosung mehr möglich.
© ho – Quelle u.a.: faz.net; klimarebellen.org