Astronautennahrung und Energiequelle

Algen: Wundermittel aus dem Wasser

Als schmackhafte Zutat im Sushi oder als lästige Plage im Gartenteich, so sind uns Algen bislang bekannt. Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Fraunhofer IGB in Stuttgart wollen sich damit nicht begnügen: Sie erproben ihre Verwendung für den Treibstofftank, für Kosmetikprodukte – und sogar für Weltraumflüge.

Rriesige Glasbehälter im Labor von Clemens Posten leuchten in grellem Grün, und blubbernd steigen Blasen in ihnen auf. „Das“, sagt der Biologe, „sind unsere Bioreaktoren.“ In den High-Tech-Glaskästen baut er mit seinem Team Algen an. Die gelten unter Forschern als Hoffnungsträger unter den Energiepflanzen. Daher suchen sie nach einer besonders effizienten Art der Zucht.

Die Biologen wollen dabei ausnutzen, dass Algen wie kleine Kraftwerke funktionieren: Sie nehmen jede Menge des Treibhausgases CO2 auf und wandeln es in Sauerstoff um. Einige Algenarten können sogar Wasserstoff produzieren. Wenn es gelingt, die Algen energiesparend zu züchten, könnte das für die grüne Energie einen Meilenstein bedeuten. Denn die Mikroorganismen können ihre Biomasse innerhalb eines einzigen Tages verdoppeln – und: Sie können das ganze Jahr über geerntet werden und verbrauchen vor allem keine wertvollen Ackerflächen, auf denen auch Lebensmittel angebaut werden könnten.

Der Haken daran: Um aus Algen Kraftstoffe zu produzieren, wird bisher mehr Energie verbraucht, als die Algen letzten Endes produzieren. Das liegt hauptsächlich an den Bioreaktoren, in denen sie wachsen: „Vor allem die Pumpen zu betreiben, die die Nährstoffe und das CO2 durch Einblasen von Luft im Bioreaktor verteilen, kostet viel Energie“, erklärt Clemens Posten (Foto), der den Bereich Bioverfahrenstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) leitet.

Mit seinem Team entwickelt er deswegen eine spezielle Membran, die den Bioreaktor umgibt und die Pumpen ersetzen soll. „Durch die dünne Membran kann das CO2 gleichmäßiger zu den Algen gelangen“, erläutert der Ingenieur. „Man könnte das System mit unserer Lunge vergleichen: Wenn wir einatmen, diffundiert der Sauerstoff durch unsere Lungenbläschen in die Blutgefäße. Die Algen atmen stattdessen durch die Membran CO2 ein.“

Astronautennahrung?

Für ihre Algen haben die Karlsruher Wissenschaftler um Clemens Posten eine ganz besondere Anwendung im Blick: Schon bald, so ihre Hoffnung, könnten sie Astronauten als vitamin- und proteinreiche Nahrung dienen, sie mit Sauerstoff versorgen und das ausgeatmete CO2 recyceln. Um diesem Ziel näher zu kommen, experimentieren die Forscher schon jetzt mit Algen, die sie ins All schicken wollen. Davor müssen sie aber einige Schwierigkeiten lösen: „Die erhöhte kosmische Strahlung könnte die Algen schädigen“, fürchtet Clemens Posten. „Und ihnen fehlt das Sonnenlicht zum Wachsen.“ Künstliches Licht aus LEDs könnte da Abhilfe schaffen. Dafür erforscht das Team gerade, bei welchem Licht die Algen optimal wachsen.

Ein weiteres Problem ist die Schwerelosigkeit: Die eingeblasene Luft steigt nicht im Wasser auf, so dass Nährstoffe und CO2 nicht umgewälzt werden können. Auch hier kommt die neue Entwicklung der Karlsruher zum Einsatz. „Unsere Membran sorgt sogar bei Schwerelosigkeit für einen geregelten Stofftransport und kann einen Teil der aufwendigen Pumpen ersetzen“, sagt Posten. Nach den ersten Experimenten auf der Erde testen die Wissenschaftler das System jetzt bei Parabelflügen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Wenn die Algen diese Flüge überstanden haben, folgen Tests auf Satelliten oder der Internationalen Raumstation ISS.
Folgt: Astaxanthin und Eicosapentaensäure aus Algen