Dramatischer Gletscherschwund steigert Georisiken

Von der Gefahr von Gletscherseen

[note Im Zuge des Projekt-Workshops im August 2012 wurden im Gelände die Schäden der Flutwelle eines wenige Tage zuvor ausgebrochenen Gletschersees besichtigt. (Foto © Hermann Häusler/Universität Wien)]

Durch das zunehmende Schwinden der Gletscher im 21. Jahrhundert wird nach und nach Fläche eisfrei. Das wird zu erheblichen Umgestaltungen des jeweiligen Gletschervorfeldes führen. In übertieften Gletschersenken werden sich neue Gebirgsseen bilden, was das potentielle Risiko von Naturgefahren erheblich erhöhen wird. Eisabschmelzung werden Bergflanken, aber auch Hangfußlagen destabilisieren. Wenn riesige Geröll- und Gesteinsmassen in die nach dem Abschmelzen gebildeten Seen stürzen, können Flutwellen ausgelöst werden, die im darunterliegenden Tal zu enormen Zerstörungen führen können.

Von galoppierenden Gletschern und ausbrechenden Seen

In Zentralasien überwiegt generell ein Abschmelzen der Gletscher. Eine Ausnahme bildet das zentrale Tien-Shan-Gebirge in Kirgisien. Dort stoßen seit Jahrzehnten Gletscher immer wieder kilometerweit vor. Wieso das so ist, bleibt nach wie vor ein ungelöstes Rätsel. Im bis 7.000 m hoch gelegenen Projektgebiet im Grenzbereich Kirgisien–China–Kasachstan sind mehrfach „glacial surges“, also ganz rasche Gletschervorstöße aufgetreten, die in der Literatur auch als „galoppierende Gletscher“ beschrieben werden. Der jüngste „surge“ erfolgte 1996 im nördlichen Inylchek-Tal.

[note Erst vom Hubschrauber aus sieht man das ganze Ausmaß der letzten Vermurung einer Feriensiedlung südlich von Bishkek. Starkniederschläge und Gletscherseeausbrüche bilden ein zunehmendes Gefährdungspotential. (Foto: © Hermann Häusler/Universität Wien)]

Zeitreihenanalysen von Stereo-Luftbildern seit den 1940er-Jahren und Satellitenbilder bis zur Millenniumswende belegen zuerst ein Abschmelzen des nördlichen Inylchek-Gletschers, wodurch sich ein Gletschersee bis zu einer Länge von vier Kilometern ausbildete. Im Spätherbst des Jahres 1996 kam es zu einem über drei Kilometer weiten Vorstoß des Gletschers mit Geschwindigkeiten von bis zu 40 m pro Tag. Das vom Gletscher verdrängte Wasser hat schließlich einen tiefer gelegenen Talbereich überflutet.

„Es wäre interessant, die Ursachen derartiger rascher Gletschervorstöße weiter zu untersuchen, da sie in Zeiten der globalen Klimaerwärmung einen regional gegenläufigen Trend des Gletscherverhaltens anzeigen und die damit verbundenen Gletscherseeausbrüche ein erhöhtes Gefährdungspotential darstellen“, erklärt Hermann Häusler.

Frühwarnsystem in Kirgisien

Die europäischen WissenschafterInnen sind in ständigem Informationsaustausch mit ihren KollegInnen vor Ort. Dort wird ein Frühwarnsystem eingerichtet, und es werden Folgestudien gemäß den Anforderungen des kirgisischen Katastrophenschutzministeriums implementiert.

Projektdaten

Ende 2013 wurde das durch das österreichische Wissenschaftsministerium geförderte, zweijährige Projekt erfolgreich abgeschlossen. Lead-Partner des transnationalen FP7 ERA-NET Projektes „Impact of climate change and related glacier hazards and mitigation strategies in the European Alps, Swedish Lapland and the Tien Shan Mountains, Central Asia“ war die Universität Wien unter Leitung von Hermann Häusler und Diethard Leber vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien.

->Quelle(n): medienportal.univie.ac.at1; medienportal.univie.ac.at2; umweltbundesamt.de; circle-era.eu;