„Regierung kann derzeit keine verlässliche Aussage treffen“

1. Welche Auswirkungen haben die verringerten Ausbaukorridore für erneuerbare Energien nach Informationen der Bundesregierung auf die Netzausbauplanung für Höchstspannungsleitungen in Deutschland?

Grundsätzlich kann jede Änderung der Szenarien Auswirkungen auf die Netzausbauplanung der Übertragungsnetzbetreiber haben. Eine verlässliche Aussage zu den konkreten Auswirkungen ist erst nach einer Netzberechnung möglich. Vor diesem Hintergrund ist im Gesetz eine jährliche Erstellung von Szenario- rahmen und Netzentwicklungsplan vorgesehen. Bei der Fortschreibung der Netzentwicklungspläne soll bereits im Rahmen von Sensitivitätsberechnungen der Übertragungsnetzbetreiber zu den Netzentwicklungsplänen 2014 festgestellt werden, welche Auswirkungen die nach dem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode geplante Umsetzung der Ausbaukorridore für erneuerbare Energien auf die Netzausbauplanung für Höchstspannungsleitungen in Deutschland hat.

2. Ist der Ausbau sämtlicher im BBPlG vorgesehenen Höchstspannungsleitungen nach Informationen der Bundesregierung angesichts der verringerten Ausbaukorridore für erneuerbare Energien überhaupt noch notwendig, und wenn ja, warum? Wenn nein, bei welchen Leitungen prüft die Bundesregierung, ob deren Bau angesichts der geringeren Ausbaukorridore noch notwendig ist?

Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Vorhaben des Bundesbedarfsplans ergibt sich direkt aus § 1 Absatz 1 des Bundesbedarfsplangesetzes. Eine Änderung des Ausbaupfads für erneuerbare Energien beeinträchtigt grundsätzlich nicht die gesetzliche Bedarfsfeststellung im Bundesbedarfsplangesetz. Die Auswirkungen der veränderten Ausbaukorridore auf einzelne Netzausbauvorhaben auf Übertragungsnetzebene wird im Detail bei der Fortschreibung der Netzentwicklungspläne geprüft. Auf dieser Grundlage wird die Bundesregierung dann einen Anpassungsbedarf im Bundesbedarfsplangesetz prüfen. Nach § 12e Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes muss der Gesetzgeber mindestens alle drei Jahre den Bundesbedarfsplan fortschreiben.

3. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, zu, dass angesichts der geringeren Ausbaukorridore für erneuerbare Energien nicht nur „die Ausbauszenarien neu berechnet werden müssten, sondern auch Rückzieher von im Dialog (mit Bürgern) angesprochenen Vorhaben erforderlich seien? Wenn nein, warum nicht?

Um die Auswirkungen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ausbaukorridore für erneuerbare Energien auf die Netzausbauplanung der Übertragungsnetzbetreiber festzustellen, ist eine neue Netzberechnung erforderlich. Diese erfolgt im Rahmen der Fortschreibung der Netzentwicklungspläne. Die Ergebnisse der Netzberechnung werden im Rahmen der Konsultation der Netzentwicklungspläne mit der Öffentlichkeit diskutiert. Soweit die Netzberechnungen der Übertragungsnetzbetreiber zeigen, dass die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für einzelne Vorhaben des Bundesbedarfsplans dauerhaft entfällt, wird die Bundesregierung eine entsprechende Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes vorschlagen.

4. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, zu, dass der Netzausbauplanung in Deutschland ein Glaubwürdigkeitsproblem „spätestens dann drohe“, wenn ein Ausbauvorhaben erst revidiert würde, „und dann später noch ein Rückzieher vom Rückzieher erfolge“? Wenn nein, warum nicht?

Aus Sicht der Bundesregierung ist eine regelmäßige Überprüfung der Netzausbauplanung notwendig, damit Änderungen beim Netzausbaubedarf zeitnah nachvollzogen werden können. Allerdings könnte die Glaubwürdigkeit des Prozesses zur Netzentwicklungsplanung beeinträchtigt werden, wenn die energiewirtschaftliche Notwendigkeit eines Vorhabens im Laufe der jährlichen Fortschreibung des Netzentwicklungsplanes mehrfach unterschiedlich beurteilt würde. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit sämtliche Vorhaben des Netzentwicklungsplans einer Robustheitsprüfung unterzogen, um zu vermeiden, dass eher geringfügige Änderungen des Szenariorahmens den grundsätzlichen Bedarf für die genehmigten Vorhaben in Frage stellen können. Dies stärkt aus Sicht der Bundesregierung die Glaubwürdigkeit des Prozesses und fördert allgemein die Akzeptanz für den Netzausbau, zumal der Prozess insgesamt darauf ausgelegt ist, das Risiko eines überdimensionierten Netzausbaus zu reduzieren.

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Revision der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen die faktische Notwendigkeit einzelner neuer Höchstspannungsleitungen in Frage stellt und damit die Akzeptanz des Netzausbaus insgesamt gefährdet, und wenn nein, warum nicht?

Die Bundesregierung kann derzeit keine verlässliche Aussage darüber treffen, welche konkreten Auswirkungen die im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode vorgesehenen energiepolitischen Zielsetzungen auf die energiewirtschaftliche Notwendigkeit einzelner Höchstspannungsleitungen hat. Durch die gesetzlich vorgesehene jährliche Erstellung von Szenariorahmen und Netzentwicklungsplan hat der Gesetzgeber bereits eine regelmäßige Überprüfung der Netzausbauplanung vorgegeben. Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, dass durch eine zweckmäßige Änderung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen und eine darauffolgende Überprüfung der Auswirkungen auf den Netzausbau die Akzeptanz des Netzausbaus ingesamt gefährdet wird. Im Gegenteil, die Akzeptanz für die Energiewende insgesamt könnte beeinträchtigt werden, wenn ein erkannter Korrekturbedarf an den energiepolitischen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt wird und dies sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Netzausbau ignoriert werden würden.

6. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die neu definierten Ausbaukorridore für erneuerbare Energien noch Eingang in den Netzentwicklungsplan 2015 finden werden, welcher die Grundlage für das zweite Bundesbedarfsplangesetz sein wird, angesichts der Tatsache, dass der erste Entwurf der ÜNB für den Szenariorahmen 2015 bereits im April 2014 vorgestellt werden wird?

Die Bundesregierung hat am 22. Januar 2014 die Eckpunkte für die geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verabschiedet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Übertragungsnetzbetreiber die in den Eckpunkten enthaltenen Vorgaben für die künftigen Ausbaukorridore der erneuerbaren Energien noch in ihrem Entwurf des Szenariorahmens für den Netzentwicklungsplan 2015 berücksichtigen werden. Um frühzeitig eine erste Abschätzung zu den Auswirkungen der energiepolitischen Zielsetzungen des Koalitionsvertrags auf den Netzausbaubedarf zu erhalten, ist die Bundesnetzagentur mit den Übertragungsnetzbetreibern darüber im Gespräch, wie die Zielsetzungen des Koalitionsvertrags bereits im Rahmen der Sensitivitätsberechnungen zum Netzentwicklungsplan 2014 berücksichtigt werden können.
->Quelle: bundestag.de/hib/HLE; Wortlaut der Antwort