Handelsblatt-Jahrestagung Erneuerbare Energien 2014

Neue Märkte, Technologien und Zielgruppen – Wohin geht der Trend?

57 Prozent weniger Investitionen in Photovoltaik in Deutschland und 21 Prozent weniger installierte Leistung im Bereich Onshore Wind weltweit – im Zeitraum von 2012 bis 2013 hat die Branche nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte deutliche Umsatzeinbußen verzeichnet. Doch hier gelte es genauer hinzuschauen. Von den Einbußen sei vor allem die Solarbranche betroffen, nicht jedoch die Windbranche. Zudem seien mit 7,5 Prozent Einbußen bei den Arbeitsplätzen weniger Jobs verloren gegangen als befürchtet. „Das zeigt, dass die Branche erfolgreich neue Geschäftsbereiche erschließen konnte“, erläuterte Florian Klein von Deloitte. Die Branche stehe vor einem Gezeitenwechsel: Der heimische Markt sei begrenzt, daher müssten neue Geschäftsfelder erschlossen werden, beispielsweise im Bereich Ertragsoptimierung oder Maintenance & Operation.

Armin Sandhövel von Allianz Global Investors Europe GmbH ermutigte die Branche, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen. „Die Welt der  Einspeisevergütungen ist vorbei. Genauso wie die Zeiten mit Renditeerwartungen von sechs bis zehn Prozent“, so Sandhövel. „Dennoch sehe ich sehr viele Opportunitäten.“ Das Marktumfeld sei zwar stärker und die Anforderungen an die Akteure in der Branche komplexer geworden, aber es gebe genug Chancen, erfolgreich in erneuerbare Energien zu investieren – beispielsweise in den Zukunftsmärkten Asien und Amerika.

Nach der Reform ist vor der Reform – was kommt nach der EEG-Novelle?

Mit 28,5 Prozent im ersten Halbjahr 2014 haben die erneuerbaren Energien den bisher höchsten Anteil an der Bruttostromerzeugung in Deutschland erzielt. Doch auf dem Weg zur Energiewende gilt es noch einige Herausforderungen zu meistern. In seiner Keynote am zweiten Tag der Konferenz forderte Uwe Beckmeyer, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „eine Kultur des Zusammenspiels.“ Die Energiewende sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und dürfe keine Summe der Partikularinteressen sein. Nach der Novelle des EEG gehe es auf politischer Ebene nun vor allem um die Themen Strommarktdesign, Marktintegration, Energieeffizienz und Netzausbau. „Neue Stromtrassen sind unverzichtbar im Zuge des Ausstiegs aus der Kernenergie – sonst drohen uns Versorgungsengpässe“, so Beckmeyer. Erdverkabelung sei hier aber kein Allheilmittel. Stattdessen müsse man beim Netzausbau auf eine Bündelung der Infrastruktur und ein transparentes Planungsverfahren setzen, um die Akzeptanz bei den Bürgern vor Ort zu erhöhen.

Durch Ausschreibungen zur Marktintegration

Entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung sei auch der Strompreis. Hier sollen die Marktintegration der Erneuerbaren und die Einführung von Ausschreibungsmodellen für eine höhere Kosteneffizienz sorgen. Die neuen gesetzlichen Regeln betrachtet die Branche als wichtigen Zwischenschritt hin zur Systemintegration und Marktfähigkeit von erneuerbaren Energien. Allerdings dürfe der Gesetzgeber mit seinen Vorgaben für Ausschreibungen den Prozess nicht behindern, forderte stellvertretend für die Branche der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, Fritz Brickwedde. Vor dem Hintergrund schlechter Erfahrungen mit Ausschreibungen im Ausland, wo Projekte häufig nicht realisiert worden seien, schlug er deren Begrenzung auf 600 MW pro Jahr vor – mit einem festen Kontingent für große und kleine Projekte (bis 5 MW), um den Fortbestand von Bürgerwindparks im zunehmenden Wettbewerb zu sichern. Thomas Schlaak von Deloitte sieht in den Ausschreibungen einen positiven Effekt für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen: „Überrenditen wird es damit nicht mehr geben. Die Unternehmen müssen in Zukunft effizientere Geschäftsmodelle entwickeln.“

„Vom Kunden her denken“ – neue Geschäftsmodelle für EVU: Wärmeeffizienz und Power-to-Heat-Technologie

Effiziente neue Geschäftsmodelle standen auch im Fokus des Vortrags von Dieter Oesterwind vom Zentrum für Innovative Energiesysteme der Fachhochschule Düsseldorf. Er sieht einen Gezeitenwechsel in der Branche, der einen Kulturwandel in der Branche und in den einzelnen Unternehmen nötig mache. Demnach müssten Energieversorgungsunternehmen nicht mehr von der Produktion, sondern vom Kunden her denken – und dabei die Bereiche Strom, Mobilität und Wärme verbinden. Gerade der Bereich Wärmeeffizienz sei ein Milliardenmarkt, der noch nicht ausgeschöpft werde.

Auch die Power-to-Heat-Technologie könne ein lukratives Geschäftsfeld sein. Denn so lassen sich Überschüsse bei regenerativen Energien sinnvoll nutzen und gleichzeitig das Stromnetz stabilisieren. Ebenso könne ein intelligentes Lastmanagement zur Stabilisierung des Netzes beitragen. „Warum denken wir über die Einführung von Kapazitätsmärkten nach und nicht mal über eine Flexibilisierung der Nachfrage?“, so Oesterwind.