Smart-Grid – einfach dezentral selbstorganisiert

Hacker könnten ein zentral organisiertes Versorgungsnetz lahmlegen

Die heute existierenden Konzepte eines künftigen intelligenten Stromnetzes (Smart-Grid) gehen davon aus, dass die Daten aller Verbraucher und Erzeuger zentral beim Energieversorger gesammelt werden. Doch das birgt nach Ansicht des PhysikersBenjamin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation verschiedene Risiken: „Eine solche zentrale Steuerung ist ein potenzielles Angriffsziel für Hacker.“ Breche jemand über das Internet in die Steuerzentrale ein, könne er im schlimmsten Fall das Versorgungsnetz lahmlegen. In Zeiten zunehmender Internet-Kriminalität ist das ein ernstzunehmendes Szenario. „Ungeklärt ist bisher außerdem, wie der Datenschutz gewährleistet werden soll, wenn ständig Verbrauchsdaten der Kunden an eine zentrale Stelle übermittelt werden.“

Benjamin Schäfer, der in der Arbeitsgruppe „Netzwerkdynamik“ von Marc Timme arbeitet, hat deshalb untersucht, ob eine zentrale Steuerung überhaupt sein muss. Den Impuls zu diesem Projekt gab ein Kooperationspartner der Max-Planck-Forscher, der Geschäftsführer der Firma Easy Smart Grid aus Karlsruhe Thomas Walter. Seine Firma entwickelt Systemlösungen für den Betrieb dezentraler Energienetze – also von Stromnetzen, in denen der Strom nicht mehr nur zentral in großen Kraftwerken, sondern zunehmend von vielen kleinen Erzeugern geliefert wird.

In dieser ersten Studie hat Benjamin Schäfer zusammen mit Marc Timme, seinem ehemaligen Kollegen Dirk Witthaut und dem Studenten Moritz Matthiae untersucht, ob und wie die Smart-Meter bei den Kunden den Verbrauch direkt und dezentral regeln können, ohne den Umweg über die zentrale Steuerung beim großen Energieversorger zu gehen.

Die Physiker entwickelten dafür ein mathematisches Modell, in dem sie die Stromerzeuger und Verbraucher simulierten. Die Frage war, ob das Gesamtnetz stabil bleibt, wenn die dezentrale Regelung bei jedem Verbraucher vor Ort erfolgt und nicht mehr über die Abstimmung mit dem zentralen Energieversorger. Würde sich das Netz quasi selbst organisieren können? Grundsätzlich nutzt man als Messgröße für die Regelung die sogenannte Netzfrequenz, also jene Frequenz, mit der Wechselstrom im Versorgungsnetz schwingt. Sie beträgt 50 Hertz und darf durch Schwankungen im Netz höchstens um 0,2 Hertz von diesem Soll abweichen. Verdunkelt etwa eine Gewitterfront Solarparks oder wirft ein Aluminiumwerk seine Maschinen an, wird vor Ort weniger eingespeist und die Frequenz sinkt leicht. Liefert die Sonne wieder mehr Strom oder werden große elektrische Verbraucher ausgeschaltet, ist mehr elektrische Energie verfügbar und die Frequenz steigt. Die Strometzbetreiber müssen aktiv gegensteuern, um die Frequenz von 50 Hertz zu halten und Störungen zu vermeiden.

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