Zweierlei Atomfonds vorgeschlagen

Rechtsgutachten zu Atomrückstellungen vorgelegt

Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde vereinbart, mit den Energieversorgungs-Unternehmen, die Kernkraftwerke betreiben, Gespräche über die Realisierung ihrer rechtlichen Verpflichtungen zur Tragung der Kosten für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu führen. Nun teilt das BMWi mit: „Um diese Gespräche vorzubereiten, hat die Bundesregierung bei der renommierten Kanzlei Becker, Büttner, Held ein umfassendes Rechtsgutachten in Auftrag gegeben“. Solarify fasst die Zusammenfassung des Gutachtens zusammen.

Im Pleitefall bleibt alles am Staat hängen

…so die unjuristische, aber allgemeinverständliche erste Erkenntnis des Gutachtens: Es bestehe durchaus ein Insolvenzrisiko, „wenn die bei den Betreibergesellschaften angesammelten Rückstellungen nicht den tatsächlichen Kosten für Stilllegung/Rückbau und Entsorgung entsprechen“. Ein weiteres Risiko bestehe darin, dass eventuell „die in der Regel an die Muttergesellschaften ausgereichten Finanzmittel nicht ordnungsgemäß an die Betreibergesellschaften zurückfließen, beispielsweise durch eine Insolvenz der Muttergesellschaft“. Nun sei der Staat – wie bei der Entsorgung – entweder direkter Gläubiger der Betreibergesellschaften, oder er könne – wie im Fall von Stilllegung/Rückbau – „in die Rolle des Gläubigers im Wege der Ersatzvornahme einrücken, falls die Betreibergesellschaften ihren Verpflichtungen zur Stilllegung und zum Rückbau nicht nachkommen“.

Wenn nun die Betreibergesellschaften nicht genug Kapital angesammelt hätten, hafteten die Muttergesellschaften (teilweise) „über einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (BEAV) und/oder über harte Patronatserklärungen“. Danach bestehe „im Grundsatz eine Weiterhaftung der Konzerne für bereits begründete Verbindlichkeiten der Betreibergesellschaften auf wenige Jahre“. Bei einer Konzernspaltung gebe es gar eine einfache „gesetzlich klar bestimmte zeitliche Grenze von fünf Jahren für die (gesamtschuldnerische) Nachhaftung des übertragenen Rechtsträgers“ (siehe E.ON oder Vattenfall).

Risiken erheblicher Kosten für öffentliche Hand

Entsprechend diagnostiziert das Gutachten „Risiken faktischer und rechtlicher Art“ für den Staat, dann nämlich, wenn die durch die Betreibergesellschaften getroffene finanzielle Vorsorge im Kernenergiebereich nicht ausreiche. Eine Aussage über die Angemessenheit der Höhe dieser Finanzierungsvorsorge vermeidet das Gutachten.

[note Nuklearrückstellungen und zukünftig anfallende Kosten für Stilllegung/Rückbau und Entsorgung – 10.04.2012 – Grafik © FÖS / Greenpeace]Dagegen, dass nun der Staat im Worst Case (Insolvenzfall) „sich vorrangig aus der Insolvenzmasse bedient“, erhebt das Gutachten Bedenken: „Zum einen setzt diese Reformoption erst in dem Moment an, in dem der Insolvenzfall bei den Betreibergesellschaften bereits eingetreten ist. Zum anderen werden Rechte der Drittgläubiger zumindest für den Fall einer rückwirkenden Einführung des Vorrangs ungerechtfertigt verletzt“. Daher schlagen die Gutachter eine „einfachgesetzliche Regelung zur Weiterhaftung des Konzerns“ vor. Denkbar seien in diesem Zusammenhang neue Vorschriften, welche zwar die Rückstellungsmittel bei den Betreibergesellschaften beließen, diese aber verpflichteten, „hieraus ein Sicherungsvermögen zu bilden. Damit könnte eine erhöhte Sicherung der Rückstellungen im Insolvenzfalle erreicht werden.“

„Extrem langfristige Verbindlichkeiten über mehrere Jahrzehnte“

Allerdings hält das Gutachten für „extrem langfristige Verbindlichkeiten“, gemeint ist die Entsorgung der atomaren Abfälle, die es allerdings nur auf „mehrere Jahrzehnte“ (sic!) abschätzt, eine externe Fondlösung für das bessere Mittel. Denn: „Ein langfristiger Finanzbedarf kann durch eine Belassung der Mittel bei den Betreibergesellschaften nicht dauerhaft sichergestellt werden.“ Vorgeschlagen wird dafür eine öffentlich-rechtliche Stiftung – dort sollte das Geld aus den Rückstellungen eingebracht werden. Den Betreibergesellschaften böte das sogar noch „einen Freistellungsanspruch gegen die Stiftung in entsprechender Höhe“. Zu weiteren Einzelheiten der Stiftungs-Idee schweigt das Gutachten. Lediglich eine Art Kombinationsmodell aus internem und externem Fonds wird noch ventiliert:

  • Finanzierung für Stilllegung und Rückbau durch den internen Fonds,
  • Finanzierung für Entsorgung radioaktiver Abfälle durch den externen Fonds in Form einer öffentlich-rechtlichen Stiftung.

[note Solarify wundert sich: Wie kommen juristische Gutachter dazu, die für ein – übrigens noch lange nicht gefundenes – Endlager „extrem langfristigen Verbindlichkeiten“ auf „mehrere Jahrzehnte“ herunter zu schätzen? Wo doch jedes Schulkind weiß, dass es sich um mehrere hunderttausend Jahre handelt. Solarify wundert sich weiter: Warum kommt das Wort „Strahlung“ nur im historischen Rückblick, nicht aber im eigentlichen Gutachtertext, das Wort „Gesundheit“ nur ein einziges Mal vor?

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