Die Rolle der Regierung beim AKW-Moratorium 2011

Keine „sachkompetenz-überleitende Aufforderung an die Länder gegeben, Anordnung zu erlassen

Die Bundesregierung weist die Darstellung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zurück, sie habe 2011 die zuständigen Länder aufgefordert, ein Moratorium für die vorübergehend abgeschalteten Atomkraftwerke anzuordnen. Die Bescheide seien damals selbstständig und eigenverantwortlich durch die zuständigen Landesbehörden erlassen worden, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/4392) auf eine Kleine Anfrage (18/4136) der Fraktion.

[note „In der Vorbemerkung der Fragesteller wird unterstellt, das damalige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, heute Bundesministerium  für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB) habe „die für diese AKW zuständigen Länder aufgefordert, das Moratorium anzuordnen und hierbei die in dem Schreiben an die Länder genannten Ausführungen zur Begründung zu verwenden“. Die Bundesregierung weist diese Darstellung zurück. Die Bundesregierung verweist insofern auf den Bericht*) des BMUB vom 19. Februar 2015 im Nachgang zu TOP 11 der 35. und 36. Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 4. Februar 2015 (abrufbar auf der BMUB-Homepage). Es hat keine sachkompetenzüberleitende Aufforderung an die Länder gegeben, die Anordnungen auf einstweilige Einstellung des Leistungsbetriebs zu erlassen. Schon gar nicht wurden die Länder aufgefordert, eine bestimmte Formulierung für das allein ihnen obliegende Verwaltungshandeln zu verwenden. Vielmehr wurde den Ländern eine allgemeine Formulierungshilfe zum Verständnis von § 19 Absatz 3 des Atomgesetzes (AtG) zur Verfügung gestellt .“]

Das Moratorium sei nach Fukushima am 15.03.2011 bei einem Treffen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder zustande gekommen. Damals sei vereinbart worden, aus Vorsorgegründen die Robustheit alle Kernkraftwerke technisch zu überprüfen und die einstweilige Betriebseinstellung der sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke für den Zeitraum dieser Überprüfung von drei Monaten anzuordnen.

Die Bundesregierung will die Länder nicht aufgefordert haben, die in einem Schreiben genannten Ausführungen zur Begründunals g zu verwenden. Tatsächlich habe es keine „sachkompetenz-überleitende Aufforderung an die Länder gegeben, die Anordnung auf einstweilige Einstellung des Leistungsbetriebs zu erlassen“. Schon gar nicht seien die Länder aufgefordert worden, eine bestimmte Formulierung für das allein ihnen obliegende Verwaltungshandeln zu verwenden. Vielmehr sei den Ländern eine allgemeine Formulierungshilfe zum Verständnis von §19 Absatz 3 des Atomgesetzes zur Verfügung gestellt worden.

In ihrer Antwort listet die Bundesregierung auch auf, welche Kontakte sie zu den AKW-betreibenden Energieunternehmen im Zusammenhang mit dem Moratorium hatte. Sie zitiert jedoch nicht den genauen Wortlaut der Gespräche und nennt mit Verweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch keine Namen (hib/JOH): „Soweit in nachfolgenden Fragen nach Personen gefragt wird, gehen die Fragesteller davon aus, dass auf den Ebenen unterhalb der Abteilungsleiter die Angabe der Funktion (z. B. Referent im Referat Nr. …) genügt.“

Wortlaut

[note *) Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer, in denen zum damaligen Zeitpunkt Kernkraftwerke betrieben wurden, haben am 15. März 2011 gemeinsam beschlossen, aus Vorsorgegründen im Hinblick auf die Ereignisse in Fukushima eine technische Überprüfung der Robustheit aller Kernkraftwerke durchzuführen und die einstweilige BetriebseinsteIlung der sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke für den Zeitraum dieser Überprüfung von drei Monaten auf der Grundlage von § 19 Absatz 3 des Atomgesetzes anzuordnen.

Der Bund hat den Ländern mit Schreiben vom 16. März 2011 eine Formulierungshilfe in Form einer allgemeinen Aufzeichnung zur Auslegung des § 19 des Atomgesetzes übermittelt, die durch die Länder im Rahmen ihrer selbständig zu prüfenden und gegebenenfalls selbständig zu erlassenden Anordnungen der einstweiligen dreimonatigen Betriebseinstellung verwendet worden ist. Die Bescheide waren – wie nach der Kompetenzordnung der Verfassung bei der Bundesauftragsverwaltung vorgesehen – selbständig und eigenverantwortlich mit allen rechtlich notwendigen Inhalten und Verfahrensschritten durch die zuständigen Landesbehörden zu erlassen.

In der Aufzeichnung zu § 19 AtG heißt es insbesondere: „Für die dreimonatige Betriebseinstellung der sieben ältesten Anlagen als vorläufige aufsichtliche Maßnahme sieht das Atomgesetz § 19 Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 des Atomgesetzes als einschlägige Rechtsgrundlage vor. Auf dieser Rechtsgrundlage kann bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts die einstweilige Betriebseinstellung angeordnet werden. Ein derartiger Verdacht ist im Atomrecht bereits dann gegeben, wenn sich wegen begründeter Unsicherheiten im Ralnnen der Risikovorsorge Schadensmöglichkeiten nicht völlig ausschließen lassen.

Insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen – denen auch bereits im Ralnnen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde – ist nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, haben sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken dazu entschlossen, diese Anlagen für den Zeitraum der Überprüfung vom Netz zu nehmen. Dies ist Ausdruck äußerster Vorsorge, der sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten zum Schutz der Bevölkerung verpflichtet sehen.“

Darüber hinaus hat der Bund keine relevanten Handlungen vorgenommen, da das Verwaltungshandeln (Sach- und Wahrnehmungskompetenz) allein den zuständigen Ländern oblag.]

->Quellen: