IPCC-Berichte schwer verständlich

Forscher kritisieren komplizierte Sprache ders Weltklimarats

Der Klimawandel ist in aller Munde – doch die Botschaften des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) werden von politischen Entscheidungsträgern und Laien kaum verstanden – damit steht ihre Umsetzung in Frage. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam, das die Berichte des IPCC von 1990 bis 2014 analysiert hat. Die Wissenschaftler empfehlen dem Weltklimarat, die Verständlichkeit seiner Berichte zu verbessern, um im Kampf gegen die Klimaerwärmung rascher voranzukommen so eine Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Anlass der Untersuchung ist die bevorstehende Weltklimakonferenz COP21/CMP11 („Conference of Parties/Meeting of the Parties to the 1997 Kyoto Protocol“), die Anfang Dezember 2015 in Paris stattfindet. Grundlage solcher Treffen sind die Berichte des Weltklimarats, der 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) mit dem Ziel gegründet wurde, für politische Entscheidungsträger den wissenschaftlichen Stand der Klimaforschung zusammenzufassen. Seitdem ist das IPCC im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer wieder in den Schlagzeilen, die unter anderem schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel betreffen – meist wegen vernachlässigenswürdiger Ungenauigkeiten oder Fehler, die regelmäßig von Klimaleugnern aufgebauscht und als „Beweise“ für falsche Annahmen missbraucht werden.

Texte von Albert Einstein sind leichter zu erfassen

Ein internationales Forscherteam hat nun die Berichte des Weltklimarats von 1990 bis 2014 analysiert und verglichen, inwieweit die Botschaften des IPCC von der Berichterstattung der Medien abweichen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass Politiker in den Fachgebieten eine Promotion bräuchten, um die Inhalte zu verstehen. Manche Texte von Albert Einstein seien leichter zu erfassen. „Wenn Regierungen die wissenschaftlichen Fakten nicht verstehen, wie sollen sie dann zu einem Konsens kommen?“, fragt Hauptautor Prof. Dr. Ralf Barkemeyer von der KEDGE Business School in Talence (Frankreich), der vor allem Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen bearbeitet.

Der Medizininformatiker Dr. Giulio Napolitano vom Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie der Universität Bonn, langjähriger Kooperationspartner von Barkemeyer, wirkte bei der aktuellen Studie mit: „Mein Part waren insbesondere die Erhebungsmethoden der Untersuchung und die Analyse der Ergebnisse“, so Napolitano.

Algorithmus berechnet Komplexitätsgrad der Sätze

Das Forscherteam untersuchte mit Hilfe des Algorithmus basiert auf der Annahme, dass Texte nicht so gut verstanden werden, wenn die Sätze lang sind und viele schwierige Wörter enthalten“ (Napolitano). Außerdem prüften die Wissenschaftler mit einer speziellen Software, wie negativ die Berichterstattung in den Medien im Vergleich zum nüchternen IPCC-Bericht waren.

Die Auswertungen zeigen, dass die Tonalität der Medien häufig deutlich pessimistischer ist als die neutralen Botschaften der IPCC-Berichte und oft auch mit negativen Emotionen behaftete Begriffe wie „Risiko“ oder „Bedrohung“ verwendet werden. „Aufgrund der Komplexität der Texte kann die Öffentlichkeit die IPCC-Zusammenfassungen nicht verstehen und nicht wirklich erfassen, um welche realen Herausforderungen es geht – dadurch können die Ergebnisse von sogenannten Klimaskeptikern missinterpretiert werden“, so Napolitano.

[note Solarify meint: Der pessimistischere Ton der Medien rührt weniger von der Komplexität der Texte her, sondern hat einen anderen Hintergrund: Medien neigen zur Dramatisierung. Um Aufmerksamkeit zu erregen oder sie bei den Rezipienten zu stabilsieren, werden oft wissenschaftlich-nüchterne Sachverhalte in allgemeinverständliche Sprache übersetzt und gleichzeitig „gehottet“, wie es im Medien-Jargon heißt. Richtig ist, dass die dabei entstehenden Übertreibungen von Klimaleugnern missbraucht werden können.]

Zwang zum Kompromiss

Die schwere Lesbarkeit der Texte führen die Wissenschaftler unter anderem auf den Zwang zum Kompromiss in den IPCC-Gremien zurück: Wo viele unterschiedliche Meinungen zu einer gemeinsamen Linie zusammengeführt werden müssen, bleibt die Verständlichkeit auf der Strecke. Die Wissenschaftler sehen in einer zielgerichteteren Kommunikation eine wesentliche Herausforderung des Weltklimarats, damit die IPCC-Berichte auch von Nicht-Fachleuten verstanden werden. Die Ergebnisseder Studie sind am 12.10.2015 im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlicht worden.

Publikation: Linguistic analysis of IPCC summaries for policymakers and associated coverage, Nature Climate Change, DOI: 10.1038/nclimate2824

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