Öko-Institut mit Klimaschutzszenario 2050

2. Verkehr:

  • Als Vision für den nachhaltigen Verkehr der Zukunft ergibt sich folgendes Bild: Mobilität für alle ist weiterhin sichergestellt – jedoch mit weniger Verkehr und mit einer intelligenten multimodalen Vernetzung der Verkehrsträger. In Städten dominieren öffentlicher Verkehr, Rad- und Fußverkehr. Der motorisierte Verkehr basiert so weit wie möglich auf der direkten Nutzung von erneuerbarem Strom (batterieelektrische Fahrzeuge, Schienenverkehr, ggf. Oberleitungs-Lkw). Wo Elektrifizierung keine Option darstellt, kommen im KS 95 nach 2030 nachhaltige strombasierte Kraftstoffe zum Einsatz.
  • Bei einem Gesamtziel von 80 % bis 2050 über alle Sektoren kann es ausreichen, dass der Verkehr seine Emissionen um 60 % bis 80 % reduziert. Bei einem Gesamtziel von 95% muss der Verkehr praktisch vollständig dekarbonisieren. Um die Gefahr von Fehlallokationen bei der Nutzung von nur begrenzt nachhaltig verfügbaren Energieträgern (insbesondere Biomasse) zu minimieren, kann neben der Festlegung eines CO2-Ziels die gleichzeitige Festlegung eines Ziels für den Endenergieverbrauch sinnvoll sein.
  • Der Fokus politischer Maßnahmen liegt bis 2030 auf der Förderung effizienterer Verkehrsträger (öffentlicher Verkehr, Schiene, Fahrrad) sowie auf einer Effizienzsteigerung bei Pkw und Lkw. Zur Vermeidung von Rebound-Effekten werden die durch steigende Effizienz sinkenden Kilometerkosten im Straßenverkehr ausgeglichen, z. B. durch Erhöhung der Mineralölsteuer bzw. fahrleistungsabhängige Maut.
  • Nach heutigem Kenntnisstand ist für eine 95%-ige THG-Minderung der Einsatz stromgenerierter Kraftstoffe notwendig. Stromgenerierte Kraftstoffe sind jedoch teuer und mit hohen Wirkungsgradverlusten verbunden. EE-Strom kann nicht beliebig ausgebaut werden und sollte effizient alloziert werden. Der breite Einsatz stromgenerierter Kraftstoffe ist daher erst im Zeitraum nach 2030 sinnvoll. Hierfür müssen frühzeitig Nachhaltigkeitskriterien entwickelt werden, die insbesondere auch die Quellen des für die Synthetisierung verwendeten Kohlendioxids umfassen. Bis zum Jahr 2030 und auch darüber hinaus muss der Fokus auf der Reduktion des Endenergiebedarfs des Verkehrssektors liegen, welcher deutlich über die Ziele des Energiekonzepts hinausgeht.

3. Gebäude (Haushalte und GHD):

  • Eine mindestens 80%-ige Reduktion des Primärenergiebedarfs in 2050 gegenüber 2008 wird in den Szenarien durch eine Erhöhung der Effizienz der Wärmebereitstellung in Gebäuden erreicht. Dazu müssen Energieeffizienzmaßnahmen und Maßnahmen zur Energieträgersubstitution ergriffen sowie Suffizienzmaßnahmen angeregt werden.
  • Die vorgestellten Szenarien basieren auf einer Reihe von institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen tragen dazu bei, dass die Sanierungsrate und die energetische Qualität der Sanierungen den Erwartungen in den Szenarien entsprechen. Die wesentlichen Voraussetzungen bis 2030 sind:
  1. Eine vollständige Erfassung von Daten zu realisierten Voll- und Teilsanierungen inklusive der energetischen Qualität nach Sanierung;
  2. Die Etablierung eines messbaren, standardisierten und daher vergleichbaren Kennwerts für die energetische Qualität der Gebäude;
  3. Anreize für energiesparendes Nutzerverhalten bei der Gebäudebeheizung und für den Wechsel zu erneuerbaren Energien, z. B. durch steuerliche Maßnahmen (im KS 95 unterstellt);
  4. Systeme und Verfahrensweisen, welche Kosten und Zeitersparnisse im Sanierungsprozess schaffen, wurden entwickelt.
  5. Im Sanierungsmarkt konnte die Spannung zwischen den verschiedenen Gewerken auf Handwerksebene aber auch zwischen Architekten, Bauingeneuren und Stadtplanern durch die gemeinsame Entwicklung und Testprojekte sowie regelmäßige Schulungen mit Anreizsystem aufgelöst werden.
  6. Die Möglichkeit zur Kontrolle und gegebenenfalls rechtlichen Einforderung einer hohen Sanierungsqualität wird geprüft.
  7. Der Hauptunterschied zwischen dem KS 80 und dem KS 95 ist die um den Faktor 1,4 angehobene Sanierungsrate und die um 20% gesteigerte Sanierungstiefe. Bis 2050 werden im KS 80 im Schnitt 2,2% der Gebäude pro Jahr saniert, während es im KS 95 3,1% der Gebäude sind.

4. Industrie:

  • Im KS 80 zeichnet sich der Industriesektor im Jahr 2050 durch hohe Effizienzfortschritte bei der Stromnachfrage, neue Herstellungsverfahren und den Ausbau der Kreislaufwirtschaft aus.
  • Im KS 95 entwickelt sich der Industriesektor zu einem Hocheffizienzsektor, in welchem neue Herstellungsverfahren schnell Marktreife erreichen und die Kreislaufwirtschaft deutlich verstärkt ist.
  • Energieträger sind in 2050 Strom, Biomasse, etwas Fernwärme und etwas Kohle (nur zur Eisenreduktion). Im KS 80 kommt zusätzlich noch Erdgas zum Einsatz, welches aufgrund des deutlich höheren CO2-Preises im KS 95 durch Biomasse ersetzt wird.
  • Im KS 80 tragen die Industrieprozesse nur unterproportional zu Emissionsminderungen bei. Im KS 95 erfolgt ein Teil der CO2-Reduktion bei prozessbedingten Emissionen der Industrie durch den Einsatz der CCS-Technologie. Die Abscheidung erfolgt u.a. bei der Herstellung von Rohstahl, Zement und einigen chemischen Produkten. Insgesamt werden im Jahr 2050 41 Mt Kohlendioxid über CCS abgeschieden. Steht die Technologie CCS aus irgendeinem Grund bis 2050 nicht zur Verfügung, so müssten andere Strategien zur Minderung der Prozessemissionen (weitergehende Substitution von Prozessen und Produkten) entwickelt werden, aber auch insbesondere die erneuerbaren Energien deutlich stärker ausgebaut werden.
  • Die großen Effizienzfortschritte im Industriesektor setzen voraus, dass bereits bis zum Jahr 2030 neue Herstellungsverfahren die Marktreife erreichen und der Wandel in der Stahlindustrie von Oxygen- zur Elektrostahlherstellung vorangeschritten ist. Aufgrund der langen Lebensdauer des Kapitalbestandes muss in allen Bereichen (Prozesstechnik, Dampferzeuger, Elektromotorsysteme, etc.) ein deutlicher Fortschritt bis 2030 erzielt sein. Im KS 95 müssen zusätzlich bis 2030 Instrumente zur Erschließung ambitionierter Effizienzpotenziale (Systemoptimierung, Abwärme, Niedertemperaturwärme) umgesetzt und effektiv genutzt werden. Außerdem wird zur Abscheidung von CO2 die Marktreife der CCS-Technologie bis zum Jahr 2030 vorausgesetzt.
  • Im KS 95 ist ein deutlich ambitionierterer Effizienzfortschritt zu verzeichnen – besonders im schwierig erschließbaren Bereich der Niedertemperatur-Abwärme. Auch der Materialeffizienz-Fortschritt ist schneller. Innovative hocheffiziente Herstellungsverfahren erreichen schneller die Marktreife.
  • Notwendige Instrumente, um die beschriebene Transformation des Industriesektors zu erreichen, umfassen ein Preissignal für den Nicht-EHS-Sektor (z. B. CO2-Steuer) und ein hohes Preisniveau der THG-Zertifikatepreise im EHS noch vor 2030, Förderung von F&E sowie Markteinführung bei CO2-armen Industrieprozessen (vor 2020), finanzielle Förderung von Effizienztechniken mit längeren Amortisationszeiten (> 5 Jahre), verpflichtendes umfassendes Energiemanagement und Energieberatung.

Folgt: 5. Landwirtschaft und LULUCF