Das bislang schärfste Bild der Milchstraße

Der Nordhimmel im Licht des Wasserstoffs – Astronomen haben Nordhimmel hochpräzise kartiert

Wissenschaftler der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR)  haben mit bislang unerreichter Genauigkeit den Nordhimmel durchmustert. Mit dem Radioteleskop Effelsberg in der Eifel zeichneten sie die Spektrallinie des atomaren Wasserstoffs auf, der die räumliche Verteilung der Materie in der Milchstraße widerspiegelt. Der „Effelsberg-Bonn HI Survey“ (EBHIS) bildet die Grundlage für zahlreiche Folgeprojekte, bei denen es zum Beispiel um die Geburt von Sternen geht. Die Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes sind nun in der Januar-Ausgabe des Fachjournals „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht.

Radioastronomen legen Effelsberg-Bonn HI-Survey vor

Jürgen Kerp (Argelander-Institut für Astronomie) und Benjamin Winkel (Max Planck-Institut für Radioastronomie)  haben mit der Antenne in Effelsberg den kompletten Nordhimmel im Licht der 21-Zentimeter-Spektrallinie des neutralen Wasserstoffs (HI) vermessen. Das von den beiden geleitete Projekt startete bereits im Jahr 2008 und hat jetzt mit der Bereitstellung des ersten Datensatzes des „Effelsberg-Bonn HI-Survey“ (EBHIS) einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Zusätzlich zu den jetzt veröffentlichten Daten für die Milchstraße beinhaltet EBHIS auch einzigartige Informationen über den Wasserstoff in anderen Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 750 Millionen Lichtjahren.

Wasserstoff ist das mit Abstand häufigste und einfachste chemische Element im Kosmos, besteht es doch nur aus einem Proton und einem Elektron. Man könnte sich unser All beinahe als reines Wasserstoffuniversum vorstellen, mit einer nur geringfügigen „Verschmutzung“ durch schwerere Elemente, darunter auch Kohlenstoff als wesentlichem Baustein allen Lebens auf unserer Erde.

Schwächste Signale von weit entfernten Galaxien

Die 21-Zentimeter-Linie ist eine sehr schwache, aber dennoch charakteristische Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (HI). Damit lassen sich mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg nicht nur schwächste Signale von weit entfernten Galaxien aufspüren, sondern auch die Bewegung dieser Galaxien relativ zur Erde genau bestimmen.

Um das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über einen Zeitraum von sechs Jahren geförderte EBHIS-Projekt in Effelsberg umzusetzen, wurde ein spezieller neuer Empfänger benötigt. Mit sieben Empfangselementen, die jeweils unabhängig voneinander den Himmel vermessen, war es möglich, die erforderliche Beobachtungszeit um beinahe eine Größenordnung zu reduzieren – von mehreren Jahrzehnten auf nur noch fünf Jahre.

Im Rahmen von EBHIS wurden außerdem spezielle Spektrometer entwickelt: Diese Field Programmable Gate Arrays (FPGAs) ermöglichten Datenverarbeitung in Echtzeit sowie die Speicherung von etwa 100 Millionen individuellen HI-Spektren in der benötigten hohen Qualität. Hochleistungsrechner setzten die HI-Spektren zu einer einzigartigen Karte des gesamten Nordhimmels zusammen. Sie zeigt einen unübertroffenen Detailreichtum bei der Darstellung des galaktischen Gases.

Seit 2008 zwölf Bachelor-, neun Master- und fünf Promotionsprojekte

Noch vor der Veröffentlichung des Survey wurde im Jahr 2013 ein Abkommen zwischen den Bonner Astronomen und der europäischen Raumfahrtagentur (ESA) unterzeichnet. Dadurch bekam die ESA exklusiven Zugriff auf die HI-Daten für ihre Satellitenmission Planck – und umgekehrt erhielten Bonner Studenten Zugang zu den Planck-Daten im Rahmen ihrer Promotionen. So wurden seit 2008 zwölf Bachelor-, neun Master- und fünf Promotionsprojekte im Rahmen der Forschung mit EBHIS erfolgreich abgeschlossen.

Maßgeblich von den Daten profitieren wird auch das geplante Square Kilometer Array (SKA), das weltweit größte Radioastronomieprojekt mit Beobachtungsstationen in Australien und im südlichen Afrika. Denn dieses Radiointerferometer ist unempfindlich für die schwache und ausgedehnte HI-Strahlung aus der Milchstraße und von benachbarten Galaxien. Gerade diese Komponente stellt EBHIS sehr gut dar. Das heißt: Nur die Kombination der Daten von EBHIS und SKA wird ein umfassendes Bild des interstellaren Wasserstoffgases liefern.

Der Effelsberg-Bonn HI Survey stellt eine reichhaltige Quelle für die astronomische Forschung in naher und ferner Zukunft dar. Unabhängig von EBHIS sind keine weiteren Projekte zur Kartierung des gesamten Nordhimmels mit Radioteleskopen der 100-Meter-Klasse geplant. Damit setzen diese Daten einen Qualitätsstandard für die Erforschung des neutralen Wasserstoffgases in unserer Milchstraße für die nächsten Jahrzehnte. (HOR / NJ)

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