acatech: Problemfeld Technik und Öffentlichkeit

acatech-Publikation „Technik gemeinsam gestalten – Frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit am Beispiel der Künstlichen Fotosynthese“ – Solarify dokumentiert Einleitung

„Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus? Können wir auf knappe fossile Energieträger verzichten? Lassen sich Erneuerbare Energien effizient speichern? Auf die Fragen zum zukünftigen Energiesystem sind innovative Antworten gefragt. Die Künstliche Fotosynthese ist eine visionäre Technologie, die zum Energiemix einen wichtigen Beitrag leisten könnte. Nach dem Vorbild der Pflanzen nutzt die Künstliche Fotosynthese Sonnenlicht, um aus den Rohstoffen Wasser und CO2 energiereiche Kohlenwasserstoffe herzustellen. Diese können als Energieträger direkt energetisch genutzt werden, etwa als Treibstoffe. Oder sie werden als Chemierohstoffe in nutzbare Chemikalien umgewandelt. Hierbei geht die Künstliche Fotosynthese nicht den Umweg über Biomasse, die anschließend weiter umgewandelt oder schlicht verbrannt wird.

Ein anderer Ansatz der Künstlichen Fotosynthese besteht darin, aus Sonnenenergie Elektrizität beispielsweise durch Fotovoltaik zu erzeugen und zur Elektrolyse von Wasser einzusetzen. Es entsteht energiereicher Wasserstoff. Beide Ansätze bieten zahlreiche Chancen für eine nachhaltige Energiewende: Sonnenlicht ist eine unerschöpfliche Ressource und überall auf der Welt kostenlos verfügbar. Die Sonnenenergie lässt sich effizient in chemischen Verbindungen speichern. Da die Treibstoffe aus bereits vorhandenem CO2 erzeugt werden, entstehen bei ihrer Verbrennung keine neuen Emissionen.

Die Technologie befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und die technischen Realisierungsmöglichkeiten sind allenfalls in Ansätzen erkennbar. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich weder ihre Chancen noch Grenzen genau benennen. Der mögliche Einsatz von Gentechnik oder Schwermetall-Katalysatoren könnte Kontroversen zur Folge haben. Für Wissenschaft und Wirtschaft wäre es von Vorteil, so früh wie möglich von den Vorbehalten in der Bevölkerung sowie den Bedingungen der Akzeptanz zu erfahren. Die Öffentlichkeit sollte also frühzeitig in die Entwicklung der Künstlichen Fotosynthese eingebunden werden. Gleichzeitig können Bürgerinnen und Bürger zu einem frühen Zeitpunkt die Technologie und ihren Einsatz mitgestalten, anstatt sie später nur zu nutzen oder als Betroffene zu erleben.

Akzeptanz von Technik hängt von Vertrauen ab

Die Akzeptanz von Technik hängt von Vertrauen ab. Doch den Menschen fehlen oftmals noch die Gelegenheiten, ihre Wünsche und Bedenken sowie Vorstellungen von der Zukunft kundzutun. Dabei sollten Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die Hoffnungen, Befürchtungen und Bewertungen der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure berücksichtigen und ernst nehmen. Das Expertenwissen muss um die Laienwahrnehmung, um gesellschaftliche Werte und Visionen ergänzt werden. Nur so können sachlich adäquate und moralisch gerechtfertigte Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden. Partizipation oder Citizen Science sind wichtige Schlagworte für den Technik-Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern. Ein Patentrezept für die geforderte Einbindung der Öffentlichkeit gibt es dabei nicht.

Erste Erfahrungen sammelte acatech im Projekt „Künstliche Fotosynthese – Entwicklung von Technikzukünften“. Dabei traten Wissenschaftler und Kommunikationsexperten mit Teilen der Öffentlichkeit in einen Dialog über Ideen, Wertvorstellungen und Sorgen zum Innovationsfeld Künstliche Fotosynthese.

Um die Künstliche Fotosynthese in ihrem frühen Forschungsstadium für interessierte Bürgerinnen und Bürger verständlich zu machen, entwarf die Projektgruppe unterschiedliche Technikzukünfte als Diskussionsgrundlage für Dialogveranstaltungen. Diese Methode der Technikkommunikation übersetzt Forschungsergebnisse in Geschichten, die beschreiben, wohin die Reise gehen könnte und wie eine mögliche Zukunft aussehen kann, beispielsweise mit Künstlicher Fotosynthese. Sie beschreiben sowohl die Gesellschaft als auch die Technik und können unterschiedlicher Gestalt sein, zum Beispiel wissenschaftliche Vorausschauen, literarische oder filmische Science Fiction-Szenarien oder Berichte in den Massenmedien.

Die Technikzukünfte zur Künstlichen Fotosynthese, welche die Projektgruppe für den Dialog mit der Öffentlichkeit entwarf, drehen sich um Mikroalgen und Wasserlinsen, die als grüne Zellfabriken energiereiche Stoffe produzieren. Oder um Nanokügelchen, die in einem elektrokatalytischen Prozess aus Wasser und CO2-haltigen Industrieabgasen energiereiches Methangas herstellen. Eine weitere Technikzukunft beschreibt transparente organische Solarzellen, die als Baumaterialien aus Gebäudefassaden ein Kraftwerk zur Stromproduktion machen. Auf verschiedenen Dialogveranstaltungen stellte acatech diese Technikzukünfte in Form von Zukunftsgeschichten interessierten Laien, Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern vor und diskutierte sie mit ihnen. Die Formate reichten von Science- Cafés über ein Seminar bis hin zum Comic-Workshop, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Vorstellungen in Zeichnungen visualisierten.

Die Projektgruppe lernte die Ideen und Kritikpunkte der Teilnehmer kennen und erfuhr, welche Aspekte der Künstlichen Fotosynthese diese als Chancen und welche als Risiken wahrnehmen. Viele befürchteten, dass die gentechnisch veränderten Organismen freigesetzt werden könnten, etwa bei Unfällen. Kritische Fragen betrafen den Wirkungsgrad und die Wirtschaftlichkeit der Künstlichen Fotosynthese. Auch der Wasser- und Energieverbrauch sowie der Einsatz von Dünger wurden skeptisch betrachtet. Als Chance bewerteten die Teilnehmer die Verwendung von Industrieabgasen. Die organische Fotovoltaik inspirierte viele zu originellen Anwendungsideen.

Der Ansatz der Technikzukünfte hat sich in den Dialogformaten bewährt. Die Geschichten eröffneten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Zugang zur Künstlichen Fotosynthese, machten die Technologie für Laien verständlich und dienten als Ausgangspunkt für die Diskussionen. Dabei stießen die Veranstalter auch auf ein Dilemma: Einerseits ist eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürger besonders zu einem frühen Zeitpunkt der Technikentwicklung zur Künstlichen Fotosynthese sinnvoll, wenn es noch Gestaltungsspielraum gibt. Andererseits ist die Künstliche Fotosynthese in diesem Entwicklungsstadium noch relativ unbekannt, wird medial kaum kontrovers dargestellt und besitzt nur geringe Relevanz für das Leben der Teilnehmer. Bei komplexen visionären Themen wie der Künstlichen Fotosynthese muss das Interesse der Teilnehmer also erst geweckt werden, zum Beispiel über Technikzukünfte. Die Art der Darstellung des Themas, ob als Comic, in einer Ausstellung, in den Massenmedien oder verpackt in eine Geschichte, lenkt dabei freilich die Diskussion und beeinflusst Wahrnehmung und Bewertung.“

[note Fazit

  • „Eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit in Technikgestaltung ist heute unverzichtbar.
  • Die Diskussion anhand von Technikzukünften hat sich bewährt.
  • Allgemeine Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation sind zu beachten.
  • Neue Formate sind zu entdecken und zu testen.
  • Die Rolle der Medien ist zu untersuchen.
  • Die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit auf weitere Technikfelder ist angezeigt.“]

->Quellen: