Vattenfall ist Braunkohle los

Tschechischer Konzern übernimmt – Vattenfall will CO2-Ausstoß um mehr als 50 Mio. t/a senken

Vattenfalls ostdeutsche Kohlekraftwerke samt Lausitzer Tagebaue mit 7.500 Mitarbeitern übernimmt endgültig das tschechische EVU EPH, wie beide Seiten am 18.04.2016 mitteilten. EPH, dem bereits die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) gehört, hat sich für den Kauf mit dem tschechischen Finanzinvestor PPF Investments zusammengetan.

EPH übernimmt von Vattenfall neben den Anlagen, deren Wert auf 3,4 Milliarden Euro beziffert wurde, auch die Verpflichtungen zur Rekultivierung. Die Tschechen bekommen dazu Barmittel in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro. Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), und ihre Wirtschaftsminister begrüßten die Entscheidung als gute Nachricht und wichtiges Signal für die Lausitz.

[note Magnus Hall, Vattenfalls Präsident und CEO: „Heute haben wir eine wichtige Vereinbarung für Vattenfall unterzeichnet. Der Verkauf unserer Braunkohleaktivitäten ist strategisch wichtig und angesichts der gegenwärtigen und zu erwartenden Marktbedingungen auch unter finanziellen Aspekten richtig. Wir beschleunigen so unseren Umbau zu einer nachhaltigeren Erzeugung von Energie. Der Verkauf bedeutet, dass mehr als 75% unserer Erzeugung klimaneutral sein wird im Vergleich zu den 50% heutzutage.“]

EHP – so Hall weiter – sorge „hier für langfristige Sicherheit“. EPH habe seine „Kompetenz im Bereich des Braunkohlegeschäfts unter Beweis gestellt und ist in Deutschland bereits durch seine hundertprozentige Tochter MIBRAG aktiv“. Der Gesamtbetriebsratschef der Vattenfall Europe Mining AG, Rüdiger Siebers, sagte der Deutschen Presse-Agentur, EPH bekenne sich zu den geltenden Tarifverträgen. Die Schweden rechnen damit, dass von der Lausitzer Braunkohleinsgesamt rund 16.000 weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern hängen. Siebers erklärte weiter, betriebsbedingte Kündigungen seien bis Ende 2020 ausgeschlossen.

Schwedische Regierung erzwang Verkauf

Im Rennen waren bis kurz vor Schluss auch ein Konsortium um die Steag und die australische Macquarie Bank sowie die tschechischen Konzerne Vrsanka Uhelna und CEZ. Die schwedische Regierung muss dem Deal noch zustimmen – sie hatte von ihrem Staatskonzern Vattenfall den Verkauf gefordert, er solle weniger CO2 Verursachen und sich mehr auf Ökostrom konzentrieren. 2015 hatte Vattenfall  84 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, bis 2020 soll die CO2-Bilanz auf 21 Millionen Tonnen sinken. Allein durch den Verkauf seines Braunkohlegeschäfts sinkt der Ausstoß auf weniger als 25 Mio. t jährlich.

[note Das Stockholmer EVU versilbert alle Kraftwerke und Tagebaue in Deutschland: Die Kraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe (Fotos), den 50-Prozent-Anteil am Kraftwerk Lippendorf sowie die Tagebaue Jänschwalde, Nochten, Welzow-Süd, Reichwalde und den kürzlich ausgekohlten Tagebau Cottbus Nord. Aus der Vattenfall-Erklärung: „EPH-PPF übernimmt das Braunkohlegeschäft einschließlich aller Anlagen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Die Aktiva enthalten Barmittel in Summe von 15 Milliarden Schwedische Kronen (€ 1,65 Mrd.). Die Verbindlichkeiten und Rückstellungen unter anderem für Rekultivierungen umfassen insgesamt 18 Milliarden Schwedische Kronen (€ 1,98 Mrd.). Während der ersten drei Jahre nach dem Verkauf dürfen keine Dividenden an den neuen Eigentümer gezahlt, Rückstellungen aufgelöst oder ähnliche vergleichbare Maßnahmen ergriffen werden. In den folgenden zwei Jahren ist die Gewinnabschöpfung vertraglich auf eine betriebsübliche Rendite begrenzt.“]

Braunkohle = Ware mit Verfallsdatum

Die Käufer – so das Handelsblatt Anfang Januar – erwerben eine Ware „mit Verfallsdatum“. Denn Braunkohle kann aufgrund des Klimaschutzziels der Bundesregierung nur noch überschaubare Zeit gefördert werden. Die hatte nämlich im vergangenen Jahr beschlossen, alte Braunkohlekraftwerke Zug um Zug vom Markt zu nehmen, um die versprochene CO2-Einsparung bis 2020 zu erreichen. Die Meiler dienen bis dahin als Reserve, die Betreiber erhalten dafür Ausgleichszahlungen. Verständlicherweise hatten die Bieter eine weitere Klarstellung seitens der Politik erwartet, welche Zukunft die Braunkohle überhaupt noch hat. Ob sie diese bekommen haben, blieb offen.

[note Die Anwaltssozietät Freshfields verkündete stolz, dass sie Vattenfall beim Verkauf seiner Braunkohle-Kraftwerke und der Tagebaue in der Lausitz an den tschechischen Versorger EPH und Finanzinvestor PPF Investments beraten habe. Der Verkauf sei „die größte und komplexeste Transaktion in der europäischen Energiewirtschaft in diesem Jahr“. Bestandteil der Vereinbarung sei neben der Veräußerung der Vattenfall Europe Generation AG mit vier Kraftwerken sowie der Vattenfall Europe Mining AG (fünf Braunkohletagebaue), auch die Ausgliederung der Bereiche Steinkohle (Kraftwerk Moorburg) und der Sparte Wasserkraft, die nicht Gegenstand des Verkaufs sind, in eine neue Tochtergesellschaft der Vattenfall GmbH. Zudem seien zehn Altkraftwerksstandorte, die historisch zum Kraftwerksgeschäft gehören und Teil der Transaktion sind, in die Vattenfall Europe Generation AG ausgegliedert worden. Die Transaktion sei überwiegend aus den M&A/Regulatory-Hubs von Freshfields Bruckhaus Deringer in Berlin und im Rheinland betreut, allein im Bereich Energiewirtschaftsrecht seien hier rund 50 Anwälte tätig, hieß es weiter.]

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