Ruckartige Bewegung schärft Röntgenpulse

Bagger für Lichtpulse

Tatsächlich benutzen die Physiker so etwas wie einen Bagger für Lichtpulse, nämlich Piezoelemente, die mittels elektrischer Impulse präzise Bewegungen ausführen können. Als „Schaufel“ dient dabei eine dünne Folie aus Eisen. Synchronisiert man die Bewegung dieser „Photonenschaufel“ mit dem zeitlichen Eintreffen der Röntgenpulse, so kann man tatsächlich Röntgenphotonen auf einen „Haufen“, also in einen schmalen Wellenlängenbereich, schaufeln.

„Zusammen mit einem Team aus der Abteilung von Thomas Pfeifer am MPIK, dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg und der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble konnten wir zeigen, dass die Methode funktioniert. Das Spektrum von Röntgenpulsen ließ sich tatsächlich rein mechanisch manipulieren“, freut sich Jörg Evers aus der Abteilung von Christoph Keitel am MPIK und betont die Vorteile: „Dabei werden keine Photonen ‚verschwendet‘ wie in einem Monochromator, der nur die unerwünschten Wellenlängen abschneidet. Auch müssen wir keine zusätzliche Energie in den Röntgenpuls hineinstecken.“

Dass die piezoelektrische Photonenschaufel so gut funktioniert, beruht auf dem Mössbauer-Effekt. Die Eisenfolie ist mit dem Isotop 57Fe angereichert. Im Festkörper kann dieses „Mössbauer-Isotop“ Photonen rückstoßfrei absorbieren und emittieren. Dadurch absorbiert die Eisenfolie einen extrem schmalen Ausschnitt aus dem relativ breiten Röntgenpuls und emittiert dieses Licht mit einer gewissen Zeitverzögerung „resonant“ wieder.

Die Wellen des durchgehenden und des wieder abgestrahlten Lichts überlagern einander wie die Wellen von zwei Steinen, die man nebeneinander ins Wasser geworfen hat. Wird nun die Folie in der Zeit zwischen Absorption und Emission ein minimales Stückchen bewegt, ist das so, als ob einer der beiden Steine ein Stückchen weiter geflogen wäre. An einem festen Punkt beobachtet, erscheint dann im einen Fall vielleicht ein Wellental, im anderen Fall aber ein Wellenberg. Mit Hilfe des Piezoelements gelang es den Physikern, die Eisenfolie so zu bewegen, dass diese Interferenzeffekte die resonanten Wellenlängen auf Kosten der „äußeren“ Wellenlängen verstärken. „Diese Bewegung um eine halbe Wellenlänge muss auf <0,1 Nanometer genau gesteuert werden und innerhalb von einigen Nanosekunden erfolgen“, verdeutlicht Erstautor Kilian Heeg, PostDoc in der Gruppe von Jörg Evers, die Anforderungen.

Auch hier geht es um Röntgenstrahlen: Ultrahochvakuum-Kammer im EMIL-Labor (Berlin Adlershof) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

[note Um neue Materialien für die Elektronik oder den Einsatz in Autos, Flugzeugen oder den unterschiedlichen Kraftwerken zu entwickeln, nutzen Forscher Licht und andere elektromagnetische Wellen ebenso wie bei Untersuchungen von Proteinen und deren Funktion. Und auch um chemische Reaktionen und physikalische Prozesse in der Mikro- und Nanowelt zu beobachten, sind elektromagnetische Wellen das Mittel der Wahl. Denn in unterschiedlichen Spielarten der Spektroskopie regen einzelne Wellenlängen der Strahlung bestimmte Komponenten einer Struktur zum Schwingen an. Welche Wellenlängen mit der Struktur wechselwirken – Physiker sprechen von Resonanz – verrät etwas über deren Zusammensetzung und Aufbau; zum Beispiel, wie Atome in einem Molekül räumlich angeordnet sind. Anders als das viel energieärmere sichtbare Licht können Röntgenstrahlen nicht nur in Resonanz mit der Elektronenhülle eines Atoms treten, sondern auch mit seinem Atomkern. Röntgenspektroskopie bietet daher einen anderen Blickwinkel auf die Materie und somit eine zusätzliche Wissensquelle.]

Ein winziger Ruck führt zur Verstärkung des Lichts

Die Forscher setzen mit der Lichtverstärkung dort an, dass die Röntgenstrahlung bei der Resonanz mit den Eisenkernen wie auch mit jedem anderen Atomkern verzögert wird, bevor sie wieder emittiert wird. Sie eilt dann genau eine halbe Wellenlänge hinter dem durchgelassenen Licht her. Das bedeutet, dass Wellenberge der einen exakt auf die Wellentäler der anderen Welle treffen und einander auslöschen. Diese destruktive Interferenz schwächt die Röntgenpulse bei der Resonanz ab.

Folgt: Zeitfenster von etwa 100 Nanosekunden