Ruckartige Bewegung schärft Röntgenpulse

Zeitfenster von etwa 100 Nanosekunden

„Wir nutzen das Zeitfenster von etwa 100 Nanosekunden, bis die Eisenkerne das Röntgenlicht wieder abgestrahlt haben“, erklärt Evers den Trick seines Teams. Binnen dieser Zeit versetzen die Heidelberger Forscher die Eisenfolie um etwa 40 Milliardstel Millimeter (0,4 Angström). Der winzige Ruck hat zur Folge, dass emittierte und durchgelassene Lichtwellen konstruktiv interferieren: „Das ist wie beim Zusammentreffen von zwei Flüssen“, erklärt Evers, „auf denen Wellen laufen, die um eine halbe Wellenlänge gegeneinander versetzt sind, und man verschiebt den einen Fluss um genau diese Strecke“. Das bewirke, dass die Wellen der beiden Flüsse nach dem Zusammentreffen im Takt laufen. Wellenberge treffen auf Wellenberge und die Wellen verstärken einander, statt einander zu schwächen. Der Trick wirkt sich aber nicht nur auf Licht mit der Resonanzwellenlänge sondern, sondern mit umgekehrtem Effekt auch auf Wellenlängen in einem breiteren Bereich um die Resonanzwellenlänge herum, die dadurch abgeschwächt werden. „Wir quetschen ansonsten ungenutztes Röntgenlicht in die Resonanz“, formuliert es Heeg.

Damit die Physiker die Eisenfolie schnell und präzise genug versetzen konnten, montierten sie diese auf einen so genannten Piezo-Kristall. Das ist ein Festkörper, der auf eine elektrische Spannung blitzschnell mit einer winzigen Ausdehnung reagiert. Durch ein speziell entwickeltes Computerprogramm gelang es den Heidelberger Forschern, das elektrische Signal, das den Piezo-Kristall ansteuert, so zu optimieren, dass eine maximale Verstärkung des Resonanzsignals resultierte.

Anwendungen bei der Längenmessung und in Atomuhren

Für ihre neue Methode sehen die Physiker ein großes Anwendungspotenzial. Mit dem Verfahren lasse sich die Nutzung neuer leistungsstarker Röntgenquellen auf die hochauflösende Röntgenspektroskopie ausweiten, sagt Thomas Pfeifer, Direktor am MPIK. Was in Atomen und Molekülen geschieht, könnte sich so dann schärfer abbilden lassen. Pfeifer hebt zudem die Metrologie als Anwendungsfeld hervor, insbesondere die höchst präzise Messung von Längen und die quantenmechanische Definition der Zeit. „Man kann Längen mit Röntgenstrahlung 10.000mal genauer messen als mit sichtbarem Licht“, so Pfeifer. So ließen sich Nanostrukturen wie etwa Computerchips oder neu entwickelte Batterien untersuchen und optimieren. Pfeifer kann sich zudem Röntgen-Atomkernuhren vorstellen, die noch sehr viel genauer gehen als die modernsten optischen Atomuhren.

Bewegungen auf atomarer Skala verfolgen – sind fundamentale Naturkonstanten wirklich konstant?

Die Methode könne zudem, sobald anwendungsreif, leicht in Experimente am DESY oder der ESRF integriert werden, meint Evers. „Es ist ein in kurzer Zeit installierbares Gerät in Schuhschachtelgröße denkbar; unsere Rechnungen zeigen, dass ein Verstärkungsfaktor von etwa 10 möglich sein sollte“, sagt der Physiker. In Zukunft könnte die neue Methode für den Einsatz im normalen Nutzerbetrieb an Röntgenlichtquellen wie Synchrotronen oder Freie-Elektronen-Lasern weiterentwickelt werden. Die erhöhte Intensität bewirkt eine deutliche Verkürzung von Messzeiten und ermöglicht Messungen mit bisher zu geringer Signalrate. Außerdem sorgen die stärkeren Signale für eine erhöhte räumliche, zeitliche oder spektrale Auflösung. Umgekehrt herum sollten sich mit dieser Technik Bewegungen auf atomarer Skala verfolgen lassen. Nicht zuletzt könnte sich mit Hilfe effizienter Röntgenspektroskopie eine offene Frage der Physik beantworten lassen. Ob nämlich fundamentale Naturkonstanten wirklich konstant sind oder ob sich ihre Werte mit der Zeit langsam verändern. Letzteres würde sich darin zeigen, dass Resonanzlinien zeitlich driften. Das wäre bei sehr scharfen Röntgenspektren auch innerhalb relativ kurzer Messzeiträume feststellbar.

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