Soll das Klima wirklich auf die lange Bank der EU geschoben werden?

Von Sam Morgan – EURACTIV.com

Sie würden sich schwer tun, jemanden in Brüssel oder in irgendeinem andern Teil Europas zu finden, der sich keine Sorgen um den Klimawandel macht. Warum ist die EU nicht in der Lage, diese massive Bedrohung zu bekämpfen? Eine neue Studie zeigt, dass 92% der Europäer glauben, der Klimawandel stelle ein ernstes Problem dar. Skeptiker sind auf dieser Seite des Atlantiks selten: so ist es verblüffend, dass ein internationaler Player wie die Europäische Union weiter trödelt.

Indem sie den Klimawandel auf eine bloße kursorische Erwähnung eindampfte, enttäuschte die State of the Union-Rede von Kommissionschef Jean-Claude Juncker in der vergangenen Woche trotz ihres föderalistisch-angenehmen Inhalts und maritimer Metaphern alle diejenigen, die sich Sorgen um die Umwelt machen. Das ist symptomatisch für ein besorgniserregendes Problem.

Die Ankündigung von Handelsverträgen und weit hergeholten institutionellen Reformen ist schön und gut, es hat die EU-Blase sicherlich ins Grübeln versetzt, aber was bringt das alles, wenn eine solche drohende, unbestreitbare Gefahr für unsere Lebensweise immer näher kommt. Verheerende Hurrikane und zügellose Waldbrände sind nur der Anfang, denken Sie daran. Zölle, slowakische Fischstäbchen, Brexit-Absprachen und transnationale Listen sind kleine Fische im Vergleich dazu. Sie fallen kaum ins Gewicht im Vergleich zu extremen Dürren und Überschwemmungen oder einer Migrationskrise von einer Art, wie wir sie noch nie gesehen haben, und Billionen vermeidbarer Gesundheitskosten.

Junckers Rede, sein leeres Versprechen, „den Planeten wieder groß zu machen“ und sich auf Geschäft und Handel zu konzentrieren, deuten darauf hin, dass er die Aufgabe „Klimawandel“ fast schon für erledigt erachtet. Er war sehr stolz darauf, die in Straßburg versammelten Menschen daran zu erinnern, dass es die EU war, die das Pariser Abkommen über die Ratifikationsschwelle hob und dass das Abkommen in Europa verhandelt worden war. Aber wir alle wissen, dass die Arbeit nicht getan ist, dass das 1,5-Grad-Ziel wahrscheinlich gestorben und dass viel zu viel Zeit darüber vergeudet worden ist, was Trump tun oder nicht tun wird. Dieses Wochenende ist ein Paradebeispiel.

Die EU hätte schon lange in den von den USA freigegebenen Fahrersitz springen und das Lenkrad fest ergreifen sollen. Die SOTEU (State of the European Union-Debatte) wäre ein perfekter Zeitpunkt gewesen, so kurz vor dem Gipfeltreffen in Montreal, um konkrete Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels anzukündigen, statt der Selbstbeweihräucherung, von der wir zu viel gehört haben.

EU-Klima-Chef Miguel Arias Cañete sagte in Kanada, dass die EU „den globalen Klimawandel-Ehrgeiz“ verstärken will. Wenn Brüssel das ernst meint, sollte es sich an China eine Scheibe abschneiden. Peking arbeitet nämlich an einem Plan, um die Verwendung des Verbrennungsmotors zu verbieten. Rekorde in Erneuerbaren Energien fallen unterdessen. Es gibt genug Bereitschaft in Europa nachzuziehen.

Ja, es gibt positive Zeichen aus dem Parlament. Jüngste Stimmen haben gezeigt, dass die Abgeordneten ehrgeizigere Ziele für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz wünschen. Aber die Mitgliedsstaaten denken immer noch anders, und ein neuer Auditorenbericht warnt davor, dass die Frist rasch abläuft.

Deutschlands lang versprochener, aber noch unbestimmter Kohleausstieg ist immer noch eine Idee ohne Plan, die Kernenergie droht mit einem Comeback im Osten und das Interesse Großbritanniens an Großprojekten stirbt dank Brexit. Es gibt viele Punkte, welche die EU vorsichtig angehen und wo den selbstheilenden Kräften des Marktes vertraut werden sollte. Aber wir haben keine Zeit dafür, wenn es um das Klima geht. Wir brauchen mehr als nette Worte. Hoffen wir, dass der bevorstehende Plan der Kommission zur Emissionveringerung des Verkehrs genügend Ehrgeiz zeigt. Es ist dringend nötig.

->Quelle: euractiv.com/the-brief-should-climate-really-end-up-on-eus-back-burner – Übersetzung: Gerhard Hofmann