In bestehende Netze passt mehr Strom

Agora Energiewende mit Optimierungsstudie

Die Transportkapazitäten der Stromübertagungsnetze ließen sich mit einer Reihe von vergleichsweise einfachen Maßen innerhalb von zwei bis vier Jahren erheblich vergrößern. Durch ein entsprechendes flächendeckendes Sofortprogramm würde die Funktion des Strommarktes deutlich verbessert, weil Netzeingriffe wie der Redispatch von Kraftwerken und die Abregelungen von Windkraftanlagen auch bei steigenden Anteilen Erneuerbarer Energien seltener nötig wären – sagt der Thinktank Agora Energiewende.

Eine noch höhere Auslastung der Höchstspannungsnetze ließe sich langfristig überdies mit einer automatisierten Steuerung der Übertragungsnetze erzielen. Das zeigt eine neue Studie im Auftrag von Agora Energiewende u.a. vom Beratungsunternehmen Energynautics. Durch diese Netzoptimierung lasse sich die Zeit bis zur Fertigstellung der großen Stromautobahnen Mitte der 2020er-Jahre überbrücken, ohne den Ausbau Erneuerbarer Energien zu verlangsamen. Gleichzeitig würden die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Kosten für den Redispatch von Kraftwerken – Eingriffe der Netzbetreiber in den Betrieb von Kraftwerken – begrenzt.

Zu den kurzfristigen Maßnahmen zählen unter anderem der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, mit denen sich bis zu doppelt so viel Energie transportieren lässt, und der Einbau von speziellen Transformatoren etwa an Umspannwerken, mit denen sich Strom von stark belasteten Netzabschnitten auf freie Netzabschnitte umleiten lässt. Die Leistungsfähigkeit bestehender Freileitungen kann zudem durch ständige Temperatur-Überwachung erhöht werden.

„All diese Maßnahmen sind Stand der Technik. Nur setzen wir sie noch nicht flächendeckend ein.“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Es geht jetzt darum, rechtliche und regulatorische Hindernisse zu beseitigen, um mehr aus den bestehenden Netzen herauszuholen. Ziel muss es sein, schon 2020 deutlich mehr Strom durch unser Bestandsnetz zu transportieren, weil der dringend notwendige Ausbau der Stromautobahnen erst nach 2025 abgeschlossen sein wird.“

Als nächste Stufe der Netzoptimierung – perspektivisch ab 2030 – sieht die Studie die Einführung einer automatisierten Systemführung der Stromübertragungsnetze: durch deren Digitalisierung können drohende Netzengpässe dann in Echtzeit verhindert werden. Die Zahl der Netzeingriffe, die möglicherweise unnötig sind, aber dennoch vorsichtshalber durchgeführt werden, lasse sich so vermindern. Auch das senke die Redispatch-Kosten und erhöhe die Kapazität der Netze. „Noch ist das Zukunftsmusik. Um das hohe Sicherheitsniveau des deutschen Stromsystems aufrechtzuerhalten, sind noch viele Fragen zu klären. Damit solche innovativen Mittel im nächsten Jahrzehnt eingesetzt werden können, sollte die Bundesnetzagentur eine Roadmap mit den notwendigen Umsetzungsschritten entwerfen“, so Graichen. „Denn durch die automatisierte Betriebsführung könnte perspektivisch der bisher für die Zeit nach 2035 geplante zusätzliche Netzausbau fast vollständig ersetzt werden.“

Die Studie „Toolbox für die Stromnetze“ mit den wichtigsten Umsetzungsschritten  steht zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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