Österreich defossilisiert sich – ein bisschen

Ausstieg aus Erdöl und Kohle – scharfe Kritik von NGOs

Die österreichische Bundesregierung ist dabei, eine neue Klimastrategie zu beschließen. Das Ziel: Schluss mit fossiler Energie. Seit Januar hat die schwarzblaue Koalition an der neuen Klimastrategie gearbeitet. 500 Bürger beteiligten sich an der Konzeptarbeit. Herausgekommen ist eine „Klimastrategie mit mehreren Leuchtturm-Projekten“, so die Grazer Kleine Zeitung in ihrem Medienportal.

Kohlekraftwerk – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Wir läuten das Ende des fossilen Zeitalters ein“, sagte dem steirischen Blatt Elisabeth Köstinger, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, die spürbare Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft festgestellt hat, unter anderen die durch warme Winter begünstigte Vermehrung der Borkenkäfer. Infrastrukturminister Norbert Hofer sieht in der Bahn „das größte Umweltschutzunternehmen des Landes“ und setzt in der Strategie vor allem auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

100 Prozent Grün-Strom

  1. Die Wasserstoff- und Biogas-Erzeugung soll mittels Steuervergünstigungen samt der zugehörigen Infrastruktur ausgebaut werden.  Außerdem soll der weitere Zubau von PV-Anlagen erleichtert werden („100.000 Dächer“), auf Gewerbeflächen sogar ohne Anlagengenehmigung. Selbst erzeugter Strom soll steuerfrei sein.
  2. Ausstieg aus Ölheizungen
    Ab 2025 beginnt der Heizöl-Ausstieg – sozial verträglich – 2030 soll er abgeschlossen sein. Öl-Heizkessel sollen durch Erneuerbare Energieträger ersetzt werden.
  3. Stärkung der E-Mobilität
    An Mehrparteienhäusern sollen Ladestationen für E-Autos leichter installiert werden können. E-Mobilitätsangebote wie E-Carsharing, E-Bikeverleih oder E-Zustellservices sollen gefördert werden.
  4. Klimaschutz im Lehrplan
    Ein neuer Punkt: Klimaschutz soll Teil des Lehrplans werden, dafür Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich Klimaschutz gestärkt werden. Klimaschutz soll jedoch nicht eigenes Fach werden, sondern etwa in Grundschulen im Rahmen des Sachkundeunterrichts gelehrt werden.
  5. Ausbau des öffentlichen Verkehrs
    Sowohl der Güterverkehr auf der Schiene als auch der öffentliche Personenverkehr soll ausgebaut werden. Eine zentrale Rolle sollen laut Infrastrukturminister Hofer dabei die ÖBB spielen.
  6. Bioökonomie
    Zweiter neuer Punkt lautet „Forcierung der Bio-Ökonomie“ (Umstieg einer auf fossilen Stoffen beruhenden Wirtschaft auf eine, die nachhaltige Energie nutzt). Natürliche Stoffkreisläufe sollen als Vorbild dienen, entsprechende Start-ups gefördert werden. Um die Entwicklung von Produkten, die ohne Erdöl auskommen zu fördern, soll ein eigener Aktionsplan erstellt werden.

WWF Österreich: Der Klimastrategie droht Papiertiger-Schicksal

„Die Bundesregierung muss deutlich mutiger und weitsichtiger vorgehen. Ansonsten wird Österreich die Pariser Klimaschutzziele nicht erfüllen können“, sagte Hanna Simons, die Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung des WWF Österreich, mit Blick auf die bisher bekannten Pläne.  „Daher muss die Regierungsklausur noch für konkrete Verbesserungen genutzt werden. Denn ohne eine große öko-soziale Steuerreform und das Streichen umweltschädlicher Subventionen wird die Abhängigkeit von fossilen Energien unnötig verlängert“, betonte Simons. „Schöne Worte reichen nicht. Ohne Budget und Verbindlichkeit droht die Strategie als Papiertiger zu enden“.

Greenpeace: Klimastrategie verkommt wegen fehlender Einbeziehung von Experten-Meinungen und mangelnder Transparenz zu „völliger Farce“

Die Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung verkomme zur völligen Farce, kritisiert die Umweltschutzorganisation Greenpeace in einer Medienmitteilung scharf. Das Papier werde wenige Tage nach der Anhörung von Experten im Parlament beschlossen. Das sei viel zu wenig Zeit, um die zahlreichen Vorschläge ordentlich zu evaluieren und einzuarbeiten. Zudem bemängelt Greenpeace die fehlende Transparenz im gesamten Konsultationsprozess. Auch die Nachbesserungen dürften bei Weitem nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erfüllen. „Das Beteiligungsverfahren war eine reine Alibi-Aktion. In Wahrheit hängt die Bundesregierung am Gängelband der Konzernlobbyisten von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer. Die Stimmen aus der Bevölkerung, die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten sowie das Parlament hingegen werden völlig ignoriert. Damit tritt die Bundesregierung die Demokratie mit Füßen“, so  Adam Pawloff, Klima-und Energiesprecher von Greenpeace. Auch weigerte sich Schwarzblau bislang, die Stellungnahmen der Bürger oder die Ergebnisse der Expertengespräche im Internet zu veröffentlichen. Die Nachbesserungen dürften bei Weitem nicht ausreichen, um mit der Klimastrategie die Ziele des Pariser Abkommens zu erfüllen und die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad zu beschränken. „Wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen, braucht es eine umfassende ökosoziale Steuerreform, den vollständigen Abbau umweltschädlicher Subventionen sowie eine massive Stärkung des öffentlichen Verkehrs. Davon scheint in der Klimastrategie nach wie vor jede Spur zu fehlen“, so Klima- und Energiesprecher Adam Pawloff.

GLOBAL 2000: Nicht kompatibel mit Klimazielen von Paris

Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher bei GLOBAL 2000, sieht im Wiener Standard noch deutlichen Handlungsbedarf: „Die bekannt gewordenen Veränderungen lassen die wesentlichen Fragen außen vor. Die Ambition ist nicht kompatibel mit den Klimazielen von Paris, es fehlen ausreichende Budgets für die Umsetzung und konkrete Maßnahmen, wie eine ökologische Steuerreform, damit die Ziele auch erreicht werden können. Mit einer mutlosen Klimastrategie werden wir die globale Klimakrise nicht verhindern können“.

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