Greenpeace: RWE dürfte gar nicht roden

Rechtsgutachten: Energiekonzern lügt und untergräbt Suche der Kohlekommission nach breitem Kompromiss

Der Energiekonzern RWE verstößt laut Greenpeace gegen geltendes Recht, wenn er ab Oktober den Hambacher Forst roden lässt. Zu diesem Ergebnis gelangt die Rechtsanwältin Cornelia Ziehm in einem im Rahmen einer Pressekonferenz am 24.09.2018 in Berlin veröffentlichten Gutachten im Auftrag von Greenpeace.

Braunkohle – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Hauptbetriebsplan und Braunkohleplan binden die Erlaubnis zu roden an konkrete Auflagen: Nur wenn es für den Betrieb des Tagebaus „erforderlich“ beziehungsweise „unerlässlich“ ist, darf RWE Bäume fällen. Beides ist nicht gegeben. Der Konzern selbst räumt ein, dass eine „betriebliche Notwendigkeit“ zu roden, erst ab dem 15. Dezember besteht*). Eine am selben Tag veröffentlichte bergbauliche Stellungnahme des unabhängigen Beratungsunternehmens Plejades weist weiter nach, dass der Hambacher Wald ein weiteres Jahr unangetastet bleiben kann, ohne den Betrieb des Tagebaus einzuschränken. „RWE heizt im Hambacher Wald einen Konflikt samt teurem Polizeieinsatz an, dabei darf der Konzern nach geltendem Recht gar nicht roden“, sagt Greenpeace Energieexperte Karsten Smid. „Die Landesregierung darf sich nicht zum Handlanger eines Kohlekonzerns machen.“

Die Plejades-Stellungnahme identifiziert laut Smid auf Basis aktueller Satellitenaufnahmen (August 2018) drei Maßnahmen, mit denen sich der Betrieb weiterführen lasse, ohne dafür schon in diesem Jahr das uralte Waldgebiet abzuholzen. Dazu müsste RWE zunächst den Abstand zwischen Waldgebiet und Tagebaukante reduzieren. Weiter müsste der Konzern auf der zweiten Sohle deutlich näher an die erste heranbaggern, wodurch die Tagebaukante länger bestehen bleiben könnte. Zudem ließe sich Zeit gewinnen, indem RWE verstärkt im nord-östlichen Teil des Tagebaus gräbt. Mit einer Kombination dieser drei Maßnahmen würde RWE genug Zeit gewinnen, um die Rodung im Hambacher Wald auf den Herbst 2019 zu verschieben. Aber offenbar geht es RWE um viel mehr.

RWE täuscht Kohlekommission mit falschen Aussagen

In einem Brief an die Vorsitzenden der Kohlekommission vom August behauptete RWE, die geplante Rodung auszusetzen, würde die Fortführung des Tagebaus und damit den Betrieb der Kraftwerke Niederaußem und Neurath (RWE: „Das modernste Braunkohlenkraftwerk der Welt“) „in Frage stellen“.

[note RWE: „Eine vorübergehende Aussetzung der ab Oktober 2018 geplanten Rodung im Tagebau Hambach würde bereits kurzfristig die Stromerzeugung der Kraftwerke Niederaußem und Neurath sowie die Produktion der Veredelungsbetriebe in Frage stellen. Ursächlich hierfür ist in diesem Fall auch die Tatsache, dass bereits im vergangenen Jahr zur Deeskalation der öffentlichen und politischen Diskussionen sowie zur Erledigung des damaligen Streitverfahrens beim OVG NRW unternehmensseitig „freiwillig“ keine nennenswerten Rodungen im Hambacher Forst durchgeführt wurden und deshalb jeglicher Zeitpuffer bereits aufgebraucht ist.“ (Beigefügt werde, so heißt es weiter in dem RWE-Schreiben vom 17.08.2018, „die ausführliche Beschreibung der Sachzusammenhänge und der Vorgehensweise“. Tatsächlich hat RWE die betriebliche Notwendigkeit einer Rodung des Hambacher Forsts ab 01.10. spätestens aber ab 14.10.2018 weder in dieser Beschreibung noch anderswo dargelegt, so das Ziehm-Rechtsgutachten.)]

„RWE hat die Kohlekommission bewusst belogen“, so Smid. „Wenn RWE die Kettensägen in den Wald schickt, bevor alle betrieblichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, torpediert der Konzern die Arbeit der Kommission.“

Bis Ende des Jahres soll eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission einen Vorschlag erarbeiten, wie Deutschland sozial- und klimaverträglich aus der Kohle aussteigt. Um die Zusagen Deutschlands zum Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müssen bis 2030 die letzten Kohlemeiler vom Netz gehen. Besonders klimaschädliche Braunkohlekraftwerke würden dabei als erste abgeschaltet. Für die aus dem Tagebau Hambach versorgten Kraftwerke ergeben sich aus diesen Zielen Restkohlemengen, die auch ohne eine weitere Ausdehnung der Kohlegrube ausgebeutet werden können.

[note *)Ziehm: „RWE hat nicht nur keinen Nachweis für die Erforderlichkeit bzw. Unerlässlichkeit des Rodungsbeginns im Oktober 2018 erbracht. RWE als Betreiberin des Braunkohlentagebaus Hambach selbst hat vielmehr am 11. September 2018 selbst – und entgegen ihren vorgehenden Behauptungen – ausdrücklich zugestanden, dass jedenfalls ein Rodungsbeginn vor Mitte Dezember 2018 nicht erforderlich und nicht unerlässlich ist. Ausweislich der Pressemitteilung von RWE vom 11. September 2018 ist ‚Mitte Dezember 2018 der theoretisch spätestmögliche Termin, um noch einen zeitgerechten Abschluss der Arbeiten bis Ende Februar 2019 entsprechend den Natur- und Artenschutzbestimmungen zu ermöglichen‘. RWE gibt sodann explizit ‚einen betrieblich notwendigen Rodungsbeginn ab 15. Dezember 2018‘ an. Verhält es sich aber so, ist eine Rodung jedenfalls vor dem 15. Dezember 2018 bereits nach den eigenen Angaben von RWE nicht erforderlich und erst recht nicht unerlässlich.]

->Quellen: