Zehntausend Texte

Ein Rückblick in die Kinderzeit von Solarify

Es fing an mit nichts Geringerem als der „Neuerfindung der Physik“ – um den „Abschied von der Weltformel“. So lautet die Überschrift über dem ältesten Text auf Solarify vom 1. März 2009. Think  big… Es ging darin um ein Buch des Physik-Nobelpreisträgers Robert B. Laughlin, desselben Kaliforniers, der später speziell über unser Thema schrieb: „Powering the Future: How We Will (Eventually) Solve the Energy Crisis and Fuel the Civilization of Tomorrow“ (typisch dunkel übrigens die deutsche Übersetzung. „Der Letzte macht das Licht aus – die Zukunft der Energie“. Nicht umsonst hat Johannes Rau einmal gesagt: „Wenn die Deutschen Licht am Ende des Tunnels sehen, bauen sie lieber noch ein bisschen Tunnel an“). Der dritte Solarify-Text lautete optimistisch „Stromnachfrage zu jeder Zeit gedeckt – Es gibt keine Versorgungslücke“ – und völlig unbeleckt von jeder Kontroverse nahmen wir „Anstieg des Kohlendioxids vor der Industrialisierung“ als zweiten Text auf die Seite, frisch untertitelt: „Mehr Treibhausgas mal ohne Mensch“.

Es ging – durchaus nicht ohne Holpern – weiter mit der Glaubwürdigkeits-Diskussion des IPCC, heute ein alter Hut (so schnell geht das in wenigen Jahren!); wir beackerten „Das wasserspaltende System der Photosynthese“ und die „Auswirkungen des EE-Ausbaus auf den Arbeitsmarkt“, letzteres in einem Artikel, in dem wir zwar auf eine Studie hinwiesen, nicht aber deren (durchaus schon vorliegenden Ergebnisse mitteilten: Nach längerer Suche konnte der geneigte Leser nämlich auf Seite 119 herausfinden, dass der Grünstrom 2009 immerhin schon 227.200 Beschäftigte in Lohn und Brot gebracht hatte, wenn man weitersuchte und die in der Erneuerbaren Wärme Arbeitenden dazuzählte, kam man auf stolze  306.600 Arbeitsplätze – damals schon!). Manchmal, das erste Mal gleich 2011, als die Monopolkommission ein Quotensystem verlangte (Gottseidank erfolglos), wiederholten wir uns auch, aber wenigstens mit dermaßen unterschiedlichen Formulierungen, dass es niemandem auffiel. Erst allmählich, learning by doing, wurden wir besser…

Unter dem überaus elektrisierenden Titel „Wie weiter mit der Energie?“ rückten wir einen langen Artikel aus Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte auf die Seite, damals konnte der noch so beginnen: „‚Meisterhaft abgearbeitet‘ lobte die Financial Times Deutschland am 6. Juni 2011 Merkels Energiewende“. Schon damals formulierte der Autor sarkastisch: „Ein solches Lob hat die Bundeskanzlerin seitdem nicht mehr gehört.“ Bis heute nicht – Katowice und Kohleausstieg lassen grüßen. Damals, vor genau sieben Jahren, galt eine – relativ bescheiden wirkende – Kostensumme für die Energiewende als Horrorvision: 40 Milliarden (!!). Damals stellten wir am Tag etwa einen, manchmal auch zwei Texte auf die Seite. Erst ab dem 10.02.2012 wurden es mehr, in der Regel vier, manchmal auch acht.

Am 3. März 2012 weihte das Fraunhofer ISE seine erste Wasserstoff-Tankstelle ein (sie blieb lange allein). Apropos Solarenergie: Solarify berichtete unermüdlich über die zahllosen photovoltaischen Rekorde, alle zertifiziert: die kleinste, die dünnste, die effizienteste, die billigste, usw., organische, durchsichtige, Perowskit-Solarzellen, Dünnschicht-, Tandem-, Grätzel-, Konzentratorzellen… Wir prangerten Solarkürzungen an, meldeten Riesenverluste für EnBW, und begleiteten Asbecks Solarworld in den Ruin (gleich mehrfach), beerdigten vorher noch Solar Millenium – und dokumentierten die (menschengemachte) Pleitewelle in der PV-Industrie. Manchmal stellten wir einen nackten Link als „Artikel“ auf die Seite (etwa über die Arbeitsweise der AG Energiesysteme von acatech – später beschäftigte uns die daraus entstandene „ESYS, Energie-Systeme der Zukunft“, dann ausführlicher). ESYS führte die 2012 begonnene Humboldt-Viadrina-Trialogreihe „Energiewende“ weiter, Solarify begleitete sie – der Artikel endete mit „Quelle“, die führte aber nirgendwo hin, weil nicht verlinkt. So, wie inzwischen viele tote Links die Seite bevölkern, ganz einfach deshalb, weil sie falsch geschrieben, inzwischen gelöscht, verschoben oder umbenannt worden sind, oder aber die verlinkte Seite aus dem Netz verschwunden ist.

Unerschrocken nahmen wir kritische Texte auf, wie etwa: „Solarbranche als Kapitalvernichter – Watchlist der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“. Aber auch CO2-Emissionszertifikate verleiteten – wiederholt berichtet – zu Missbrauch, Betrug und Kapitalverlust – was für ein langer Weg.  Eben muss die Regierung Zertifikate nachkaufen, weil Deutschland lieber die Auto- und Kohleindustrie pampert, als durchzugreifen und viel zu viel Treibhausgase in die Luft pustet. Spaß machte gelegentlich die Widerlegung der Klimaskeptiker-Thesen (was dieselben herzlich wenig beeindruckt haben dürfte) – ganz besonders aber der Text eines jungen amerikanischen Wissenschaftlers, der belegte, dass Klimaskepsis und Rechtspopulismus auf einem Holz wachsen.

Mitunter brachte es Solarify sogar zu einer Erwähnung in einem Buch: Claudia Kemfert hob in „Das fossile Imperium schlägt zurück“ unsere korrigierende Auseinandersetzung („Faktencheck und Gegendarstellung“) mit elf Fake-Fakten der INSM hervor (das Wort Fake verharrte damals noch im Englischen). Gerne publizierten wir immer wieder Voraussagen, vor allem solche, die uns gefielen, wie etwa: „PV ab 2020 billiger als Fossilstrom“ im Mai 2012, aber auch eher unwahrscheinliche, wie „Jeder siebte Deutsche will bis 2020 elektrisch fahren“ – sehr wahrscheinlich dagegen dieser Titel: „Berlin kann bis 2050 klimaneutral werden“ vom März 2014.

“Über Energieverbrauch reden, statt über Preise!” hieß am 4. Oktober 2013 die Überschrift des ersten Selbst-Gesprächs: Claudia Kemfert vertrat die These, dass die Strompreisdiskussion ablenken sollen: Die Öko-Energien würden als Sündenbock missbraucht, um die Strompreise nach oben zu schrauben und die Energiewende schlecht zu reden. Kurz darauf äußerte Solarify zum ersten Mal eine eigene Meinung in seinem unregelmäßigen Schlussabsatz „Solarify meint“ – getreu dem Journalistenspott: „Meinungsstark, aber informationsschwach“. (Fast) alle diese Meinungen (besonders zum Dieselskandal – ist ja auch wahr…!) hatten Hand und Fuß, meint Solarify und beginnt die nächsten 10.000 Texte; sechs sind schon oben…. -Gerhard Hofmann-