Debatte über die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland

SPD: Menschen sind keine Forschungsmaschinen

Karamba Diaby (SPD) kritisierte vor allem den Antrag der FDP, da er den Menschen vergesse: „Für mich sind Menschen keine Forschungsmaschinen, keine Zahlen, keine Mittel, um ein Ziel zu erreichen.“ Er unterstrich, dass internationale Mobilität auch immer mit Mut und Hoffnung zu tun habe, und damit, Vertrautes zu verlassen, Neues zu entdecken und anzukommen. Er unterstrich, wie wichtig ein gutes Klima der Offenheit in Deutschland sei. Grundsätzlich lobte Diaby die Forschungslandschaft.

Mit den großen Wissenschaftspakten wie dem Hochschulpakt, der Exzellenzinitiative und dem Pakt für Forschung und Innovation sei internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt worden. Es hätten sich mit 360.000 internationalen Studenten in 2017 fünf Prozent mehr ausländische Studenten an deutschen Hochschulen eingeschrieben als noch in 2016. Diaby sagte: „Das heißt, dass wir mithalten können auf internationaler Ebene.“ Er erwähnte zudem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, womit die Einwanderung nach Deutschland in Zukunft transparenter gestaltet werden soll.

Linke: FDP setzt nur auf pure Konkurrenz

Petra Sitte (Die Linke) unterstrich, dass zwischen Ländern und Wissenschaftseinrichtungen wissenschaftlicher Wettbewerb normal sei, der FDP-Antrag die Sicht allerdings einseitig verenge. „Pure Konkurrenz ist der Grundgedanke dieses Antrages“, kritisierte sie. In der Logik würden Wissenschaftler nur zu Faktoren einer Standortlogik werden. Sie kritisierte, dass Wissenschaft und Forschung erneut unternehmerisch betrachtet würden. Die seit 20 Jahren währende Praxis habe jedoch zu deutlichen Einschränkungen von der Freiheit von Forschung und Lehre geführt. Sitte warb dafür, Wissenschaft und Forschung auf kooperatives oder kollaboratives Arbeiten mit Gemeinwohlorientierung auszurichten. Wissenschaftler würden heute zeitgleich weltweit an ähnlichen und komplexen Problemstellungen arbeiten, meist global. Sie fragte in Richtung FDP: „Meinen Sie denn wirklich, dass die Forschung an Klimawandel, Digitalisierung künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit, Mobilität und Gesundheit gewinnt, wenn man sie auf Deutschland konzentriert?“ Ein „Human Grabbing“, das Wegschnappen von Wissenschaftlern politisch zu legitimieren, sei die falsche Ausrichtung.

Grüne: Kooperation statt Ellbogen

„Weltoffenheit gehört seit eh und je zum Kern der Wissenschaft“, sagte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen). Neue Ideen würden Grenzen in den Köpfen überwinden, genauso wie Forscher die Grenzen zwischen Staaten. Die Auslandsmobilität an den Hochschulen sei hoch, der deutsche Wissenschaftsstandort sehr attraktiv, betonte Gehring. Deutschland sei drittbeliebtestes Gastland für internationale Studenten.

Für viele Spitzenforscher sei Deutschland allerdings nicht die erste Adresse, gab er dem FDP-Abgeordneten Sattelberger recht und sagte dann an die Adresse der FDP: „Die Lösung, die Sie präsentieren, geht am Problem aber völlig vorbei. Wir brauchen keine nationale Headhunting-Agentur, die weltweit die klügsten Köpfe identifiziert und akquiriert.“ Wissenschaft sei schließlich keine Castingshow. Wissenschaft brauche Kooperation statt Ellbogen. Die Konzentration müsse künftig vor allem darauf gerichtet werden, den Rahmen für die Wissenschaftler zu verbessern. Oftmals seien es die Einreise- und Arbeitsbedingungen, die Topforscher vor einem Wechsel nach Deutschland abschrecken. „Da müssen wir ran“, sagte Gehring.

Gewinnung von Spitzenforschern forcieren

In ihrem Antrag weist die FDP daraufhin, dass der Wohlstand Deutschlands als Wissens- wie Industriegesellschaft entscheidend davon abhänge, wie weit es gelinge, in Wissenschaft, Forschung und Transfer international eine Spitzenstellung einzunehmen und zu halten. Um dies zu schaffen, müsse Deutschland weit mehr als bislang tun. Deutsche Talente müssten bestmöglich gefördert werden. Darüber hinaus fordert die FDP zum einen, exzellente Wissenschaftler aus anderen Ländern zu gewinnen und zu gehalten („Brain Gain“), und zum anderen, deutsche Wissenschaftler, die in den USA und anderen Ländern forschten, wieder für Deutschland zurückzugewinnen.

Dazu plädiert die FDP in ihrem Antrag für den Aufbau einer „Nationalen Agentur für Wissenschaftliches Talent“ (National Agency for Scientific Talent), in der modernste Methoden der Personalrekrutierung in der Wirtschaft und der HeadhuntingBranche für die Personalgewinnung von Top-Wissenschaftlern und Wissenschaftstalenten genutzt werden, um gezielt diejenigen zu gewinnen, die Forschung, Wissenschaft und Transfer voranbringen. Ferner solle ein „Frühwarnsystem“ aufgebaut werden, das einerseits aufkommende frühe Trends in der Wissenschaft und Forschung sowie Gründungen, Patente und webbasierte Indikatoren von Beginn an identifiziert beziehungsweise sichtbar macht und andererseits Wanderungsbewegungen von Wissenschaftlern anzeigt, damit Deutschland bereits zu Beginn neuer Entwicklungen agieren kann. Neben weiteren Vorschlägen will die FDP zudem eine qualifizierte Studie zur aktuellen Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals in Deutschland erstellen. Derzeit seien keine genauen Daten und Zahlen dazu bekannt, wie sich deutsche Wissenschaftler in der Welt bewegen, warum und für wie lange sie Deutschland verlassen, warum, wann und wie viele internationale Wissenschaftler nach Deutschland kämen, bleiben oder weiterziehen. Die Push– und Pull-Faktoren müssten identifiziert werden. Hier bedürfe es Klarheit, um gezielt Ursachen für Abwanderung und Zuwanderung anzugehen und ebenfalls gezielt Maßnahmen zur Gewinnung der besten Köpfe ergreifen zu können.

Folgt: Antrag der Grünen