3,5 Milliarden Euro an EEG-Förderung einsparen

Zusammenfassung der innongy-Studie

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien (EE) im Stromsektor bis 2030 auf 65 % gesteigert werden soll. Angesichts begrenzter und weitgehend ausgeschöpfter Potenziale von Wasserkraft und Biomasse wird die zusätzliche EE-Stromerzeugung primär aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen bereitgestellt werden müssen. Verschiedene, aktuelle Szenarien beleuchten den Ausbau der erneuerbaren Energien vor dem Hintergrund energie- und klimapolitischer Ziele. Die Szenarien zeigen eine relativ große Bandbreite mit einem EE-Anteil im Stromsektor von 54 – 71 % im Jahr 2030 bzw. einer im Jahr 2030 installierten PV-Leistung von 52 – 98 GW. Um das 65 % EE-Ziel im Jahr 2030 zu erreichen ist ein mittlerer jährlicher Bruttozubau von PV in der Größenordnung von 4,1 GW erforderlich (gemäß mittlerem Szenario 2030 B in der Genehmigung des Szenariorahmens 2019-2030 für den Netzentwicklungsplan). Im Jahr 2030 trägt die Photovoltaik damit bei einer installierten Gesamtleistung von rund 90 GW insgesamt rund 86 TWh zur Stromerzeugung bei.

Der derzeitige Bestand von PV-Anlagen auf und an Gebäuden ließe sich angesichts der technischen Potenziale theoretisch ohne Engpässe vervielfachen. Den hohen technischen Potenzialen stehen in der Praxis jedoch verschiedene Hemmnisse entgegen. Um das Erreichen des 65 %-Ziels zu gewährleisten, ohne dabei überhöhte Anreize setzen zu müssen, ist es daher erforderlich, neben dem Ausbau von PV auf und an Gebäuden gleichzeitig die bestehenden Potenziale von Freiflächenanlagen zu nutzen.

Die Erzeugungskosten von Photovoltaikstrom, insbesondere des mit Freiflächenanlagen bereitgestellten Stroms, sind in den vergangenen Jahren erheblich gesunken und konkurrenzfähig mit Windenergie an Land. Strom aus PV-Freiflächenanlagen kann deshalb einen kosteneffizienten Beitrag zum Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien leisten. Die Kosteneffizienz kann durch eine weniger restriktive Flächenkulisse und den Abbau weiterer Restriktionen erhöht werden.

Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Kurzstudie verschiedene Varianten zum weiteren Ausbau der Freiflächen-PV in Deutschland untersucht. Neben einer Fortschreibung des Ausbaupfades gemäß EEG 2017 („Basisszenario“) wird bei bestehender Flächenkulisse ein für das Erreichen des 65 % EE-Ziels notwendiger Zubaupfad als Referenzszenario untersucht („Basis 65 %“). Darüber hinaus werden Varianten von gegenüber dem EEG 2017 gelockerte (Flächen-)Restriktionen definiert und in einem ersten Schritt die daraus resultierenden Potenziale für PV-Freiflächenanlagen ermittelt. Folgende Konstellationen werden betrachtet:

  1. Variante 1: Flächenkulisse gemäß EEG 2017 mit Erweiterung der Korridore an Verkehrswegen auf 220 m, Freigabe zusammenhängender Flächen, die in diesen Bereich hineinragen bis 500 m, Wegfall der 10 MW-Größenbegrenzung auf Konversionsflächen.
  2. Variante 2: Zusätzlich zu Variante 1 bundesweite Freigabe von landwirtschaftlichen Flächen in „benachteiligten Gebieten“.
  3. Variante 3: Zusätzlich zu Variante 1 (alternativ zu Variante 2) Freigabe von Ackerflächen mit geringer landwirtschaftlicher Güte und deutlich erhöhter Größenbegrenzung je Anlage. Ausschluss von Grünlandflächen.
  4. Variante 4: EEG-seitig vollständige Flächenfreigabe und Steuerung des Zubaus ausschließlich über Planungsrecht.

Die ermittelten raumverträglichen Flächenpotenziale stehen unter den jeweils gesetzten Kriterien und Annahmen zur Verfügung. Dabei bestehende Unsicherheiten werden durch die Angabe von Spannen abgebildet. Es wird herausgearbeitet, dass sich das gegenwärtig zur Verfügung stehende Flächenpotenzial durch die vorgenommenen Veränderungen der im EEG 2017 geltenden Kriterien nahezu verdoppeln ließe. In Variante 1 führt die Ausweitung der zulässigen Flächen dazu, dass sich das Potenzial an Verkehrswegen um das Zwei- bis Vierfache erhöht. Die deutlichen Erweiterungen des Gesamtpotenzials in Variante 2 und 3 (+ rund 70 % bzw. + rund 95 % gegenüber heute) werden von der Öffnung landwirtschaftlicher Nutzflächen getragen. Auch bei vollständiger Aufhebung der EEGBestimmungen zur Flächenkulisse (Variante 4), wird das geltende Planungs- und Genehmigungsrecht wie auch bisher schon eine vergleichbare Begrenzung und räumliche Steuerung für Solaranlagen in der freien Landschaft bewirken. Die sich daraus ergebenden Potenziale (+ rund 10 % bzw. + rund 50 % gegenüber heute) sind geringer, als dies bei stark gelockerten EEG-Restriktionen der Fall wäre.

Aufbauend auf den Potenzialen erfolgt eine Verknüpfung dieser mit Zubauszenarien, die auf die Erreichung des 65 %-Ziels ausgerichtet sind. Diese erfordern im Ergebnis einen höheren Zubau von PV-Freiflächenanlagen als aktuell im EEG 2017 vorgesehen. Zusätzlich wird dabei der Zubauanteil von Freiflächenanlagen in einer jeweiligen Schwerpunktbetrachtung (Schwerpunkt Dach: 1 GW/a FFA, Schwerpunkt FFA: 2,2 GW/a FFA) variiert.

Die sich ergebenden acht Einzelszenarien werden anschließend hinsichtlich der resultierenden Ausbaukosten und der Flächeninanspruchnahme untersucht und bewertet sowie einem vergleichbaren Zubau im Basisszenario gegenübergestellt.

Die Ausbauszenarien zeigen, dass sich aufgrund der Kostenunterschiede zwischen Dach- und Freiflächenanlagen selbst unter den bestehenden Flächenrestriktionen relativ große Kosteneinsparungen erzielen lassen, wenn der Anteil der Freiflächenanlagen am Zubau erhöht wird. So reduzieren sich die für den Zubau von 2018 bis 2030 auflaufenden Gesamtkosten der PV-Stromerzeugung um 1,8 Mrd. Euro, wenn bei einem jährlichen Gesamtzubau von 4,1 GW der Anteil des Freiflächensegments von 1 GW/a auf 2,2 GW/a gesteigert wird. Durch eine Lockerung der Flächenrestriktionen sind zusätzliche Einsparungen im Umfang von maximal 1,7 Mrd. Euro möglich. Insgesamt ließen sich die kumulierten Kosten der PV-Stromerzeugung im Zeitraum zwischen 2018 und 2030 durch eine Erhöhung des Anteils von Freiflächenanlagen am Zubau und die Öffnung der EEG-Flächenkulisse somit um bis zu 3,5 Mrd. Euro reduzieren.

Aufgrund bereits heute niedriger und zukünftig weiter sinkender Stromgestehungskosten von Freiflächenanlagen wird im betrachteten Zeitverlauf (2018 bis 2030) – je nach Annahmen zu geänderten Kosten durch gelockerte Restriktionen in den Szenarien – der Marktwert für PV-Strom zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschritten, womit neue Freiflächenanlagen keinen Förderbedarf mehr aufweisen und somit das EEG-Konto nicht durch Marktprämienauszahlung belasten. Im Vergleich zu den Ausbaukosten für Dachanlagen fallen die kumulierten Förderkosten2 für Freiflächenanlagen somit relativ gering aus. Insgesamt betragen die maximalen kumulierten Förderkosten für den PV-Zubau zwischen 2018 und 2030 im betreffenden Zeitraum rund 9 Mrd. Euro, mit einem Reduktionspotenzial von 3,5 Mrd. Euro durch die Erweiterung der EEG-Flächenkulisse und einen erhöhten Zubauanteil von Freiflächenanlagen. Allein durch eine Verschiebung des Zubaus hin zu 2,2 GW/a Freiflächenanlagen reduzieren sich die Förderkosten um rund 2 Mrd. Euro.

Durch gelockerte Restriktionen innerhalb des Freiflächensegments besteht weiteres Potenzial zur Senkung der kumulierten Förderkosten um rund 1,5 Mrd. auf in Summe 5,4 Mrd. Euro. Davon entfallen jedoch lediglich gut 0,2 Mrd. Euro auf Freiflächenanlagen und der Großteil auf die Förderung von Dachanlagen. Werden die Förderkosten der Anlagenjahrgänge 2018 bis 2030 im Jahr 2030 auf einen geschätzten, nicht privilegierten Letztverbrauch bezogen, ergibt sich eine Wirkung auf die EEG-Umlage zwischen 0,2 ct/kWh und knapp 0,4 ct/kWh. Im Ergebnis kann ein stärkeres Gewicht auf Freiflächensolaranlagen in Kombination mit einer erweiterten Flächenkulisse dazu führen, dass die Erhöhung des Ausbauziels von 50 auf 65 Prozent in 2030 im Photovoltaik-Segment nahezu förderkostenneutral erfolgen kann.

Zum Ende des Jahres 2017 beanspruchten PV-Freiflächenanlagen in Deutschland rund 27.000 ha Gesamtfläche. Für die Szenarien mit dem Zubauschwerpunkt Freiflächenanlagen steigt die Gesamtflächeninanspruchnahme durch die in den Jahren 2018 bis 2030 neu errichteten Anlagen um rund 32.000 ha auf insgesamt knapp 60.000 ha. Aufgrund der zukünftig weiter sinkenden spezifischen Flächeninanspruchnahme von Neuanlagen ist somit bei Verdopplung der bisherigen Flächeninanspruchnahme eine Verdreifachung der installierten Leistung möglich. Eine besondere Rolle in der Flächendiskussion spielt die Inanspruchnahme von Ackerland, da diese Flächen überwiegend der Produktion von Nahrungsmitteln dienen, andererseits jedoch auch zu energetischen Zwecken in Anspruch genommen werden. Setzt man die in den Szenarien belegten Flächen auf Ackerland sowie an Verkehrswegen (de facto handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle ebenfalls um Ackerflächen) ins Verhältnis zum heutigen Bestand an Ackerflächen von rund 11,7 Mio. ha wird deutlich, dass im Szenario mit der höchsten Inanspruchnahme von Ackerland durch PV-FFA im Jahr 2030 ein Flächenanteil von rund 0,3 % des Ackerlandes beansprucht wird.

Auf Basis der Untersuchungsergebnisse werden die nachfolgenden Empfehlungen abgeleitet:

  • Um das anvisierte Ziel eines EE-Anteils von 65 % im Jahr 2030 zu erreichen, ist der Ausbau von Freiflächenanlagen stärker als bislang vorgesehen voranzutreiben.
  • Zur weiteren Steigerung der Kosteneffizienz von Freiflächenanlagen sind die im EEG geltenden Begrenzungen bestehender Nutzungsmöglichkeiten zu lockern. So sollte der vergütungsfähige Korridor von 110 m an Bundesautobahnen und Schienenwegen erweitert und der 10 MW-Deckel für Anlagen auf Konversionsflächen gestrichen und den geltenden Bestimmungen für Solaranlagen auf sonstigen baulichen Anlagen angepasst werden.
  • Darüber hinaus kann insbesondere eine bundesweite Erweiterung der im EEG zugelassenen Flächenkategorien um landwirtschaftliche Flächen das Flächenpotenzial erheblich steigern und die Ausbaukosten für PV-FFA senken. Je nach Gewichtung der Zielsetzungen kann es jedoch aus naturschutzfachlicher Sicht angebracht sein, Grünland von der Nutzung durch PV-FFA freizuhalten. Die Nutzung von Ackerflächen ist vorrangig in Regionen mit vergleichsweise geringem Flächendruck und an Orten mit geringem landwirtschaftlichem Nutzwert vorzusehen.
  • Parallel bleibt eine planerisch steuernde Flächenpolitik auf regionaler und örtlicher Ebene erforderlich und sollte ggf. gestärkt werden (z. B. durch Vorgaben zur Ausweisung von Gebieten für PV-FFA), auch mit Blick auf einen möglichen Zubau außerhalb des EEG-Rahmens.

-> Quellen: