Klimakabinett weiter beschlusslos

Zweite Sitzung des Kabinettausschusses Klimaschutz

Das Klimakabinett hat am 29.05.2019 im Kanzleramt überlegt, mit welchen konkreten Maßnahmen Deutschland seine Klimaziele bis 2030 möglicherweise doch noch erreichen kann. Offen bleibt allerdings, wie die milliardenschweren Ideen finanziert werden sollen. „Die Bundesregierung bekräftigt ihre Absicht sicherzustellen, dass Deutschland die Klimaziele 2030, auf die es sich international verpflichtet hat, einhält. Das bedeutet Jahr für Jahr deutliche zusätzliche CO2-Reduktionen,“ erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert nach der Sitzung. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sehe die Regierung darin „einen wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit“.

Bundeskanzleramt und Bewässerung – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Dabei leite sie das Ziel, eine „sehr ehrgeizige Reduktion der Treibhausgase im Einklang mit Wohlstand, sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit im gesellschaftlichen Konsens zu erreiche“. Das „konsensuale Ergebnis“ der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ zum Ausstieg aus der Kohleverstromung unter Beteiligung aller Betroffenen sei dafür ein hervorragendes Beispiel.

Nur: Worin genau dieses „konsensuale Ergebnis“ bestand, außer, dass man sich für weitere Diskussionen auf Juli vertagte, konnt Seibert nicht sagen. Daher kam es zu einer inhaltslosen Erklärung: „Die Bundesregierung hat heute in einer ersten Runde über geeignete zusätzliche Maßnahmen in allen Sektoren beraten, die wesentlich zum CO2-Ausstoß beitragen. Das sind insbesondere die Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie die Abfallwirtschaft. Auf der Grundlage der heutigen Beratungen werden die Vorschläge weiter konkretisiert und die nötigen Entscheidungen vorbereitet.“

Als nächsten Schritt werde das Klimakabinett sich dann auf der Grundlage von derzeit in Erarbeitung befindlichen Gutachten im Juli mit der Fragestellung einer CO2-Bepreisung befassen. Im September werde die Bundesregierung die Grundsatzentscheidung über die Gesetze und Maßnahmen treffen und bis Jahresende im Kabinett verabschieden.

Günstigere Bahntickets im Fernverkehr und anderes nicht Beschlossenes

  • Tickets für den Fernverkehr sollen günstiger werden, indem die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent gesenkt wird.
  • Außerdem soll der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und die staatliche Prämie für den Kauf von Elektroautos verlängert und deutlich erhöht werden.
  • Für den Autoantrieb durch Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie soll es ein milliardenschweres Förderprogramm geben.
  • Außerdem will Scheuer viel stärker als bisher Kraftstoffe einsetzen, die aus Pflanzen und aus Strom gewonnen werden, also etwa Biosprit.
  • Innenminister Horst Seehofer will Hausbesitzern einen Steuerbonus für energetische Gebäudesanierungen anbieten.
  • Agrarministerin Julia Klöckner will unter anderem strengere Düngeregeln durchsetzen.
  • Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD ist für eine CO2-Steuer, die Union hat sich allerdings schon klar dagegen ausgesprochen.

Greenpeace: Maßnahmen sollten weh tun

Kritik kam unter anderem von Greenpeace. Geschäftsführer Martin Kaiser sagte: „Es ist peinlich, dass sich die Koalition nach dieser eindeutigen Europawahl beim Klimaschutz wieder mal vertagt.“ Die Menschen wollten Klarheit, wann welches Kohlekraftwerk abgeschaltet werde, wann klimaschädliche Autos von den Straßen verschwinden. Die Koalition verwalte nur noch den Stillstand. Maßnahmen für mehr Klimaschutz müssten auch weh tun: Autofahren und Fliegen müssten teurer werden.

Anja Weisgerber (CDU/CSU-Beauftragte für Klimaschutz): „Wir gehen den Klimaschutz konkret an. Das bedeutet, dass wir sehr viele Maßnahmen zur CO2-Reduzierung in allen Sektoren auf den Weg bringen. Im Klimakabinett kommen wir heute einen großen Schritt voran. Denn die zuständigen Fachminister stellen ihre Maßnahmen vor, mit denen CO2 eingespart wird. Diese Maßnahmen fließen alle in ein umfassendes Klimaschutzgesetzgebungspaket ein, das es dieser Form noch nicht gegeben hat. Damit stellen wir ganz konkret die Weichen für mehr Klimaschutz – vor allem über technologische Lösungen zur CO2-Einsparung. Das bringt auch Chancen für Wirtschaft und Arbeitsplätze mit sich. Alle notwendigen Gesetzesänderungen müssen so schnell wie möglich kommen. Da wird unsere Fraktion nicht lockerlassen. Denn dieses Jahr ist das Schicksalsjahr für die Klimaschutzpolitik.“

Besonders erfreulich sei, dass Bundesbauminister Horst Seehofer angekündigt habe, die energetische Gebäudesanierung zu fördern. Damit hätten diejenigen Eigentümer dann steuerliche Vorteile, die ihr Haus klimafreundlich sanierten. Das haben wir die ganze Zeit gefordert. Dieses Gesetz müsse jetzt kommen und die Bundesländer müssten zustimmen. Das sei nur ein Beispiel für die notwendigen Maßnahmen in allen Sektoren. „Für uns ist wichtig, dass das Gesamtkonzept technologieoffen ist und Anreize für Innovationen enthält. Am Ende wird Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigen müssen, wie ernst er es meint mit dem Klimaschutz. Denn er muss die notwendigen finanziellen Mittel zur Umsetzung der Maßnahmen zur Verfügung stellen.“

BEE: Bundesregierung muss jetzt liefern – technische Lösungen sind vorhanden 

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), sagte vor Beginn der Sitzung: „Das Klimakabinett muss nun zügig konkrete Maßnahmen auf den Tisch legen, damit die Weichen für das Erreichen der Klimaziele 2030 gestellt werden“. Hierzu sei deutlich mehr Engagement aller Bereiche erforderlich. „Die Bundesregierung muss jetzt liefern.“

Der Entwurf aus dem Bundesumweltministerium dürfe jetzt nicht verwässert werden. Alle Ressorts hätten sich zur Einhaltung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Klimaziele verpflichtet. Nun sei es die Aufgabe des Klimakabinetts, die Emissionsminderungen präzise und verbindlich zu beschreiben. „Ein klimafreundlicher Verkehr, eine emissionsarme Strom- und Wärmeversorgung sowie die intelligente Kopplung der Sektoren bilden den Rahmen für effektiven Klimaschutz. Ihn mit konkreten Maßnahmen zu füllen, ist Aufgabe der Politik.“ Die Erneuerbare-Energien-Branche hat hierzu eine große Bandbreite sauberer Technologien entwickelt – leistungsstark und vielfach bereits wettbewerbsfähig -, die jetzt einsetzbar seien. „Die Bundesregierung kann diese aufgreifen, um die eigenen Ziele zu erreichen.“

Um schnell Fortschritte beim Klimaschutz zu erreichen und gleichzeitig der Industrie einen stabilen Rahmen zu geben, müsse das 65-Prozent-Ziel im Strombereich mit zeitlich definierten Ausbaupfaden für die einzelnen Erneuerbare Energien unterlegt werden. Der BEE hatte dafür jüngst ein Szenario vorgelegt. Um ausreichend Ausschreibungsvolumina bei Windenergie an Land zu generieren, sei durch ein entsprechendes Raumordnungs- und Planungsbeschleunigungsgesetz eine Flächenkulisse von zwei Prozent notwendig. Für Offshore-Wind bietet eine Erhöhung der Ausbauziele auf 20 GW bis 2030 den notwendigen Rahmen. Pro Jahr sollten 10 GW Photovoltaik neu installiert werden, dazu müssten der 52-GW-Ausbaudeckel sowie weitere Marktbarrieren schnellstmöglich abgebaut werden. Die Festlegung von Ausschreibungsvolumina im EEG sowie weitere Verbesserungen im Ausschreibungsdesign sei für Bioenergieanlagen essentiell, um den Rückbau tausender Anlagen abzumildern. Längere Realisierungsfristen würden speziell im Holzbereich sowie bei Abfall- und Reststoffanlagen zudem neue Projekte zulassen. Für die kleine Wasserkraft sollte die ökologische Modernisierung der Anlagen gefördert und eine neue Vergütungsstufe für Anlagen bis 150 kW Leistung eingeführt werden.

Eine CO2-Bepreisung im Strom- und Wärmesektor würde darüber hinaus schnell Dynamik in die Emissionseinsparung bringen, da es den klimaschädigenden CO2-Ausstoß mit Kosten belegt und stattdessen saubere Energieträger sowie Energiesparen belohnt. Für einen sozialen Ausgleich sei zu sorgen, auch dafür lägen bereits verschiedene Konzepte, unter anderem vom BEE, auf dem Tisch. Zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudebereich wird ein Gebäudeenergiegesetz benötigt, das ambitionierte Standards und steuerliche Anreize setzt. Im Verkehrsbereich müssten alternative Antriebe und erneuerbare Kraftstoffe gegenüber fossilen eine klare Bevorzugung erhalten und der Ausstieg aus dem mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Verbrennungsmotor bis 2030 beschlossen werden. „Deutschland hat eine starke, leistungsfähige Industrie und ist innovationsstark. Beste Voraussetzungen, um wieder Vorreiter beim Klimaschutz zu werden.“

Ulrich Lange, für Verkehr, Bauen und Wohnen zuständiger stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Wer A sagt, muss auch B sagen: ohne Steckdose fährt kein Elektroauto. Um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen, muss die Elektromobilität als eine Schwerpunkttechnologie noch stärker unterstützt werden. Deswegen brauchen wir schnell ein angepasstes Regelwerk mit Anreizen für den Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Der erwartete Hochlauf von Elektrofahrzeugen wird nur gelingen, wenn im öffentlichen und privaten Parkraum genügend Ladesäulen vorhanden sind. Das Maßnahmenpaket, das Bundesminister Andreas Scheuer heute im Klimakabinett vorgestellt hat, ist dafür der richtige Weg und muss zügig umgesetzt werden. Die Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch. Für den Gebäudesektor werden wir das Klimaschutzziel 2030 nur erreichen, wenn endlich die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung kommt. Das ist die entscheidende Maßnahme, um den Wohnungsbestand zu sanieren und damit den Wärmebedarf deutlich zu reduzieren.“

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