Aufforsten gegen die Klimakatastrophe

Forschungsergebnisse aus der Schweiz und den USA

Bäumepflanzen kann entscheidend gegen die Erderwärmung wirken, haben Forscher der ETH Zürich jetzt herausgefunden, wie Sinan Reçber im Berliner Tagesspiegel schreibt (und auch die ARD-Tagesschau berichtete) –  das sei die Erkenntnis einer aktuellen Untersuchung. „Die wichtigste Waffe gegen die Klimakrise sind Bäume“, habe  Jean-François Bastin Forscher am Crowther Lab, Abteilung für Umweltsystemwissenschaften des Instituts für Integrative Biologie der ETH-Zürich am 03.07.2019 in Berlin gesagt. Der gleichen Meinung sind seine Kollegen Robin Chazdon, USA, und Pedro Brancalion, Brasilien.

Laubwald im Frühling – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Beide haben ihre Erkenntnisse eben in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht: Die Weltgemeinschaft könnte zwei Drittel der anthropogenen CO2-Emissionen binden, wenn sie Wälder im globalen Maßstab aufforste. Laut der Untersuchung könnte die weltweite Waldfläche um 0,9 Milliarden Hektar vergrößert werden – etwa die Fläche der Vereinigten Staaten.

Den ETH-Berechnungen zufolge könnten die so gepflanzten Bäume 750 Mrd. t CO2 binden, sobald sie ausgewachsen sind. Diese Menge entspricht zwei Dritteln des CO2-Budgets, das noch übrig bleibt, um unterhalb der Zwei-Grad-Grenze zu bleiben. Die Erde könne ein Drittel mehr Wälder vertragen, ohne dass Städte oder Agrarflächen beeinträchtigt würden, schreiben Forscher in ihrer Studie. „Die Regierungen müssen diese Erkenntnisse nun in ihre nationalen Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels einbeziehen“, forderte Bastin in Gegenwart von Entwicklungsmminister Gerd Müller (CSU) dessen Ministerium die Studie mitfinanziert hatte.

Mitautor  Prof. Tom Crowther, Gründer des nach ihm benannten Lab an der ETH, mahnte in der gleichen Pressekonferenz zur Eile: „Es wird Jahrzehnte dauern, bis diese neuen Wälder entstehen, wachsen und ihr volles Potenzial erreichen. Deshalb müssten wir sofort mit der Wiederaufforstung beginnen, bestehende Wälder schützen und aufhören, fossile Brennstoffe zu benutzen.“ Nicht nur die Wachstumszeit müsse berücksichtigt werden: Selbst wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt bleibe, könnte die fruchtbare Fläche für Wälder bis Mitte des Jahrhunderts um ein Fünftel schrumpfen, wie die Modellrechnungen ergaben. Um herauszufinden, welche Flächen der Erde sich für Aufforstung eignen, haben die Geographen und Biologen fast 80.000 hochauflösende Satellitenbilder mittels künstlicher Intelligenz untersucht.

Zwei Artikel in Science
1. Die Wiederherstellung von Wäldern als Mittel zu vielen Zwecken – von Robin Chazdon, USA, und Pedro Brancalion, Basilien

Die Erde nähert sich den Umweltschwellenwerten, die, wenn sie überschritten wird, schwerwiegende Störungen für Ökosysteme, Wirtschaft und Gesellschaft verursachen werden. Um die verheerenden Auswirkungen von Klimawandel und Biodiversitätsverlust zu vermeiden, muss die Menschheit native Ökosysteme schützen und wiederherstellen. Internationale Konventionen und Organisationen unterstützen die Walderneuerung als Methode zur Minderung gefährlicher Umweltverschiebungen, aber es bleibt die Frage, wo und wie diese Wiederherstellungsbemühungen konzentriert werden können. Auf Seite 76 der Science-Ausgabe beschreiben Bastin et al. einen neuen Ansatz, der unser Verständnis der globalen Baumverteilung verbessert.

2. Das globale Potenzial der Baumwiederherstellung – von Jean-Francois Bastin,  Jelena Finegold, Claude Garcia, Danilo Mollicone, Marcelo Rezende, Devin Routh, Constantin M. Zohner und Thomas W. Crowther

Die Wiederherstellung von bewaldetem Land auf globaler Ebene könnte dazu beitragen, den atmosphärischen Kohlenstoff zu erfassen und den Klimawandel zu mildern. Bastin et al. verwandten direkte Messungen der Waldbedeckung, um ein Modell des weltweiten Waldrestaurierungspotenzials zu erstellen (siehe die Perspektive von Chazdon und Brancalion). Ihre räumlich eindeutigen Karten zeigen, wie viel zusätzliche Baumbedeckung außerhalb der bestehenden Wälder sowie der landwirtschaftlichen und städtischen Flächen existieren könnte. Ökosysteme könnten weitere 0,9 Milliarden Hektar zusammenhängenden Waldes unterstützen. Dies würde eine Zunahme der Waldfläche um mehr als 25 % bedeuten, darunter mehr als 500 Milliarden Bäume und mehr als 200 Gigatonnen zusätzlichen Kohlenstoff bei Fälligkeit. Eine solche Änderung hat das Potenzial, den atmosphärischen Kohlenstoffpool um etwa 25% zu reduzieren.

Die Wiederherstellung von Bäumen gehört nach wie vor zu den effektivsten Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir haben die globale potenzielle Baumabdeckung kartiert, um zu zeigen, dass unter dem aktuellen Klima 4,4 Milliarden Hektar Vordachabdeckung existieren könnten. Unter Ausschluss der bestehenden Bäume sowie der landwirtschaftlichen und städtischen Gebiete haben wir festgestellt, dass es Platz für zusätzliche 0,9 Milliarden Hektar Überdachung gibt, auf denen 205 Gigatonnen Kohlenstoff in Gebieten gespeichert werden könnten, die natürlich Waldflächen und Wälder unterstützen würden. Dies unterstreicht die weltweite Wiederherstellung der Bäume als unsere bisher effektivste Lösung zum Klimawandel. Der Klimawandel wird jedoch diese potenzielle Baumabdeckung verändern. Wir schätzen, dass, wenn wir nicht von der aktuellen Trajektorie abweichen können, die globale potenzielle Haubenbedeckung bis 2050 um ~223 Millionen Hektar schrumpfen könnte, wobei der überwiegende Teil der Verluste in den Tropen anfällt. Unsere Ergebnisse zeigen die Chancen des Klimaschutzes durch die globale Baumwiederherstellung, aber auch den dringenden Handlungsbedarf.

Aufforsten nicht überall und nur gut – dem Bergklima bekommt es nicht

Wie alles, ist auch das Thema Aufforstung differenziert zu sehen. Am o6.06.2019 schrieb Christine Arnold im Schweizer Wissenschaftsmagazin Horizonte: „Bäume nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf. Was global gut ist, kann regional zu einer Erwärmung führen. Neue Modelle sollen zeigen, wo Aufforstung klimafreundlich wirkt.“ Die Rechnung „Bäume = gut fürs Klima“ gehe nicht immer auf. Verbuscht und verwaldet eine offene Landschaft, verändern sich dadurch Eigenschaften der Erdoberfläche. Zum Beispiel sinke ihr Rückstrahlvermögen – die sogenannte Albedo –, und die Fläche absorbiert mehr einfallende Sonnenstrahlung. Damit ändere sich das lokale Klima, das Gebiet wird wärmer.

Eine internationale Studie vergleiche nun, wie neun Klimamodelle zwei theoretische Extremzustände simulieren: Im ersten Fall gingen die Forschenden von einem Europa ganz ohne Wald aus. Im zweiten Fall nahmen sie eine maximal mögliche Bewaldung an. Das sei ein methodisch neuer Ansatz, erklärt Studienleiter Edouard Davin von der ETH Zürich: „Mit dem Vergleich dieser idealisierten Annahmen konnten wir analysieren, wie empfindlich bestehende Klimamodelle auf eine Änderung der Landnutzung sind.“

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