Größte Effizienz-Siedlung der Welt

Gekühlt wird mit Fernwärme

Eine Herausforderung ist im Passivhaus stets der Umgang mit der Klimatisierung, weil auch diese natürlich möglichst energieeffizient erfolgen soll. In einem vernünftig konzipierten Wohnhaus ist eine solche nicht nötig, Verschattungselemente und nächtliche Durchlüftung vermeiden eine zu starke Überhitzung. In gewerblich genutzten Objekten ist das anders. Wo viel Abwärme entsteht, etwa durch den Betrieb von Servern, kommt man um eine Kühlung oft nicht herum. Das gleiche gilt dort, wo viele Menschen die Raumluft erwärmen, im Kino etwa.

Für das Kino in der Heidelberger Bahnstadt haben die Stadt als Baubehörde und die Stadtwerke als Energielieferant zusammen eine effiziente Lösung für die Klimatisierung entwickelt, die dem Passivhaus-Gedanken gerecht wird: Gekühlt wird mit Fernwärme. Die Wärme, die im Sommer mit 85 Grad im Gebäude ankommt, wird mit einer Adsorptionskältemaschine zur Erzeugung von Kälte genutzt. Eine solche sorptionsgestützte Kühlanlage wird nicht mit elektrischer, sondern mit thermischer Energie angetrieben, was deutlich effizienter ist. Eine klassische Kompressionskältemaschine kommt in dem Kino nur noch zur Abdeckung von Spitzenlasten zum Einsatz. „Wir kommen so auf eine Jahresarbeitszahl von sechs“, sagt Persch, der zuständige Mitarbeiter im Umweltamt. Das heißt: Aus einem Anteil Strom werden sechs Anteile Kälte gewonnen.

Die Wärmeversorgung des gesamten Stadtteils erfolgt durch das Holz-Heizkraftwerk im Nachbarstadtteil Pfaffengrund. Das dort verwendete Holz stamme aus der Landschaftspflege in der Region, betont die Stadt. Es werde aus einem Umkreis von 50 Kilometern angeliefert.

Preislich auf Augenhöhe mit Bau auf Basis der Energieeinsparverordnung 

Für Wohnungsinteressenten stellt sich bei einem solch ambitionierten Vorhaben natürlich die Frage der Kosten. Die Antwort mag überraschen: Die lägen auf Augenhöhe mit den Kosten eines Baus auf Basis der Energieeinsparverordnung (EnEV), sagt Persch. Wie kann das sein? Der Mitarbeiter des Heidelberger Umweltamtes erklärt das mit der kompakteren Bauart. Weil Passivhäuser es nahelegen, die Gebäudehülle in Relation zur Wohnfläche möglichst knapp zu halten, wird eher mal auf Erker und ähnliche Elemente verzichtet. Trotzdem, sagt Persch, gelinge eine „interessante Architektur“.

Vier bis fünf Stockwerke sind die Häuser hoch, manche auch sechs. Sie werden überwiegend von Bauträgern realisiert. Aber auch einzelne Baugruppen sind auf dem Gelände aktiv, also Bauwillige, die gemeinsam ohne einen Bauträger ein Grundstück kaufen und in Eigenregie bebauen. Am Ende werden rund die Hälfte der Wohnungen Eigentumswohnungen sein, die andere Hälfte Mietwohnungen.

Nachfrage lässt Preise steigen

Dass die Wohnungen in der Bahnstadt heute für stattliche Preise von zumeist 4.500 bis 5.000 Euro pro Quadratmeter angeboten werden, liegt nicht am Baukonzept, sondern schlicht an der Entwicklung des Immobilienmarktes. Vor sieben Jahren, als die ersten Bewohner einzogen, hätten die Preise noch um 3.000 Euro gelegen, heißt es in der Stadtverwaltung – bei seither unverändertem Baukonzept. Heidelberg erlebte eben den gleichen Preisanstieg, den alle beliebten Städte in den vergangenen Jahren verzeichneten, seit Investoren sich angesichts der Niedrigzinsen um alle verfügbaren Objekte balgen.

4.200 Menschen sind bislang in dem neuen Heidelberger Stadtteil eingezogen. Im Jahr 2022 sollen es dann insgesamt zwischen 6.500 und 6.800 Menschen sein, die in den 3.700 Wohneinheiten ein neues Zuhause finden. Zudem sollen zwischen 5.000 und 6.000 Arbeitsplätze in dem Stadtteil entstehen. Damit würde die Bahnstadt sogar einen Überhang an Einpendlern haben – es entsteht offenbar ein aktiver Stadtteil in Passiv-Bauweise.

„Stadt der kurzen Wege“

Unterdessen haben die Stadtplaner auch die Hoffnung, dass möglichst viele Menschen in ihrer direkten Umgebung arbeiten werden. Als „Stadt der kurzen Wege“ konzipiert, wird alles für den täglichen Bedarf im Viertel angeboten, Jobs sollen zum Beispiel in dem 22 Hektar großen Bahnstadt-Campus geschaffen werden, dessen Herzstück das Büro- und Laborgebäude SkyLabs darstellt. Auch soll es in einem anderen Gebäude mit rund 19.000 Quadratmetern viel Raum für Forschung und Hightech-Unternehmen geben.

Man greife ein Prinzip auf, das sich in der Heidelberger Altstadt seit Jahrhunderten bewähre, betont die Stadt: die enge Verzahnung von Wissenschaft, Gewerbe, Wohnen und Kultur in einem Quartier. So gehen in der Bahnstadt neue Bautechnik und uralte Erkenntnisse der Stadtplanung eine interessante Symbiose ein.

Bernward Janzing, geb 1965 in Furtwangen (Schwarzwald), studierte Geographie, Geologie und Biologie in Freiburg und Glasgow, schrieb in seiner Abschlussarbeit bereits 1993 über „Immissionsbelastung durch NO2 und nitrathaltige Folgeprodukte im Freiburger Stadtgebiet. Janzing ist freier Mitarbeiter zahlreicher Zeitungen, mehr fach ausgezeichnet und hat mehrere Bücher geschrieben (u.a. „Vision für die Tonne“, „Solare Zeiten“, „Störfall mit Charme“ und Windgesichter – Aufbruch der Windenergie in Deutschland“)

Dieser Artikel erschien zuerst auf klimareporter.de, dann im Schweizer Portal ee-news.ch.

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