Neues von Energy-X

Schlögl im DLF: „Die Aufgabe besteht nicht darin, zu sagen: ‚Das geht nicht!'“

In einem am 21.10.2019 in der Sendung „Forschung aktuell“ des Deutschlandfunks ausgestrahlten Interview ging Schlögl auf die Chancen für die Energiewende ein, die durch Energy-X ermöglicht werden können. Ausgangsfrage war, wie der Umbau der Industrie hin zu nachhaltigen Prozessen gelingen könnte, dass sie klimaneutral arbeite…

Schlögl: „Es geht darum, die Erneuerbare Energie dazu verwenden, Kohlenstoff im Kreislauf zu führen. In der jetzigen Wirtschaft verwenden wir Kohlenstoff nicht im Kreislauf, wir graben ihn aus dem Boden, machen unsere Chemieprodukte daraus und blasen dann CO2 in die Luft, und dann ist der Kohlenstoff verloren. Das bringt uns nicht nur die Klimaprobleme, sondern das bringt uns auch ein Rohstoffproblem, denn Kohlenstoffe, die wertvoll sind, die nicht Kohle sind, werden immer seltener auf unserem Planeten, und wir müssen uns für die chemische Industrie und für die Materialindustrie ohnehin um eine neue Quelle für den Kohlenstoff kümmern. Mithilfe von Erneuerbarer Energie werden wir in der Lage sein, Kohlenstoff im Kreislauf zu führen, genauso, wie die Natur das auch tut: Sie nimmt Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid und verwandelt das mit Hilfe der Photosynthese in Materialien und Wertstoffe und veratmet diese dann wieder zu Kohlendioxid, und auf die Weise wird der Kreislauf geschlossen. Genau dasselbe können wir natürlich auch mit einem künstlichen Kreislauf machen, indem wir Erneuerbare Energie als die Pumpe verwenden und Kohlendioxid quasi als eine Art chemische Batterie.

Haben Sie dafür eine Technologie, eine Schlüsseltechnologie identifiziert, wo die höchste Forschungspriorität ansetzen sollte?

Es gibt eine solche Technologie, das ist die Katalyse: Denn alle diese Prozesse laufen natürlich nicht freiwillig ab, insbesondere dann nicht, wenn wir Erneuerbare Energie in Molekülen speichern wollen, das kann nur mit Katalyse gelingen. Aber wir sind weit davon entfernt, überhaupt zu wissen, wie gut Katalyse überhaupt noch werden kann. Die Natur macht uns vor, dass Katalyse unendlich viel besser sein kann als die technischen Verfahren, die wir heute einsetzen.

Wenn man geeignete Katalysatoren gefunden hat – welche chemischen Reaktionen könnte man denn damit dann beschleunigen – denn Katalysatoren sind ja Reaktionsbeschleuniger – die eben uns dabei helfen könnten, die Industrie umzubauen, aufzustellen auf eine Basis aus Erneuerbaren Energien?

Die wesentlichen Fragen sind natürlich ganz am Anfang der Wertschöpfungskette zu klären, das heißt, wir müssen Wasser spalten – in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen – dazu brauchen wir elektrische Energie . Das ist der erste katalytische Prozess, den wir haben, und der zweite ist, den gewonnenen Wasserstoff möglichst energiegünstig mit Kohlendioxid zu einem Plattformmolekül umzusetzen, das man in der chemischen Industrie weiterverwenden kann. Das voraussichtliche Plattformmolekül wäre dabei Methanol. Diese ganz einfachen Reaktionen, also zwei oder drei, sind eigentlich die Prozesse, die uns am meisten beschäftigen, denn die Prozesse, die hernach zum Stoffaufbau verwendet werden, sind sehr ähnlich denen, die wir heute schon kennen. Diese Prozesse funktionieren eben heute schon, während die erstgenannten heute nicht in einer Form funktionieren, dass man sie zu einer welt-skalierten Form einsetzen könnte.

Wenn man das im Labor beherrscht, dann heißt das ja aber noch lange nicht, dass es auch auf industrieller Skala funktioniert, denn die könnte ja  ganz neue Herausforderungen mit sich bringen. Wie problematisch ist denn dieses sogenannte Upscaling?

Robert Schlögl in der Berliner Urania - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Robert Schlögl in der Berliner Urania – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das ist nur das Problem. Das ganze Energy-X rankt sich eigentlich da herum. Was sie völlig richtig erkannt hatten, im Labor kann man Verfahrensschritte und Materialien als Katalysatoren einsetzen, die einfach in großen Mengen nicht darstellbar zu viel Energie verbrauchen oder auf der Welt gar nicht existieren. Das heißt, wir müssen andere Wege finden, wenn wir das auf große Skalen übersetzen, als die Wege, die wir im Labor verwenden. Und diese anderen Wege zu suchen, das ist das Kernproblem, das wir in Energy-X ansprechen.

Und wie weit glauben Sie, lässt sich denn eine nachhaltige Industrie überhaupt ausbauen? Gibt es da gewisse Engpässe, zum Beispiel bei der Verfügbarkeit von bestimmten Katalysatoren?

Heute schon, und zwar sind das die Edelmetalle. Ich verrate kein Geheimnis, das wichtigste Element, das wir zu einem solchen Prozess bräuchten, wäre Iridium, und das ist leider das seltenste Element auf unserem Planeten, aber, nachdem wir wissen, das das in der Natur mit ganz einfachen verfügbaren Metallen auch funktioniert, besteht nicht die Aufgabe darin, zu sagen: „Das geht nicht!“ sondern die Aufgabe besteht darin, nachzumachen, wie können wir leicht verfügbare Metalle mit derselben Funktion ausstatten wie die wertvollen Edelmetalle. Wir wissen, dass das geht; wir sind einfach nur nicht in der Lage, die Komplexität, die die Natur einsetzt, um dieses Problem zu lösen, nachzubauen, bzw. wir wären vielleicht sogar in der Lage, das nachzubauen, aber das wäre einfach viel zu teuer. Wir brauchen also eine günstige Lösung.“

*) Das EU-Projekt ENERGY-X, eine “Coordination and Support Action” im EU-Programm Horizon 2020, ist am 04.03.2019 in Prag gestartet worden. Der Klimawandel zwingt dazu, neue Wege für eine nachhaltige Energiegewinnung und chemische Produktion zu entwickeln und die fossilen Rohstoffe, auf denen diese Branchen bisher beruhen, zu ersetzen. ENERGY-X wird die wissenschaftlichen Grundlagen und Technologien für die wirtschaftliche Produktion von CO2-neutralen Kraftstoffen, Chemikalien und Materialien entwickeln.

Energy-X ist ein groß angelegtes Projekt, das sich einer der größten Herausforderungen unserer Zeit annehmen wird. Gestellt wurde der Antrag am 14.03.2018 im Rahmen des Horizon 2020 Programms von MPI CEC-Direktor Prof. Robert Schlögl und Prof. Jens Nørskov, Direktor des SUNCAT Centers an der Stanford University. Das MPI CEC wird als nationale Koordinierungsstelle fungieren und bspw. Workshops für die zweite Projektphase ausrichten und weitere Projektpartner anwerben.

->Quellen: