IEA setzt jetzt doch mehr auf Erneuerbare Energie

Staaten sollen drei Billionen Dollar in nachhaltige Energie investieren

In einem Sonderbericht zur nachhaltigen Erholung von der Coronavirus-Pandemie hat die Internationale Energieagentur (IEA) am 18.06.2020 einen Plan vorgelegt, wie die Konjunktur mithilfe des Energiesektors angekurbelt werden kann. Der Plan ist auf die Jahre 2021 bis 2023 ausgelegt und wurde zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds erarbeitet, wie Florence Schulz für EURACTIV.de berichtet.

IEA setzt jetzt doch mehr auf Erneuerbare Energie – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Bericht richtet sich mit klaren Worten an die Regierungen der 30 IEA-Mitgliedsstaaten. „Der Grund, warum wir uns so mit dem Bericht beeilt haben, ist, dass Regierungen jetzt innerhalb von kurzer Zeit Entscheidungen mit gewaltigen Auswirkungen treffen,“ sagte der Exekutivdirektor der IEA, Fatih Birol, bei der Präsentation des Berichtes. Die COVID-19-Pandemie sei eine einmalige Chance, die Energiesysteme nachhaltig umzubauen. „Aber wir bei der IEA leben auch nicht auf einem anderen Planeten. Wir wissen, dass viele Regierungen sich derzeit vor allem um ihre Volkswirtschaften und Jobs sorgen,“ so Birol.

2020 könnte letztes Jahr mit steigenden CO2-Emissionen werden

Dementsprechend ist der Bericht als eine Art Wirtschaftsprogramm angelegt, das vor allem Investitionen anregen soll und ein jährliches, globales Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent verspricht. Wirtschaftswissenschaftler hatten errechnet, dass aufgrund der Pandemie das weltweite BIP in 2020 um bis zu sechs Prozent sinken könnte. Die IEA befürchtet darüber hinaus, dass Investitionen in die Energieinfrastruktur in diesem Jahr um 20 Prozent abnehmen könnten. Sie schlägt daher vor, drei Billionen US-Dollar über drei Jahre aus öffentlichen und privaten Quellen in Stromtrassen, Gebäudesanierungen und erneuerbare Energien zu investieren. Dabei soll ein Drittel der Gelder in die Energieeffizienz von Verkehr, Gebäuden und der Industrie fließen.

Damit könnten neun Millionen Jobs erhalten oder neu geschaffen werden, denn allein im Energiesektor seien laut IEA rund drei Millionen Jobs durch COVID-19 in Gefahr. Der klimatische Nebeneffekt: Würden sich die Regierungen an die Empfehlungen halten, könnten jährlich rund 4,5 Milliarden Tonnen an Treibhausgasen eingespart werden.

Zwar geht die IEA davon aus, dass der weltweite CO2-Ausstoß dieses Jahr unmittelbar durch die reduzierte Wirtschaftsleistung um acht Prozent abnehmen könnte – doch aufgrund der derzeit sehr niedrigen Preise für Öl und Gas droht ein sogenannter Rebound-Effekt wie bereits nach der Wirtschaftskrise 2008.

„Dieses Jahr könnte aber das letzte Jahr sein, in dem wir einen Anstieg der CO2-Emissionens sehen,“ hofft Birol. Gegenüber der FAZ sagte er: „Selbst wenn es einer Regierung nur um Wirtschaftswachstum geht und ihr der Klimaschutz völlig egal ist, wäre das eine exzellente Investition.“

Michael Jacobs, Professor für politische Ökonomie an der Universität Sheffield, sieht darin eine wichtige Positionierung der IEA. „Für eine Organisation, die traditionell der Öl- und Gasindustrie nahesteht, ist es ein großer Schritt zu sagen, dass Investitionen in fossile Strukturen in die komplett falsche Richtung gehen,“ sagt er gegenüber EURACTIV.de.

Allerdings vermisst er konkretere Aussagen: Zum einen erwähne die IEA nicht die individuellen Verpflichtungen der Länder (NDCs) im Rahmen des Pariser Abkommens, die als Grundlage für die Konjunkturmaßnahmen dienen sollten. Zum anderen sei keine Rede von den bereits laufenden massiven Unternehmenshilfen: „Da hätte man sehr klar machen müssen, dass es nicht ok ist, Fluggesellschaften oder Ölfirmen bedingungslos zu unterstützen.“

15 Milliarden für Atomstrom

Der Konjunkturplan der IEA setzt vor allem auf Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien. So sollen die Investitionen in Stromtrassen um 40 Prozent angehoben werden und sich auf 110 Milliarden US-Dollar belaufen; hinzu kommen 180 Milliarden Dollar für Wind- und Solaranlagen sowie 20 Milliarden Dollar für Wasserkraft.

Auch Atomstrom sei laut Birol „eine wichtige Stellschraube, um die CO2-Emissionen zu reduzieren“. 15 Milliarden Dollar sollten daher in den Erhalt und den Ausbau neuer Atomkraftwerke fließen.

Um den gesamten Energieverbrauch zu reduzieren, sollten die Regierungen insgesamt 250 Milliarden Euro in die Sanierung von Gebäuden investieren, zum Beispiel indem sie Investitionen in Form von Auktionen und Zuschüssen ankurbeln.

Dazu solle im Verkehrsbereich der Gebrauch von CO2-neutralen Kraftstoffen und von E-Autos gefördert sowie der öffentliche Nahverkehr mit 30 Milliarden Dollar unterstützt werden. Insgesamt ließen sich damit der Ölbedarf um zwei Millionen Barrel pro Tag im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einsparen, so die IEA.

Weitere 70 Milliarden Dollar sollen in die Industrie fließen, um dort die Umrüstung auf elektrische Anlagen oder Wärmepumpen zu ermöglichen. „Hilfen für den industriellen Sektor sollten sich auf die Reduktion von Methanemissionen konzentrieren,“ heißt es allerdings.

Von einem Ende der Förderung fossiler Brennstoffe ist in dem Programm allerdings nicht die Rede.  Stattdessen heißt es, die derzeit sehr günstigen Öl- und Gaspreise böten eine Gelegenheit, „ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe ohne Erhöhung der Endverbrauchspreise“ abzubauen. Außerdem solle in CO2-Abscheidungs- und Speicherungstechniken investiert werden: 45 Milliarden Dollar sieht der Bericht für CCU/CCS vor.

Kritik an der IEA für ihre Nähe zum „fossilen Sektor“

Die IEA gilt gemeinhin als wichtige Stimme für die Energiepolitik vieler Staaten. In der Vergangenheit  war sie dafür kritisiert worden, Regierungen weiterhin zu Investitionen in fossile Brennstoffe zu raten. In ihrem im Februar erschienen Länderbericht für Deutschland mahnte die IEA beispielsweise zwar den Ausbau erneuerbarer Energien an, doch sie befand auch, dass Erdgas „temporär die beste Lösung“ sei und Deutschland mehr in seine geplante LNG-Infrastruktur investieren solle.

Mit Blick auf den anstehenden Erholungsbericht der IEA schrieb schon im Vorfeld eine Allianz aus 70 Investoren, Unternehmen, NGOs und Wissenschaftlern Ende Mai einen Brief an Fatih Birol. Darin drängten sie ihn, keine Empfehlungen auszusprechen, die „eine CO2-intensive Zukunft mit verheerender Wirkung festschreiben“ würden.

Inwiefern sich die Mitgliedsstaaten der IEA an deren Ratschläge halten werden, wird sich zeigen. Der Ökonom Jacobs ist optimistisch, dass dies zumindest in der EU der Fall sein werde. „Das Problem sind aber die Entwicklungsländer. Sie werden Hilfe brauchen. Hilfe, die ihnen derzeit nur zögerlich von internationalen Banken gegeben wird.“

->Quelle:  Euractiv.de/iea-staaten-sollen-drei-billionen-dollar-in-nachhaltige-energie-investieren