Klimaschäden für Weltwirtschaft dreimal so hoch wie gedacht

Bis 2100 drohen 14 Prozent Verlust der Wirtschaftsleistung

Die menschengemachte Erwärmung des Planeten wird Produktion und Wohlstand in aller Welt voraussichtlich deutlich stärker beeinträchtigen als durch bisherige Modellstudien beziffert: Eine empirische Untersuchung unter MCC-Federführung kommt auf 7 bis 14 Prozent Verlust der Wirtschaftsleistung im Jahr 2100. Jede Tonne CO2, die 2020 emittiert wird, verursacht umgerechnet 76 bis 148 Euro Schäden. Zu diesem Ergebnis kommt, auf Basis empirischer Daten aus 1.500 Regionen in 77 Ländern der Erde, eine neue Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Brennender Regenwald mit herumirrendem Vogel – Foto © Solarify

Die jetzt im Journal of Environmental Economics and Management veröffentlichte Studie hat Auswirkungen auf die politische Diskussion, in welcher Höhe die Staaten den Ausstoß von CO2 bepreisen und auf diesem Wege marktwirtschaftlich reduzieren sollten: Dabei geht es darum, was für Bürger und Unternehmen verkraftbar ist – aber eben auch darum, wie groß der durch den CO2-Ausstoß entstehende Schaden ist. „Unser neuartiger, eigens für diese Arbeit entwickelter Regionaldatensatz liefert ein besonders feinkörniges Bild davon, wie Wirtschaftsleistung mit Temperatur und Niederschlag zusammenhängt“, berichtet Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und Leitautor der Studie. „Dieses feinkörnige Bild projizieren wir dann auf ein Szenario des Weltklimarats IPCC, wonach die globale Klimapolitik keine weiteren ambitionierten Maßnahmen beschließt und die globale Mitteltemperatur im Verlauf des 21. Jahrhundert um 3,7 Grad steigt.“ Demnach würde das globale Bruttosozialprodukt im Jahr 2100, je nach verwendeter Methodik der Datenregression, um 7 bis 14 Prozent geringer ausfallen als ohne weitere Erwärmung. Insbesondere würden die Schäden in tropischen Regionen zu Buche schlagen, mit über 20 Prozent Verlust an Wirtschaftsleistung.

In einem zusätzlichen Schritt hat das Forscherteam auch ermittelt, wie viel Schaden demnach von einer einzelnen Tonne CO2-Ausstoß ausgeht („Social cost of carbon“). Dazu modifizierte es das von dem US-Nobelpreisträger William Nordhaus (siehe solarify.eu/schon-1974-sorge-um-co2-konzentration) entwickelte und weithin genutzte Klima-Ökonomie-Modell DICE (siehe: solarify.eu/un-klimaziele-sind-oekonomisch-sinnvoll). „Wenn man die in diesem Rechenwerk unterstellte Schadensfunktion durch die statistischen Zusammenhänge aus unseren Daten ersetzt, kommt man auf zwei- bis viermal so hohe Kosten“, resümiert MCC-Forscher Kalkuhl. „Unserer Studie zufolge verursacht nämlich jede Tonne CO2, die im Jahr 2020 emittiert wird, wirtschaftliche Schäden in Höhe von 73 bis 142 Dollar in Preisen von 2010 – statt 37 Dollar im DICE-Modell. Das entspricht 76 bis 148 Euro in heutigen Preisen. Im Jahr 2030 liegt die Social cost of carbon, wegen der bis dahin weiter steigenden Temperaturen, bereits fast 30 Prozent höher.“ Zum Vergleich: Der CO2-Preis im europäischen Emissionshandel schwankt derzeit zwischen 20 und 30 Euro pro Tonne; der nationale CO2-Preis in Deutschland beginnt im nächsten Jahr bei 25 Euro und steigt bis 55 Euro im Jahr 2025. Damit spiegeln diese aktuellen CO2-Preise nur einen geringen Teil der Klimaschäden wieder. Nach dem Verursacherprinzip müssten sie deutlich nach oben angepasst werden.

Und der Ansatz der Studie ist noch betont defensiv: „Wir betrachten lediglich die unmittelbaren Folgen des Temperaturanstiegs, nicht die Schäden durch Extremwetter-Ereignisse oder Meeresspiegel-Anstieg“, betont Leonie Wenz, Co-Autorin und stellvertretende Forschungsbereichsleiterin am PIK. „Und wir beziffern nur ökonomische Schäden – außen vor bleibt auch, dass der Klimawandel Ökosysteme zerstört, die Biodiversität vermindert und die Wahrscheinlichkeit von gewaltsamen Konflikten erhöht.“ Wenz weiter: „Klimaschäden treffen unsere Unternehmen und Arbeitsplätze, nicht nur Eisbären und Korallenriffe. Steigende Temperaturen machen uns weniger produktiv, was insbesondere für draußen arbeitende Menschen in der Bauindustrie oder der Landwirtschaft relevant ist. Sie betreffen unsere Ernten und bedeuten zusätzliche Belastungen und damit Kosten für unsere Infrastruktur, weil zum Beispiel Rechenzentren gekühlt werden müssen. Durch die statistische Auswertung von Klima- und Wirtschaftsdaten der letzten Jahrzehnte haben wir festgestellt, dass die aggregierten wirtschaftlichen Schäden durch steigende Temperaturen sogar noch größer sind als zuvor geschätzt. Wir haben dabei die Auswirkungen auf regionaler Ebene untersucht, die ein vollständigeres Bild ergeben als die nationalen Durchschnittswerte.“

Schäden durch Wetterextreme kämen noch hinzu

Frühere Forschungsarbeiten legten nahe, dass ein 1°C heißeres Jahr die Wirtschaftsleistung um etwa 1% reduziert. Die neue Analyse deutet auf Produktionsverluste hin, die in warmen Regionen bis zu dreimal so hoch sind. Indem die Forscher diese Zahlen als Maßstab für die Berechnung künftiger Schäden durch weitere Treibhausgasemissionen verwenden, stellen sie erhebliche wirtschaftliche Verluste fest: 10% im globalen Durchschnitt und mehr als 20% in den Tropen bis 2100. Dies ist immer noch eine konservative Einschätzung:  Die Studie berücksichtigt nicht die erhebliche Schäden, die beispielsweise durch extreme Wetterereignisse und den Anstieg des Meeresspiegels entstehen, da sie für einzelne Regionen oft schwer zu bestimmen sind.

->Quellen und mehr: