Schweizer Unternehmen will jährlich 4.000 Tonnen CO2 versteinern

Climeworks treibt auf Island „Direct Air Capture“ voran

Die Abscheidung von CO2 aus der Luft ist bisher zwar noch teuer, aber sie funktioniert. Immer mehr Klimaforscher sind überzeugt davon, dass sich die globale Erwärmung allein durch sinkende Emissionen nicht stoppen lassen wird. Sie fordern daher sogenannte negative Emissionen – etwa mit der Idee „Direct Air Capture“ (DAC): Kohlendioxid wird direkt der Luft entzogen oder in Produktionsprozessen, bzw. aus klimaneutralen Biomassekraftwerken abgeschieden – sogenannte negative Emissionen. Das Cleantech-Unternehmen Climeworks plant gemeinsam mit dem Carbfix-Projekt und dem Energieversorger ON Power auf Island die Skalierung der sogenannten Carbon Dioxide Removal-Technologie. Mit der neuen Technologie-Generation will Climeworks jährlich 4.000 Tonnen CO2 unterirdisch in Stein speichern. (Foto Direct-Air-Capture-Anlage © Climeworks, Julia Dunlop)

Direct-Air-Capture-Anlage © Climeworks, Julia Dunlop

Im CarbFix Projekt, einem von der Europäischen Kommission im Rahmen der Forschungsprogramme RP7 und Horizont 2020 sowie vom US Department of Energy geförderten Programms sollen durch Feld-, Labor- und Modellstudien Wege entwickelt werden, wie anthropogenes Kohlendioxid in Basalt-Gesteinen gespeichert werden kann. Die Speicherung von CO2 als Karbonatmineralien verbessert signifikant die Speichersicherheit, und könnte die öffentliche Akzeptanz von Carbon Capture and Storage als Klimaschutz-Technologie verbessern. Der logische nächste Schritt für CarbFix ist die CO2-Speicherung in Basalt in größerem Umfang (siehe solarify.eu/doch-co2-speicherung-moeglich). Dies geschieht seit 2006 bereits im Geothermiekraftwerk Hellisheidi von Reykjavik Energy.“

Climeworks hat nach eigenen Angaben am 26.08. „zwei bahnbrechende Verträge unterschrieben: Zum einen mit Carbfix, den Pionieren der Untergrundmineralisierung von CO2, zum anderen mit ON Power, einem isländischen Geothermiekraftwerk. Diese Verträge schaffen die Basisfür eine neue Anlage, die Carbon Dioxide Removal – also das dauerhafte Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre – erheblich skalieren wird. Die neue Anlage wird jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft entfernen. Die Verträge stellen einen Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel dar: Es ist das erste Mal, dass die Technologien der drei Partner Carbon Dioxide Removal in dieser Grössenordnung realisieren. Der Vertrag mit ON Power hält fest, dass Climeworks Anlagen innerhalb des Geothermieparks bauen und dort CO2 mit Climeworks’ Direct Air Capture(DAC)-Technologie aus der Luft filtern wird. Die geothermische Wärme und Energie vo ON Power stellt die konstante Versorgung mit erneuerbarer Energie sicher. Der Vertrag mit Carbfix gewährleistet die Lagerung von CO2 durch natürliche Mineralisierung. Das unterirdische Basaltgestein in Island bietet die idealen Bedingungen für diesen Prozess und ermöglicht dadurch einesichere und dauerhafte CO2-Speicherung. Die Aktivitäten, die diese Verträge verdeutlichen, sind entscheidend, weil eine Skalierung der Direct Air Capture-Technologie zwingend notwendig ist, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die konstante Weiterentwicklung dieser Technologietreibt damit langfristig eine wichtige Lösung im Kampf gegen den Klimawandel voran.“

Jan Wurzbacher, Mitbegründer und Co-CEO von Climeworks: „Diese Zusammenarbeit mit ON und Carbfix ist ein großer Schritt vorwärts bei der Reduzierung des CO2-Gehalts unserer Luft. Der Standort in Island bietet ideale Bedingungen: die Versorgung mit erneuerbarer Energie und einen sicheren und natürlichen Speicherplatz für unser in der Luft abgetrenntes Kohlendioxid. Alle Partner haben bahnbrechende Lösungen entwickelt und sind Experten auf ihrem Gebiet. Wir sind stolz darauf, gemeinsam mit unseren Partnern die dauerhafte und sichere Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf die nächste Stufe zu bringen“. Die DAC-Anlage auf Island werde weltweit die größte ihrer Art sein, so Wurzbacher. Man arbeite aber bereits an der nächsten Generation der Technologie, mit der man mindestens zehnmal so viel CO2 aus der Luft abscheiden möchte. Die modulare Bauweise der Anlage komme dem entgegen. Sie erlaube es, die Technologie in schnellen Schritten zu skalieren.

Edda Sif Pind Aradóttir, Geschäftsführerin von Carbfix: „Die Kombination der firmeneigenen Technologien von Carbfix und Climeworks stellt einen Wendepunkt im Klimaschutz dar, da sie es uns ermöglicht, das bereits in die Atmosphäre ausgestoßene CO2 dauerhaft abzuscheiden und es rasch in den Untergrund zu verwandeln. Durch die weitere Aufskalierung dieser Technologien kann eine Klimakatastrophe vermieden und gleichzeitig ein neuer industrieller Pfeiler für die Weltwirtschaft geschaffen werden. Diese Vereinbarung zwischen Climeworks, ON und Carbfix ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu diesem Ziel“.

Berglind Rán Ólafsdóttir, CEO von ON Power: „Der ON-Geothermiepark ist ein Treffpunkt für Unternehmen, die die Ressourcen des Kraftwerks Hellisheiði auf verantwortungsvolle und nachhaltige Weise nutzen, um Werte zu schaffen und Innovationen im Bereich der Geothermie zu fördern. Diese Vereinbarung bringt uns der Verwirklichung dieser Vision einen großen Schritt näher. Die Zusammenarbeit zwischen ON, Carbfix und Climeworks zeigt, wie innovative Projekte zusammenkommen können, um eine der Lösungen für die globale Erwärmung zu schaffen und zu erweitern. Wir bei ON Power sind immens stolz auf diese Zusammenarbeit und freuen uns darauf, die Arbeit von Climework in Zukunft zu unterstützen“.

Einschätzung von Oxfam – Direkte Luftaufnahme und -speicherung (DACCS)

Die NGO hält DACCS in einem Papier für „eine vielversprechende Option, um der Atmosphäre effektiv Kohlenstoff zu entziehen. Für die gleichen Kosten kann jedoch mit anderen Optionen zehnmal mehr Kohlenstoff entfernt werden (wenn auch selten so schnell oder dauerhaft und mit so viel Zusatznutzen wie bei DACCS). Eine Einzelperson oder ein Unternehmen, die in die Entfernung von Kohlenstoff investieren möchte, könnte in Erwägung ziehen, einen Teil ihrer Investitionen in DACCS zu investieren, um die Entwicklung der Technik voranzutreiben und die Kosten zu senken.
Beschreibung – Mit großen Vorrichtungen wird CO2 aus der Luft abgesaugt und in Filtern aufgefangen, das dann durch Erhitzen der Filter abgeschieden wird. Das CO2 wird dann gespeichert, zum Beispiel in geologischen Formationen entweder als Gas oder in Stein verwandelt. Die direkte Luftabscheidung ohne Speicherung (bei der Verwendung des Kohlenstoffs in Gewächshäusern, bei der Herstellung von Brennstoffen, zur verbesserten Ölgewinnung oder für andere Zwecke) ist keine Technik zur Entfernung von Kohlenstoff. Es gibt keine theoretische Grenze des Potenzials außer dem Lagerraum (der in großem Umfang zur Verfügung steht) und dem Energieeinsatz.
Soziales und ökologisches Risiko – Niedrig. Wenige direkte Risiken für Menschen oder ökologische Systeme (abgesehen von den Berufsrisiken des Baus und der Instandhaltung industrieller Infrastruktur). Die direkte Luftaufnahme hat im Vergleich zu anderen Techniken wie Aufforstung/Wiederaufforstung einen geringen Flächenbedarf. Für 100 Millionen t CO2, die pro Jahr gebunden werden, würden 4000-15 000 Hektar benötigt. Dies kann mit 3 bis 6 Millionen Hektar verglichen werden, wenn BECCS mit Holzbiomasse zur Abscheidung der gleichen Menge verwendet wird. Berücksichtigt man jedoch die erhöhte Energienutzung durch DACCS, so wird auch die Landnutzung (aus neuen Energiequellen) zunehmen.
Zusätzlicher Nutzen – Hoch. Grundsätzlich 100%, wenn die Lebenszyklus-Emissionen berücksichtigt werden. Es gibt keinen anderen Grund für den Einsatz von DACCS als die Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre.
Dauerhaftigkeit – Hoch. Sehr hoch für Solid-State-Speicher. Wenn der Kohlenstoff in feste Form gebracht wird, ist er praktisch für immer fixiert. Wenn er als Gas in die geologische Speicherung gepumpt wird, könnte Gas austreten, aber die Methode wird vom IPCC geschätzt, um 99% des CO2 nach 1.000 Jahren in gut ausgewählten, geplanten und verwalteten Kohlenstoffabscheidungs- und -speicherstätten zurückzuhalten. Weniger gut ausgewählte, konzipierte und bewirtschaftete Standorte haben wahrscheinlich ein höheres Risiko oder erneute Freisetzung.
Geschwindigkeit – Hoch. Sehr schnell. Wenn die Anlagen einmal in Betrieb sind, fangen sie kontinuierlich Kohlenstoff ab.
Hindernisse – Mittel. Enormer Energiebedarf (Wärme und Elektrizität). Mindestens 0,68 GJ/ 0,19 MWh pro t abgeschiedenes CO2, aber wahrscheinlich 10mal so viel. Das würde bedeuten, dass für die Entfernung von 10 Gt CO2 (etwa 30 % der derzeitigen globalen Emissionen) zwischen mindestens 1.888 und (wahrscheinlicher) 18.888 TWh (1,2-12 % des weltweiten Primärenergieverbrauchs) erforderlich wäre. Neben der Energie besteht auch ein enormer Infrastrukturbedarf für den Bau der Anlagen und Speicheranlagen sowie für den Transport des abgeschiedenen CO2, wenn die Abscheidungsanlage nicht an den Ort gebracht wird, an dem das CO2 gespeichert wird.
Weitere Vorteile – Niedrig. Es gibt keine großen offensichtlichen Zusatznutzen, das mit DACCS abgeschiedene CO2 könnte in Baustoffen verwendet werden, die herkömmlichen Beton ersetzen.
Reifegrad
Niedrig. Mehrere Unternehmen arbeiten mit der direkten Luftabscheidung, und mindestens ein in Betrieb befindliches Unternehmen setzt die direkte Luftabscheidung mit Speicherung ein, aber zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Unternehmen noch in einer frühen Anlaufphase. Um die Technik voranzubringen und die Kosten zu senken, sind mehr Forschung und Einsatz erforderlich.
Preis
Hoch. Die geschätzten Kosten liegen heute bei 600-1.000 US$/t CO2, können jedoch auf 100-300 US$/tCO2 sinken, wenn die Technologie erweitert wird. Von einem Anbieter mit fester Lagerung für 600-1.000 Euro pro Tonne an Öffentlichkeit und Unternehmen verkauft.
Potenzial
Hoch. Das Potenzial ist hauptsächlich durch die Kosten und die Energieversorgung begrenzt, kann aber theoretisch um ein Vielfaches größer sein als die derzeitigen THG-Emissionen. Eine Schätzung begrenzt das Potenzial aufgrund praktischer Grenzen auf 0,5-5 Gt CO2/a bis 2050.
Fazit – Die direkte Abscheidung aus der Luft könnte zu einer fortgesetzten Nutzung fossiler Brennstoffe führen, wenn sie auf ein Niveau hochskaliert wird, auf dem es nicht genügend Abwärme und erneuerbare Energie gibt, um die Nachfrage zu befriedigen. Was heute für eine Einzelperson oder ein einzelnes Unternehmen ein wirksamer und nachhaltiger Weg ist, um Kohlenstoff zu entfernen, könnte daher für eine große Gruppe von Unternehmen oder Regierungen, die massiv in die Erreichung ihrer Netto-Null-Ziele investieren wollen, nicht anwendbar sein. Da die Bemühungen zur Beseitigung von Kohlendioxid zunehmen, ist es dringend notwendig, dass die politischen Entscheidungsträger Menschen und Ökosysteme auf der ganzen Welt sorgfältig schützen. Die Bemühungen um die Beseitigung von Kohlendioxid müssen auch gerecht erfolgen, damit die Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen davon profitieren und nicht geschädigt werden.“

Leider hat die Sache einen Haken: Die Wirtschaftlichkeit der CO2-Einlagerung hängt nach Ansicht von Experten nicht ausschließlich vom verwendeten Verfahren ab, sondern maßgeblich auch von den Rahmenbedingungen. Weil es nämlich in Deutschland nur kleine Basaltvorkommen gibt, ist das Verfahren in Mitteleuropa kaum anwendbar. Zudem werden, um eine einzige Tonne CO2 zu mineralisieren, 25 Tonnen Wasser benötigt. Ob das in Zeiten von zunehmend knapper werdendem Süßwasser tatsächlich langfristig für eine großindustrielle Anwendung praktikabel ist, und wie der Untergrund reagiert, wird sich erst noch zeigen müssen.

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