Klimapolitische Anforderungen an Konjunkturpolitik in Coronakrise

Im Wortlaut: Klimapolitische Anforderungen an die Konjunkturpolitik in der Coronakrise

  1. Die Notwendigkeit einer klimapolitischen Bewertung des Konjunkturpakets

Mit dem Konjunkturpaket hat die Bundesregierung das neben dem Klimaschutzprogramm 2030 klimapolitisch bedeutendste Maßnahmenpaket der laufenden Legislaturperiode auf den Weg gebracht. Staatliche und private Investitionen, die aus dem Konjunkturpaket resultieren, beeinflussen nicht nur die kurzfristige Wirtschaftsentwicklung, sondern auch die mitte- lund langfristige Erreichung der deutschen Klimaziele. Nur wenn die heutigen Maßnahmen mit diesen Zielen vereinbar sind, werden sie nachhaltig zu einer wirtschaftlichen Erholung beitragen. Es ist daher dringend geboten, dass das Konjunkturpaket eine ambitionierte Klimaschutzpolitik unterstützt.

Ein gutes Konjunkturpaket muss entsprechend sorgfältig auf Synergien und Konflikte zwischen ökonomischen, sozial- und klimapolitischen Anforderungen geprüft werden.

  • Ein ökonomisch erfolgreiches Konjunkturpaket muss den Angebotsschock lindern, der aufgrund der Corona-Pandemie entstanden ist, da die Produktion und Bereitstellung von Gütern aufgrund der getroffenen Schutzmaßnahmen nur eingeschränkt möglich war. Zudem muss das Konjunkturpaket die Nachfrage stärken, die aufgrund der ökonomisch unsicheren Lage eingebrochen ist. Das Konjunkturpaket sollte auch auf die Stärkung resilienter Strukturen und Wertschöpfungsprozesse ausgerichtet sein.
  • Aus sozialpolitischer Sicht muss das Konjunkturpaket soziale Härten, insbesondere von einkommensschwachen Haushalten, abfedern. Die Lasten der ökonomischen Krise müssen gerecht verteilt werden, um einer sozialen Spaltung vorzubeugen. Dies ist auch unabdingbar, damit das Konjunkturpaket eine breite Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung genießen kann. Dazu sollte auch gewährleistet werden, dass mit dem Konjunkturpaket die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung ihrer Lebenswelt gestärkt wird, vor allem wenn es um Investitionen in neue Infrastruktur, etwa in Richtung Energiewende oder Agrarwende, geht.
  • Aus klimapolitischer Sicht muss das Konjunkturpaket mittel- bis langfristig mit den Klimazielen vereinbar sein und deren Erreichen unterstützen. Die im Konjunkturpaket geplanten Maßnahmen, insbesondere im Abschnitt B „Zukunftspaket“, müssen daher zeitnah hinsichtlich ihrer Ausrichtung an nationalen, europäischen und internationalen klimapolitischen Zielsetzungen bewertet werden. Zusätzlich muss für Kommunen, zivilgesellschaftliche Akteure und Gründer eine verlässliche Möglichkeit der aktiven Trägerschaft von Klimapolitik geschaffen werden.

Ein Konjunkturpaket kann mittel- und langfristig nur erfolgreich sein, wenn es in konsistente Rahmenbedingungen, insbesondere eine angemessene CO2-Bepreisung, eingebettet ist, die den für eine Dekarbonisierung notwendigen Strukturwandel unterstützen. Bei der Festlegung dieser Rahmenbedingungen sollte vor allem der europäischen Klimaschutzpolitik in Form des „European Green Deal” und des bereits auf den Weg gebrachten EU-Klimagesetzes Rechnung getragen werden. Nur so werden auch nicht dezidiert auf Klimaschutz ausgerichtete nationale Fördermaßnahmen im Einklang mit den übergeordneten Zielen der Nachhaltigkeit (SDG) stehen können.

Die Wissenschaftsplattform bewertet das Konjunkturpaket aus drei klimapolitischen Perspektiven und unterbreitet Vorschläge für dessen Weiterentwicklung. Der sich im Gesetzgebungsverfahren befindende Gesetzentwurf des Konjunkturpakets sollte erstens kurzfristig einem Klima-Schnelltest unterzogen werden. Den Bewertungsmaßstab sollte das Klimaschutzziel des Klimaschutzgesetzes (§ 3), Treibhausgase um 55 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, bilden: klimapolitisch muss Kurs gehalten werden, um Minderungsziele und in Aussicht gestellte Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 nicht langfristig auszuhebeln (= Klimaverträglichkeitsprüfung des Gesetzentwurfs, s. u. Abschnitt 2). Im Anschluss an die Verabschiedung des Konjunkturpakets durch den Gesetzgeber sollte zweitens eine Ex Ante-Evaluierung der Entscheidungen über die klimapolitischen Wirkungen der Einzelmaßnahmen in Bezug auf die Klimaschutzziele anhand der empfohlenen Bewertungsfelder erfolgen (s. u.). Darüber hinaus ist drittens ein längerfristiges institutionalisiertes Monitoring der Einzelmaßnahmen notwendig (s. u. Abschnitt 3).

->Folgt: Klimaschnelltest – kurzfristige Bewertung der Kimawirkungen des Corona-Konjunkturpakets