Experten fordern naturschonenden EE-Ausbau

Mit Windkraft und Dach-PV 2040 allein Eigenbedarf decken

Wie sich Konflikte zwischen Ausbau der Erneuerbaren Energien einerseits und Landschafts- und Naturschutz andererseits vermeiden lassen, wurde am 24.02.2021 im Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit öffentlich erörtert, schreibt der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag. In der von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Sitzung sprach sich die Mehrheit der Fachleute für eine verstärkte Nutzung von Windkraft und Photovoltaik aus. Bioenergie und Wasserkraft wurden dagegen eher kritisch gesehen.

PV auf Dach des Berliner Futuriums vor Reichstagskuppel – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Christina von Haaren vom Institut für Umweltplanung der Leibniz-Universität Hannover stellte ein Modell vor, das berechnet, wie viel erneuerbare Energie in Deutschland erzeugt werden kann, ohne empfindliche Flächen zu belasten. Das Ergebnis zeige, dass der geschätzten Energiebedarf 2040 allein mit Windkraft sowie Photovoltaik auf allen geeigneten Dächern naturschonend gedeckt werden könne, sagte von Haaren. Nicht berücksichtigt sei dabei Anbaubiomasse wegen ihres großen Flächenbedarfs. Auch Photovoltaik auf Freiflächen bleibe im Modell unberücksichtigt. Die Expertin schlug vor, ein nationales Energieziel zu formulieren und dieses dann auf die einzelnen Gemeinden herunterzubrechen. Auf diese Weise werde es gelingen, Hindernisse bei der Akzeptanz auszuräumen.

Nahezu Deckungsgleich mit seiner Vorrednerin wies Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung auf das Flächenproblem („Hauptproblem“) hin. Nicht nur durch die Erneuerbaren Energien, sondern auch durch die Landwirtschaft und andere Nutzungen gerieten Flächen zunehmend unter Druck, sagte er. Deshalb sei es erforderlich, im Rahmen der Energiewende möglichst wenig Flächen in Anspruch zu nehmen. Unter diesem Aspekt seien der Bioenergie Grenzen gesetzt. Da auch die Fortentwicklung der Wasserkraft kritisch zu beurteilen sei, müssten hauptsächlich die Möglichkeiten von Photovoltaik („im urbanen Bereich, auf Dächern und Konversionsglächen“) und Windenergie ausgeschöpft werden. Potenziale sehe er in der Agri-Photovoltaik sowie bei Windenergie in Waldsystemen. Die Windenergieanlagen würden bis 2050 die doppelte Leistung erbringen, hoffte Hansjürgens.

Eine konträre Position zu seinen Vorrednern vertrat Björn Peters vom Peters Coll. Forschungs- und Beratungsinstitut für Energiewirtschaft und -politik: Der Begriff „Erneuerbare Energien“ sei „an und für sich“ abzulehnen, da jede Form von Energiegewinnung mit Eingriffen in die Natur verbunden sei. Der Gesetzgeber müsse sich deshalb für diejenige Energieform entscheiden, die mit der geringsten Umweltauswirkung verbunden sei. Unter diesem Aspekt sei es ein „Akt von politischem Vandalismus“, tonnenweise Stahlbeton für neue Windkraftanlagen zu verbauen mit der Konsequenz, dass „wir jährlich 50 Millionen Tonnen CO2 mehr ausstoßen werden“ – und gleichzeitig gut funktionierende Atomkraftwerke stillzulegen. Die kostengünstigste und umweltfreundlichste Art, CO2-Emissionen zu reduzieren, wäre die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken, erklärte Peters. Er begrüßte es, „dass sich der Umweltausschuss zum ersten mal seit 25 Jahren für die umweltpolitischen Ungleichgewichte der deutschen Energiestrategie interessiere“, die bisher „elegant weggelächelt“ worden seien. In diesem Zusammenhang kritisierte Peters häufige „Gefälligkeitsgutachten“.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien leiste einen Beitrag zum Klimaschutz, und dieser sei die Voraussetzung für Naturschutz, betonte Paul Lehmann von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Er schlug vor, bei Tierarten einen Populations- statt einen Individuenschutz vorzunehmen. Das Bundesnaturschutzgesetz sehe vor, dass einzelne Tiere nicht wegen Infrastrukturmaßnahmen getötet werden dürften, erläuterte Lehmann; es lasse dabei aber Ausnahmen zu. Der Experte schlug deshalb vor, „Dichtezentren“ zu definieren, in denen keine Windkraftanlagen errichtet werden dürften. Umgekehrt wären dann in allen anderen Gebieten Ausnahmen vom individuellen Tötungsverbot zulässig.

Die aus seiner Sicht schädlichen Auswirkungen der Wasserkraft hob Gerhard Kemmler vom Bundesarbeitskreis Wasser des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hervor. Fische seien durch Wasserkraftwerke stark gefährdet, diese seien maßgeblich verantwortlich für den Rückgang der Fische in den deutschen Gewässern.

Die Standortwahl von Anlagen der erneuerbaren Energien stellte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Voraussetzung dafür sei eine funktionierende Raumordnung: Für die Naturverträglichkeit der Windenergie sei es entscheidend, die dafür notwendigen Flächen im Rahmen einer verbindlichen Regionalplanung in naturschutzfachlich unkritischen Bereichen zu konzentrieren. Grundsätzlich, betonte Krüger, sei jedoch die Intensivierung der Landwirtschaft ein größeres Problem für den Naturschutz als der Bau von Windkraftanlagen.

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