Berliner Konferenz bringt wichtigste Player der globalen Energiewende zusammen – und erntet scharfe Kritik

„Transatlantische Partnerschaft mit neuem Schwung zurück“ – Aufrüttelndes Statement: „Wir können keine Kohle essen und wir können kein Öl trinken“

Außenminister Heiko Maas, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eröffneten am 16.03.2021 den 7. Berlin Energy Transition Dialogue (BETD). Unter dem Motto „Towards climate neutrality“ diskutieren Ministerinnen und Minister sowie hochrangige Delegationen aus mehr als 50 Ländern virtuell mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft über Strategien für den intelligenten Umbau der Energiesysteme weltweit, um die Energiewende weiter entschlossen auf den Weg zu bringen. Eine ugandische Klimaaktivistin überraschte mit Statement im Greta-Stil.

Archivbild: 4th Berlin Energy Transition Dialogue 2018 im Weltsaal des Auswärtigen Amtes – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Erstmals beim BETD mit dabei sind der Klimasonderbeauftragte der neuen US-Regierung John Kerry und die US-Energieministerin Jennifer Granholm. In einem gemeinsamen Panel loteten Altmaier, Kerry, der kanadische Umweltminister Seamus O’Regan, der italienische Außenminister Di Maio und die EU-Energiekommissarin Kadri Simson die Chancen einer neuen transatlantischen Zusammenarbeit bei der Energiewende aus. Schon kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden sind die USA dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten und haben das Ziel ausgerufen, bis 2035 eine CO2-freie Stromversorgung zu erreichen.

Maas und Altmaier forderten eine engere globale Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen der Energiewende, wie z.B. beim grünen Wasserstoff, um ehrgeizigere Klimaziele zu erreichen. Mit der zunehmenden Ablösung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien verändere sich die globale Energielandschaft, was Chancen, aber auch Risiken mit sich bringe, sagten die Minister beim BETD. Im Rahmen ihrer „Wasserstoff-Außenpolitik“ suche die Bundesregierung den Dialog mit den heutigen Öl- und Gasproduzenten, um den Wandel zu unterstützen und Störungen zu vermeiden, so Maas.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gab einen Ausblick auf das Klima- und Energiegesetzgebungspaket, das sie bis Juni vorlegen will und das eine Reform des Emissionshandelssystems (EU ETS) mit Ausweitung auf den maritimen Sektor beinhalten würde. Der Sonderbeauftragte des US-Präsidenten für das Klima, John Kerry, sagte, dass die Länder eine internationale Klimastrategie schmieden müssten, die alle Staaten zu mehr Ehrgeiz anspornt

Ugandische Jugendaktivistin schockiert Berliner Energiewende-Veranstaltung

Hochrangige Politiker, darunter Altmaier, Maas und von der Leyen, wurden bei der Eröffnung des Berliner Energiewendedialogs (BETD) 2021 von einer ugandischen Klimaaktivistin scharf angegriffen. Vanessa Nakate, bekannt als afrikanisches Gesicht von Fridays for Future, schockierte die Organisatoren des Berliner Energiewende-Dialogs mit einer Rede, in der sie hervorhob, dass sie und eine befreundete Jugendaktivistin ihre Präsentationen im Vorfeld der Veranstaltung zur Genehmigung einreichen mussten und es ihnen verboten worden war, einen der beteiligten Politiker zu kritisieren.
Nach Maas, Altmaier und der Chef der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, Francesco la Camera, die Notwendigkeit einer Beschleunigung der globalen Energiewende bekräftigt hatten, verblüffte die junge Vanessa Nakate die virtuelle Veranstaltung mit einem schlagkräftigen Beitrag. Nachdem die andere Jugendaktivistin Brianna Fruean zunächst davon berichtet hatte, wie ein samoanischer Ältester eine Bestandsaufnahme der Kinder vorgenommen habe, weil er befürchtete, dass der Klimawandel sein Dorf zerstören würde, kam eine noch härtere Botschaft: Die Klimaaktivistin aus Kampala enthüllte zunächst, dass sie und Fruean ursprünglich fünf Minuten Zeit zugestanden bekommen hätten, ihre Argumente vorzutragen, ihre Zeit dann aber zuerst auf vier und später auf dreieinhalb Minuten gekürzt worden sei. Noch ärgerlicher sei gewesen, dass beide Jugendliche ihre Reden vor der Veranstaltung bei den Organisatoren hätten einreichen müssen – ihre mutig live vorgetragene Rede unterschied sich vermutlich deutlich von dem Text, den sie abgegeben hatte, so Beobachter. „Hat irgendeiner der politischen Führer, die heute sprechen, seine Rede im Voraus eingereicht?“, fragte Nakate. „Wurde jemandem von ihnen die Redezeit gekürzt?“
Nakate berichtete, dass sie beide angewiesen worden seien, keine Politiker zu nennen, die an der BETD-Veranstaltung beteiligt waren, aber: „Es sind die politischen Führer, die uns im Stich gelassen haben, nicht die jungen Leute.“ Bitte fügte sie hinzu: „Sie sollten Aktivisten nicht bitten, zu Ihren Veranstaltungen zu kommen und dort zu sprechen, damit Sie sich besser fühlen, und dann versuchen, sie zu zensieren“. In ihrer aufrüttelnden Anklage im Greta-Stil sagte die ugandische Aktivistin zu Altmaier und Maas, es sei an der Zeit, mit dem Reden aufzuhören und mit dem Handeln zu beginnen.  Es seien die Anführer, welche die Wissenschaft ignoriert und „immer wieder versagt“ hätten, die Klimakrise als echte Krise zu behandeln. Sie wandte sich an diese Führer und kritisierte sie dafür, dass sie weiterhin in fossile Brennstoffe investierten. „Abgesehen von der Zerstörung, die Sie verursachen, haben Ihre Investitionen nicht einmal finanziell einen Sinn“, sagte sie und warnte vor „stranded assets“. Sie beendete ihr Statement mit den Worten: „Wir können keine Kohle essen und wir können kein Öl trinken.“

Die Pressestelle des Berlin Energy Transition Dialogue erklärte später, dass das offene Format der Veranstaltung es den Rednern und Teilnehmern ermögliche, auch kontroverse Ansichten darzulegen. Genau das sei die Intention der Gastgeber, der Bundesregierung und des Veranstalterkonsortiums, das die Veranstaltung seit 2015 plant und durchführe. Die Zeit, die vielen, auch hochrangigen, Rednern zugestanden worden sei, habe bereits in der Planungsphase reduziert werden müssen, und die Transkripte der Beiträge seien im Vorfeld angefordert worden, „um die Arbeit der Dolmetscher zu erleichtern“.

Maas zuvor: „Damit unser Planet eine Zukunft hat, muss die Energiewende gelingen. Die Unterstützung dafür war weltweit noch nie so groß wie jetzt. Die USA sind zurück in der Klimapolitik. Auch China, Südkorea und Japan haben sich zur Klimaneutralität bekannt. Dieses Momentum müssen wir nutzen. Mit der Energiewende und dem nahenden Ende des fossilen Zeitalters wird sich die Welt in den kommenden Jahrzehnten stark verändern. Darauf müssen wir uns einstellen. Es werden neue Dynamiken entstehen, die auch Spannungen hervorrufen werden. Deshalb brauchen wir eine vorausschauende Energieaußenpolitik, mit der wir Kooperation fördern und Konflikte vermeiden können.“

Und weiter: „Zwei Erfahrungen, die wir in dieser Krise gemacht haben, werden hoffentlich bleiben. Zum einen die Erfahrung, was exponentielles Wachstum bedeutet – und welche dramatischen Folgen es haben kann: in einer Pandemie, und genauso wie in einer Klimakrise, und zwar in der, über die Forscherinnen und Forscher schon seit Jahrzehnten berichten und vor vor einem exponentiellen Wachstum warnen. Zum anderen haben wir in dieser Krise erlebt, dass wir nicht machtlos sind, wenn wir entschlossen und geschlossen handeln. Dass wir selbst globale Katastrophen mit Hilfe der Wissenschaft und der Vernunft in den Griff bekommen können. In nur wenigen Monaten wurden wirksame Impfungen entwickelt. Und durch unser Verhalten haben wir die Infektionskurven mal beschleunigt, aber eben auch gedrückt.“

Altmaier: „Energiewende und Klimaschutz stehen, wenn wir sie intelligent angehen, in keinem Widerspruch zu Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften. Sie haben vielmehr das Potenzial, ein Motor für Innovation und nachhaltiges Wachstum zu sein. Die immer größer werdende Allianz an Ländern, die sich zur Klimaneutralität bis 2050 bekennen, steigert unsere Möglichkeiten, diese Generationenaufgabe gemeinsam in enger internationaler Kooperation zu bewältigen.“

Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE), Simone Peter hatte vorher erklärt: „Die erneuerbaren Technologien stehen in einer großen Spannbreite über alle Sektoren hinweg bereit, die nationale und internationale Energieversorgung zu übernehmen. Durch massive Kostensenkungen sind sie mittlerweile vielfach kostengünstiger als konventionelle Energieträger und deshalb der Schlüssel für ein zukunftsfähiges, sauberes und sicheres Energiesystem. In der Verbindung von Klimaschutz mit Industrie und Handwerk geben sie gleichzeitig enorme konjunkturelle Impulse in der Coronakrise. Jetzt geht es darum, den Ausbau global weiter voranzutreiben und die Energiesysteme auf 100 Prozent Erneuerbaren Energien auszurichten.“

In der Tradition des BETD als globalem Forum der Energiewende sprechen und diskutieren auch in diesem Jahr wieder Umweltministerin Svenja Schulze, der Generaldirektor der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), Francesco La Camera und der Exekutivdirektor der Internationalen Energie Agentur (IEA), Fatih Birol.

Der Berlin Energy Transition Dialogue findet seit 2015 auf Einladung der Bundesregierung statt und wird gemeinsam mit dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), der Deutschen Energie-Agentur (dena) sowie eclareon veranstaltet. Insgesamt werden zum BETD über zwei Tage über 2700 Gäste aus fast hundert Ländern erwartet.

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