Regierung muss Jugend vor Klimaschäden schützen

Urteil in Australien – widersprüchliches Echo des Kohlekonzerns

Ein Urteil, das aufhorchen lässt: Australiens Regierung muss junge Menschen vor drohenden Klimaschäden schützen. Acht Teenager und eine 86jährige Ordensfrau hatten eine einstweilige Verfügung dagegen beantragt, dass die Regierung die Erweiterung der Vickery-Kohlemine von Australiens größtem Kohlekonzern Whitehaven Coal im Norden von New South Wales genehmigt – der widerspricht, „freut sich“ gar.

Tagebau Kalgoorlie, Westaustralien – Foto © Stephen Codrington, CC BY 2.5, commons.wikimedia.org

Das australische Bundesgericht stellte fest, Umweltministerin Sussan Ley habe eine Sorgfaltspflicht, junge Menschen vor der Klimakrise zu schützen. Das Urteil wurde als Weltpremiere gefeiert, so etwa die Irish Times. Richter Mordecai Bromberg befand, dass die Ministerin eine Sorgfaltspflicht habe, nicht in einer Weise zu handeln, die jüngeren Menschen in Zukunft Schaden zufügen würde. Aber er gewährte die einstweilige Verfügung nicht, da er nicht überzeugt war, dass die Ministerin ihre Sorgfaltspflicht verletzen würde.

Mit ihrer Klage wollten die Teenager die Genehmigung zur Erweiterung der Vickery Kohlemine stoppen. Denn dort würden in einer 25-jährigen Laufzeit 33 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Die einstweilige Verfügung, mit der sie die Erweiterung der Mine sofort stoppen wollten, haben die klagenden Jugendlichen zwar nicht erreicht, dennoch nannte ihr Anwalt David Barnden den Gerichtsbeschluss eine historische und „erstaunliche Entscheidung“ mit möglicherweise bedeutenden Konsequenzen: „Das Gericht hat festgestellt, dass die Ministerin eine Sorgfaltspflicht gegenüber jüngeren Kindern und verletzlichen Menschen hat, und diese Pflicht besagt, dass die Ministerin nicht in einer Weise handeln darf, die jüngeren Menschen Schaden – zukünftigen Schaden – durch den Klimawandel zufügt“, sagte er außerhalb des Gerichts. „Es ist das erste Mal in der Welt, dass eine solche Sorgfaltspflicht anerkannt wurde, besonders in einem Land mit Gewohnheitsrecht.“

Barnden zufolge hat Bromberg angedeutet, er werde nun Stellungnahmen einholen, bevor er weitere Erklärungen dazu abgebe, was die Fürsorgepflicht der Ministerin für die Frage bedeute, ob die Minenerweiterung weitergehen könne.

Als Sprecherin der Kinder sagte die 17-jährige Ava Princi, es sei „aufregend und zutiefst erleichternd“, dass die Justiz die Fürsorgepflicht der Ministerin anerkannt habe: „Das Gesetz erkennt jetzt an, dass die Umweltministerin in einer besonderen Position ist, absehbaren Schaden von jungen Menschen abzuwenden. Ich fühle mich ermutigt durch diese Entscheidung, und es wird weitergehen. Es ging in diesem Fall um uns junge Menschen, die mehr von den Erwachsenen erwarten, deren Handlungen unser zukünftiges Wohlergehen beeinflussen.“

Whitehaven Coal hatte laut nasdaq.com eine andere Interpretation des Urteils. In einer Erklärung erwähnte Whitehaven Coal die Feststellung der Sorgfaltspflicht nicht und sagte, es begrüße, dass das Gericht den Versuch der Teenager, Frau Ley an der Genehmigung der Minenerweiterung zu hindern, abgewiesen habe. Der Kohlekonzern will darauf hinarbeiten, eine Umweltschutzgenehmigung für die Erweiterung seiner umstrittenen Vickery-Kohlemine zu erhalten, nachdem das Urteil ders Bundesgerichts eine Sammelklage gegen das Unternehmen die Aktien des Unternehmens um 3% höher auf ein mehr als einmonatiges Hoch getrieben hatte. Die Erklärung der Kohleschürfer wörtlich:

„Whitehaven Coal begrüßt das Urteil des Bundesgerichts, mit dem die Klage abgewiesen wurde, die darauf abzielte, die Bundesumweltministerin daran zu hindern, eine Genehmigung für das Vickery-Erweiterungsprojekt des Unternehmens gemäß dem Umweltschutz-Biodiversitäts- und Naturschutzgesetz (1999) zu erteilen. Unsere konsequente Position war, dass dieser Rechtsanspruch unbegründet war. Das Unternehmen sieht eine anhaltende Rolle für hochwertige Kohle als Beitrag zu den weltweiten Bemühungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung in unserer nahen Region. Es besteht eine starke Marktnachfrage nach dem hochwertigen Produkt, wie es Vickery produzieren wird. Bedeutende beschäftigungswirksame Investitionen in die Wirtschaft werden von entscheidender Bedeutung sein, wenn sich die australische Wirtschaft weiter von den Auswirkungen von COVID-19 erholt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Vertrauen in die Integrität des robusten australischen Umweltgenehmigungssystems vorhanden ist. Whitehaven freut sich auf den Erhalt der EPBC-Genehmigung für das Vickery-Erweiterungsprojekt und wird den Markt zu gegebener Zeit auf dem Laufenden halten.“
Und in einer Notiz für Redakteure wies Whitehaven darauf hin, „das Vickery-Erweiterungsprojekt beantragte die Genehmigung zur Erweiterung des genehmigten, aber noch nicht erschlossenen Vickery-Kohleprojekts, um eine überwiegend metallurgische Kohlemine im Tagebau mit einer Kapazität von bis zu 10 Mio. Tonnen pro Jahr zu betreiben, mit Aufbereitung vor Ort und Schieneninfrastruktur. Das Projekt wird etwa 500 Arbeitsplätze während der Bauphase und 450 Arbeitsplätze während des Betriebs schaffen. Am 12. August 2020 genehmigte die unabhängige Planungskommission von New South Wales das Projekt. Das Projekt wird nun vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Wasser und Umwelt (DAWE) für die Genehmigung zum Schutz der Umwelt und der Biodiversität (EPBC) geprüft.“

ARD-Korrespondentin Lena Bodewein erläuterte auf tagesschau.de die besondere Tragweite dieses Urteils besonders  für Australien: Das Land sei einer der größten Kohleexporteure der Welt, die konservative Regierung halte bisher an der Kohleförderung fest. Nun habe die Umweltministerin also die Pflicht, im Sinne der jungen Generation einzugreifen, wenn ihre Regierung die Klimakrise durch weitere Kohleprojekte verstärke. Durch die Vickery-Kohle würden aber 100 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen, was eindeutig zur Klimakrise beitrage, befand Richter Bromberg: „Die potenziellen Schäden dürfen wohl klar als katastrophal bezeichnet werden.“ Der Spruch wörtlich: „Vielleicht der verstörendste Aspekt darunter ist, dass eine Million der heutigen Kinder Australiens mindestens einen Hitzeschaden erleiden werden, der sie ins Krankenhaus bringen wird. Viele Tausende werden einen vorzeitigen Tod sterben durch Hitzestress oder Buschfeuerrauch. Es ist mit substanziellen wirtschaftlichen Verlusten und Eigentumsschaden zu rechnen. Das Great Barrier Reef und der Großteil von Australiens östlichen Eukalyptuswäldern wird nicht länger existieren durch wiederholte, schwere Buschfeuer.“

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