„Chamäleon-Katalysator“ für Hydrierungsreaktionen

Auf dem Weg zu adaptiven katalytischen Systemen

CEC-Forscher entwickelten einen „Chamäleon-Katalysator“ für Hydrierungsreaktionen, wie sie am auf der institutseigenen Internetseite und in Nature Chemistry (open access: „Selektivitätskontrolle bei der Hydrierung durch adaptive Katalyse unter Verwendung von Ruthenium-Nanopartikeln auf einem CO2-empfindlichen Träger”) veröffentlichten. Katalysatoren sind unerlässlich, um die Aktivierung und den Transfer von Wasserstoff zu steuern, vor allem für die selektive Umwandlung von aus Biomasse gewonnenen Substraten und Zwischenprodukten. Während Flexibilität immer wichtiger wird, sind Design und Entwicklung solcher Katalysatoren, deren Reaktivität nach Belieben verändert werden kann oder sich sogar während des Prozesses selbst reguliert, von großem Interesse, bleibt aber eine Herausforderung.

Wasserstoff-Tanklastzug - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wasserstoff-Tanklastzug – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

In dem Artikel berichtet nun ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Prof. Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr, über einen rational konstruierten Katalysator, der sich vollständig reversibel und in Echtzeit an Veränderungen im Reaktionssystem anpasst und so die selektive Erzeugung verschiedener Produkte in Abhängigkeit von der Wasserstoffquelle ermöglicht.

Abstract aus Nature Chemistry: „Mit dem Aufkommen erneuerbarer Kohlenstoffressourcen werden multifunktionale Katalysatoren für die selektive Hydrierung von aus Biomasse gewonnenen Substraten und Zwischenprodukten unerlässlich. Allerdings bleibt die Entwicklung adaptiver katalytischer Systeme, d. h. mit reversibel einstellbarer Reaktivität, die in der Lage sind, mit der Intermittenz erneuerbarer Ressourcen umzugehen, eine Herausforderung. Hier berichten wir über die Herstellung eines katalytischen Systems, das adaptiv auf die Zusammensetzung des Speisegases in Hydrierungsreaktionen reagieren kann. Ruthenium-Nanopartikel, die auf aminfunktionalisiertem polymergepfropftem Siliziumdioxid immobilisiert sind, wirken als aktive und stabile Katalysatoren für die Hydrierung von aus Biomasse gewonnenem Furfuralaceton und verwandten Substraten. Die Hydrierung der Carbonylgruppe wird selektiv ein- oder ausgeschaltet, wenn reines H2 oder ein H2/CO2-Gemisch verwendet wird. Die Bildung von Alkylammoniumformiat-Spezies durch die katalytische Reaktion von CO2 und H2 am Amin-funktionalisierten Träger wurde als der wahrscheinlichste molekulare Auslöser für den Selektivitätsschalter identifiziert. Da diese Reaktion vollständig reversibel ist, reagiert die Katalysatorleistung fast in Echtzeit auf die Zusammensetzung des Einsatzgases.“

Bisher entwickelte Katalysatoren weisen zwar oft hervorragende Eigenschaften in Bezug auf die ihnen zugedachten Aufgaben auf, sind aber typischerweise so optimiert, dass ihre Leistung statisch bleibt. Die Entwicklung eines adaptiven katalytischen Systems – damit ist ein katalytisches System gemeint, dessen Reaktivität bei Änderungen der reaktiven Umgebung reversibel verändert wird – ist besonders schwierig. Um diese Herausforderung zu meistern, kombinierte das Forscherteam seine Expertise auf dem Gebiet der Katalyse auf der Basis von Nanopartikeln (Alexis Bordet, Sami El Sayed und Kollegen vom MPI CEC und der RWTH Aachen) und CO2-responsiven Materialien (Gruppe von Philip G. Jessop, Queen’s University). Bei der Hydrierungsreaktion, die zu unterschiedlichen Produkten führen kann, ist der neue Katalysator in der Lage zu „erkennen“, ob das Einsatzgas aus reinem Wasserstoff oder aus einem Gemisch aus H2 und CO2 besteht. Abhängig nur von der Gaszufuhr arbeitet er in zwei verschiedenen Modi und erzeugt selektiv zwei verschiedene Produkte aus demselben Ausgangsmaterial unter ansonsten identischen Bedingungen. Die beiden Betriebsmodi können nahezu in Echtzeit hin- und hergeschaltet werden.

„Unser Ziel war es, ein katalytisches System zu entwickeln, das in der Lage ist, seine Reaktivität und insbesondere die Selektivität vollständig kontrollierbar und reversibel an seine Umgebung anzupassen. Der Katalysator kann seine Leistung automatisch ändern, so wie ein Chamäleon seine Farbe ändern würde“, erklärt Alexis Bordet, Gruppenleiter am MPI CEC in der Abteilung von Prof. Leitner.

Die Untersuchung und internationale Kooperation wurde insbesondere durch das Exzellenzcluster „The Fuel Science Center“ unterstützt, das sich die Entwicklung adaptiver katalytischer Systeme als eines seiner Hauptziele gesetzt hat. Die Autoren hoffen, dass ihr Konzeptnachweis eines adaptiven katalytischen Systems für Hydrierungsreaktionen viele neue Möglichkeiten für die Entwicklung anderer adaptiver katalytischer Systeme eröffnet und flexible Produktionsschemata auf der Basis von erneuerbaren Rohstoffen und Energieversorgung ermöglicht.

Details zur Forschung:

Die Wissenschaftler haben einen multifunktionalen Hydrierungskatalysator hergestellt, der aus Ruthenium-Nanopartikeln besteht, die ihrerseits auf einem Amin-funktionalisierten Träger immobilisiert sind, und ihn für die Hydrierung eines aus Biomasse gewonnenen Moleküls, Furfuralaceton, eingesetzt.
Wenn die Hydrierung unter einem Druck von reinem Wasserstoff (H2) durchgeführt wurde, wurde Furfuralaceton vollständig hydriert, um den entsprechenden gesättigten Alkohol zu erhalten. Wenn jedoch ein Gemisch aus H2 und CO2 verwendet wurde, wurde eine starke Änderung der Selektivität beobachtet, bei der der Furanring und die Doppelbindung noch effizient hydriert wurden, während das Keton erhalten blieb.

Die Änderung der Selektivität – die bei einem Referenz-Ru@SiO2 nicht beobachtet wurde – ist vermutlich auf die Bildung einer Alkylammoniumformiat-Spezies zurückzuführen, die aus der Reaktion zwischen der Aminfunktionalität, CO2 und H2 stammt. Dieser Prozess ist reversibel und erlaubt es, die Zusammensetzung des Einsatzgases zwischen H2 und CO2 + H2 im Durchflussreaktor hin und her zu schalten, um entweder den gesättigten Alkohol oder das gesättigte Keton in exzellenten Selektivitäten und Ausbeuten zu produzieren.

->Quellen: