BESSY II: Wasser als Metall nachgewiesen

Experiment mit Alkalimetallen

Reines Wasser ist unter Normalbedingungen ein nahezu perfekter Isolator. Metallische Eigenschaften entwickelt Wasser nur unter extremem Druck, wie er höchstens im Innern von großen Planeten herrscht. Nun hat eine internationale Kooperation mit einem ganz anderen Ansatz metallisches Wasser erzeugt und den Phasenübergang an der Berliner Synchrotronlichtquelle BESSY II dokumentiert. Die Arbeit ist in Nature publiziert.

Stahlrohre verbinden BESSY II, re., mit EMIL, li. – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Dass Wasser Strom leitet, weiß jedes Kind – aber damit ist das „normale“ Alltagswasser gemeint, das Salze enthält. Reines, destilliertes Wasser dagegen ist ein nahezu perfekter Isolator. Es besteht aus H2O-Molekülen, die über Wasserstoffbrückenbindungen miteinander locker vernetzt sind. Dabei bleiben die Valenzelektronen gebunden und sind nicht mobil. Um ein Leitungsband mit frei beweglichen Elektronen zu erzeugen, müsste man Wasser so stark unter Druck setzen, dass sich die Orbitale der Außenelektronen überlappen. Eine Berechnung zeigt jedoch, dass dieser Druck allenfalls im Inneren von großen Planeten wie Jupiter vorhanden ist.

Alkalimetalle als Elektronenspender

Eine internationale Kooperation aus 15 Wissenschaftlern an elf Forschungseinrichtungen hat nun mit einem völlig anderen Ansatz erstmals eine Wasserlösung mit metallischen Eigenschaften erzeugt und an BESSY II diesen Phasenübergang dokumentiert. Sie experimentierten dafür mit Alkalimetallen, die ihr äußeres Elektron sehr leicht abgeben.

Ein raffinierter Trick

Die Chemie zwischen Alkalimetallen und Wasser ist jedoch bekanntlich explosiv. Natrium oder andere Alkalimetalle fangen in Wasser sofort an zu brennen. Das Team fand aber einen Weg, um diese heftige Chemie in Schach zu halten: Sie warfen nicht ein Stückchen Alkalimetall in Wasser, sondern sie machten es umgekehrt: sie gaben ein klein wenig Wasser auf einen Tropfen aus Alkalimetall.

Die Haut aus Wasser

Sie nutzten dafür eine Natrium-Kalium-Legierung, die bei Raumtemperatur flüssig ist. Am Strahlrohr U49/2 am BESSY II bauten sie das Experiment in der Hochvakuum-Probenkammer SOL³PES auf. In der Probenkammer sitzt eine sehr feine Düse, aus der die flüssige Na-K-Legierung tropft. Der silberne Tropfen wächst dabei etwa 10 Sekunden, bis er sich von der Düse löst. Während der Tropfen wächst, strömt etwas Wasserdampf in die Probenkammer und bildet an der Oberfläche des Tropfens eine extrem dünne Haut, eine Schicht aus wenigen Lagen Wassermolekülen. Dabei wandern fast sofort Elektronen und Metall-Ionen von der Alkali-Legierung ins Wasser ein. Diese eingewanderten Elektronen verhalten sich dabei wie freie Elektronen in einem Leitungsband.

Von Silber zu Gold

„Man sieht den Phasenübergang zum metallischen Wasser mit bloßem Auge! Der silbrige Natrium-Kalium-Tropfen überzieht sich mit einem goldenen Schimmer, das ist sehr eindrucksvoll“, berichtet Robert Seidel, der die Experimente an BESSY II betreut hat. Die dünne Schicht aus goldfarbenem metallischem Wasser bleibt für einige Sekunden sichtbar. Dadurch konnte das Team um Prof. Pavel Jungwirth, Tschechische Akademie der Wissenschaften, Prag, mit spektroskopischen Analysen am BESSY II und am IOCB in Prag nachweisen, dass es sich tatsächlich um Wasser in einem metallischen Zustand handelt.

Nachweis der metallischen Phase

Die beiden entscheidenden Fingerabdrücke einer metallischen Phase sind die Plasmonenfrequenz und das Leitungsband. Diese beiden Größen konnten die Gruppen mit optischer Reflexionsspektroskopie und Synchrotron-Röntgen-Photoelektronenspektroskopie ermitteln: Während die Plasmonenfrequenz der goldfarbenen, metallischen „Wasserhaut“ bei etwa 2,7 eV liegt (also im blauen Bereich des sichtbaren Lichts) besitzt das Leitungsband eine Breite von ungefähr 1,1 eV mit einer scharfen Fermikante. „Unsere Studie zeigt nicht nur, dass metallisches Wasser tatsächlich auf der Erde hergestellt werden kann, sondern charakterisiert auch die spektroskopischen Eigenschaften, die mit seinem schönen goldenen Metallglanz verbunden sind“, sagt Seidel.

->Quellen:

  • helmholtz-berlin.de/news_seite
  • Philip E. Mason, H. Christian Schewe, Tillmann Buttersack, Vojtech Kostal, Marco Vitek, Ryan S. McMullen, Hebatallah Ali, Florian Trinter, Chin Lee, Daniel M. eumark, Stephan Thürmer, Robert Seidel, Bernd Winter, Stephen E. Bradforth & Pavel Jungwirth:  Spectroscopic evidence for a gold-coloured metallic water solution, in: Nature volume 595, p. 673–676 (2021), https://www.nature.com/articles/s41586-021-03646-5