Fachkräftemangel neuer Flaschenhals der Energiewende?

IG Metall präsentiert Studie bei Husum Wind und fordert langfristig angelegte Arbeitsmarktstrategie

„Noch muss die Windbranche den Arbeitsplatzverlust der vergangenen Jahre verdauen – rund 60.000 Jobs gingen nach Angaben der IG Metall Küste verloren – da bahnt sich das nächste Problem an: Fachkräftemangel“ – so das Fachmagazin Erneuerbare Energien . „Unsere Betriebsräte berichten seit Jahren über teils erhebliche Probleme bei der Besetzung von freien Stellen“, erklärte IG Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich im Rahmen der Husum Wind. „Die Betriebe konkurrieren mit Unternehmen aus anderen Branchen, die häufig bessere Arbeitsbedingungen bieten.“

Windpark – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die beiden Fakten scheinen nur auf den ersten Blick paradox. Denn während auf der einen Seite Arbeitsplätze in der industriellen Fertigung abgebaut wurden, werden im Anlagenservice und neuerdings in der Projektentwicklung Fachkräfte gesucht. Am Anfang und am Ende der Wertschöpfungskette sei Fachkräftebedarf vorhanden, in der Produktion seien aber Arbeitsplätze und damit wichtiges Know-how verloren gegangen, so ein Experte zu Zwischenergebnissen der IG-Metall-Branchenuntersuchung „Die Windindustrie in Deutschland“.

Windindustrie mit anderen Branchen eng verzahnt

Die Abwanderung der Fertigungstiefe könne aber zum Problem für den Industriestandort Deutschland werden, warnte Gewerkschafter Friedrich: „Die Stärke der Windindustrie in Deutschland ist ihre enge Verzahnung mit anderen Branchen wie Stahl- und Maschinenbau.“ Somit habe aber auch die Krise Auswirkungen auf weitere Branchen. Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Olaf Lies (SPD) forderte eine tatkräftige Industriepolitik für den Wiederaufbau der Fertigungskette in Deutschland: „Bei Klimaschutz und Energiewende geht es um viel mehr als nur um CO2-Reduktion. Klimaschutz zusammen mit einer klugen Industriepolitik sichert den Standort Deutschland und schafft neue, gute Industriearbeitsplätze.“ Klimaschutz, Arbeit und die Zukunft des Industriestandortes bedingten einander. „Investitionen werden dann Magnetwirkung entfalten für neue, weitere Industrie-Investitionen. Denn auch dieser Grundsatz gilt ungebrochen: Industrie folgt Energie.“

Fachkräfte auch für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft nötig

Ursula Prall, Vorstandsvorsitzende Stiftung Offshore-Windenergie, betonte die Wichtigkeit von Fachkräften für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft: Man brauche für eine zuverlässige Wertschöpfungskette nicht nur Windräder auf See, sondern auch Arbeitskräfte an Land. Die Autoren der Branchenstudie empfehlen deshalb eine langfristig angelegte Arbeitsmarktstrategie, die auf Ausbildung, Qualifizierung und Tarifbindung setzt und die in den nächsten Jahren wieder wachsende Branche attraktiv für Fachkräfte macht. „Klimaschutz geht nur mit guter Arbeit“, betonte Friedrich. Dringend verstärkt werden müsse die betriebliche Ausbildung. Mit 3,6 Prozent liege die Ausbildungsquote deutlich unter anderen Branchen wie etwa dem Maschinenbau mit 6,1 Prozent. (kw)

IG Metall: Stimmung in der Windindustrie hellt sich auf

Eine am veröffentlichte Umfrage unter Betriebsräten zeigt jedoch laut Erneuerbare Energien: Während der Service optimistisch in die Zukunft schaut, sind die Zulieferer eher besorgt.

Die Betriebsräte der Windindustrie sehen die Zukunft ihrer Branche so positiv wie nie zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung im Auftrag der IG Metall. Mehr als 60 Prozent der Befragten erwarten eine positive Marktentwicklung in Deutschland. Besonders gut ist die Einschätzung der Arbeitnehmervertreter für den Offshore-Bereich in Deutschland und für die internationalen Märkte – insbesondere in Europa und Nordamerika, schreibt die IG Metall in einer Presseinformation.

IG Metall verlangt mehr Tempo bei der Energiewende

    • Schlüsseljahre in der nächsten Legislaturperiode
    • Ausbau der Erneuerbaren erfordert höhere Zubau-Mengen, Planungsbeschleunigung und Vereinfachung des Planungsrechts
    • Investitionsbedarf bis 2030 umfasst 500 Milliarden Euro

Aus Sicht der IG Metall muss eine neue Bundesregierung nach der Wahl schnell und konkret Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende auf den Weg bringen. Wenn es im Tempo der vergangenen zehn Jahre weitergehe, scheitere die Energiewende. Die Beschäftigten erwarteten klare und verlässliche Rahmenbedingungen, damit ihr Betrieb in klimaneutrale Zukunftstechnologien investieren und so Beschäftigung gesichert werden könne. Die Schlüsseljahre hierfür seien die der kommenden Legislaturperiode. Industriell drohe Deutschland den Anschluss im internationalen Wettbewerb zu verlieren, wenn Investitionsvorhaben für mehr Klimaschutz nicht beschleunigt werden. Das Problem des „Flaschenhalses“ der Netzinfrastruktur müsse beseitigt werden.

„Nach erheblichen Rückschlägen in den vergangenen Jahren hellt sich die Stimmung in der Windindustrie auf“, sagte Friedrich. Grund seien die Klimaschutz-Pläne von Bundesregierung und Europäischer Union, die auf einen erheblichen Ausbau der Windkraft hoffen lassen. „Wir sind aber weit entfernt von einem grünen Job-Wunder, das aktuell im Wahlkampf vielfach versprochen wird. Dafür müssen Politik und Unternehmen mehr tun und für mehr Arbeitsplätze sowie Wertschöpfung in Deutschland sorgen“, so der Gewerkschafter.

Trotz der insgesamt positiven Stimmung erwarten die Betriebsräte aber in jedem vierten Unternehmen einen Auftragsrückgang. In fast 20 Prozent der Firmen wird laut IG Metall Personalabbau befürchtet. Insbesondere bei Rotorblättern, Türmen und Kabeln überwiegen die negativen Einschätzungen. Sehr positiv entwickele sich hingegen der Service. An der Befragung beteiligten sich Betriebsräte von 28 Unternehmen mit etwa 27.000 Beschäftigten aus dem gesamten Bundesgebiet.

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