Elektrosynthese: Korrosion an der Kathode vermeiden

JGU-Forscher publizieren umfangreiche Literaturstudie und starten Projekt zur Gewinnung von Kunststoff-Vorprodukten aus landwirtschaftlichen Reststoffen

Nachhaltigkeit ist heutzutage ein Topthema für die Wirtschaft. Viele Unternehmen möchten ihre Produkte möglichst klimaneutral und ohne Entstehung von Umweltgiften und deshalb ohne Verwendung fossiler Rohstoffe herstellen. Großes Potenzial bietet hierfür die Elektrosynthese, die Umwandlung von chemischen Stoffen durch elektrischen Strom in einer Elektrolysezelle, so eine Medienmitteilung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom 10.09.2021. Forscher um Prof. Siegfried Waldvogel, Sprecher des Spitzenforschungsbereichs „SusInnoScience“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), haben bereits gezeigt, wie sich mithilfe dieser Technologie zum Beispiel der Aromastoff Vanillin aus Holzabfällen gewinnen lässt. Interessant ist die Elektrosynthese unter anderem auch für die Herstellung von Kunststoff-Vorprodukten.

Versuchsanordnung – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Sie ist nicht nur energieeffizienter als konventionelle Verfahren, sondern kommt auch ohne fossile Rohstoffe aus. Allerdings birgt sie eine zentrale, bislang jedoch wenig beachtete Herausforderung: die sogenannte kathodische Korrosion. Dieser Herausforderung hat sich ein Forschungsteam um Waldvogel nun mit einer umfangreichen Literaturstudie angenommen, die Ergebnisse sind am 06.07.2021 in Chemical Reviews veröffentlicht worden. Für den Artikel haben die Wissenschaftler Veröffentlichungen zur Kathodenkorrosion aus den vergangenen 130 Jahren ausgewertet, darunter auch rund 30 eigene Publikationen. „Neben einer chinesischen Gruppe sind wir die einzigen, die die nötige Expertise für eine solche Literaturstudie haben“, sagt Waldvogel.

Bekannt ist das Problem der Kathodenkorrosion laut Waldvogel seit mehr als 200 Jahren, allerdings sei es bisher grundsätzlich nicht gelöst worden. Während die Oxidationen, die bei der Elektrolyse an der positiven Elektrode, der Anode, stattfinden, gut untersucht seien, gäbe es bei den Reduktionen, an der negativen Elektrode, der Kathode, noch offene Fragen. „Für die Elektroden werden Materialien benötigt, die eine hohe Überspannung gegen Wasserstoff haben – man verwendet daher gifte Schwermetalle wie Blei oder Zinn“, sagt Waldvogel. „Allerdings löst sich die Kathode langsam auf – sie korrodiert – und setzt dabei die giftigen Metalle frei.“ Das könne zu Verunreinigungen der erzeugten Chemikalien führen, was natürlich nicht gewünscht sei.

„Wenn es uns gelänge, die Korrosion zu vermeiden, hätten wir ein großes Problem auf dem Weg zur Elektrifizierung beseitigt“, sagt Waldvogel. Er arbeitet zurzeit in zwei Projekten daran, dieses Problem zu lösen: In einem Projekt („Strategies to Overcome Contemporary Limitations of Reductive Electrosynthetic Conversions in Aqueous Media“), das – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der amerikanischen Behörde National Science Foundation mit rund einer Million Euro gefördert – im September 2021 gestartet ist, soll die Anwendung im Fokus stehen: Gemeinsam mit einem Forschungsteam der Iowa State University sollen aus landwirtschaftlichen Abfällen Vorprodukte für Kunststoffe erzeugt werden – und zwar an der Kathode. „Auf diese Weise können wir Abfälle nutzen, um chemische Zwischenprodukte zu erzeugen und so eine Wertsteigerung zu erzielen“, sagt Waldvogel. Das Forschungsteam der JGU wird sich nach seiner Auskunft vor allem der möglichen Beschichtung der Elektroden mit Salzen widmen, wohingegen sich die amerikanischen Partner auf Legierungen fokussieren, mit denen die Auflösung der Kathoden verhindert werden soll.

Bereits seit Anfang dieses Jahres arbeiten Forscherinnen und Forscher der beiden Spitzenforschungsbereiche „SusInnoScience“ und „M3ODEL“ der JGU im Projekt „ECHELON“ zusammen, das von der Carl-Zeiss-Stiftung mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird. „Ziel ist es, die Theorie hinter den bei der Elektrolyse ablaufenden Vorgängen besser zu verstehen. Dafür bringen wir die beiden großen Gebiete der Quantenchemie und der Multiskalen-Modellierung zusammen“, sagt Waldvogel. „Mit der Quantenchemie können wir die chemischen Reaktionen auf der Kathode berechnen, wohingegen es die Multiskalen-Modellierung erlaubt, die Bewegung und Konzentration der Ionen in der die Kathode umgebenden Flüssigkeit theoretisch abzubilden.“

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