Schwellenländer entscheidend für erfolgreiche Klimapolitik

Untersuchung des DIE: Gemeinsam Paris-Ziele und nachhaltige Entwicklung erreichen

Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, um das Weltklima bei 1.5 °C stabilisieren zu können. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und des NewClimate Institute (NCI) vom 20.09.2021 ­zeigt, wie internationale Zusammenarbeit dazu beitragen kann, die Ziele des Pariser Klimaabkommens weltweit umzusetzen. Die von zehn Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen verfasste Studie verdeutlicht insbesondere, welche bedeutende Rolle dabei die Entwicklungs- und Schwellenländer spielen.

Unumkehrbare Veränderungen im Klimasystem der Erde treffen die ärmsten Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern besonders hart. Würden die Ziele des Pariser Abkommens verfehlt, bliebe auch eine gerechte und nachhaltige globale Entwicklung auf Dauer unerreichbar, so eine zentrale Schlussfolgerung der Studie.

Aktuell stagnieren die Emissionen der Industrieländer auf hohem Niveau. Die Emissionen der Entwicklungs- und Schwellenländer steigen weiter an und stellen schon heute zwei Drittel der globalen Treibhausgasemissionen dar. Mittelfristig werden auch Länder mit niedrigen mittleren Einkommen und arme Entwicklungsländer erheblich zu den globalen Emissionen beitragen.

Prof. Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des DIE, betont deshalb: „Die Industrieländer tragen als historische Verursacher des Klimawandels eine große Verantwortung. Dennoch sind die Ziele des Pariser Abkommens nur mithilfe der Entwicklungs- und Schwellenländer zu erreichen. Deren klimapolitische Anstrengungen hängen einerseits von deren klimapolitischen Ambitionen und andererseits von glaubwürdiger, vorhersehbarer und verlässlicher Unterstützung der Industrienationen ab.“

Laut Studie ist der weltweite Energiekonsum der Dreh- und Angelpunkt für ein stabiles Klima. Deshalb müssten vor allem Angebot und Nachfrage emissionsintensiver Energiesysteme reduziert werden. Eine wirksame CO2-Bepreisung, der schrittweise Abbau von Subventionen für fossile Brennstoffe, die Umsetzung von Grenzausgleichsmaßnahmen sowie ein verbessertes Risikomanagement könnten entscheidend dazu beitragen, günstige Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene zu schaffen. Die Entwicklungspolitik könne so bei der Gestaltung des transformativen Wandels in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen.

Prof. Niklas Höhne, Gründer des NewClimate Institute, unterstreicht: „Immer mehr Länder erklären die Absicht, in naher und mittlerer Zukunft Netto-Null-Emissionen erreichen zu wollen. Das ist ein ermutigendes Zeichen für mehr Dynamik im Klimaschutz. Jetzt kommt es darauf an, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen und durch progressive nationale Politikgestaltung und zielgerichtete internationale Zusammenarbeit dafür zu sorgen, dass diesen Worten zeitnah Taten folgen. Das nächste Jahrzehnt ist entscheidend.“

Finanziert wurde die Studie vom BMZ. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller dazu: „Die Zeit läuft ab, um das 1,5° C-Ziel noch erreichen zu können. Und genauso gilt: Ohne eine entschlossene weltweite Klimapolitik ist nachhaltige Entwicklung nicht möglich. Die neue Studie von DIE und NCI unterstreicht, dass wir unseren nationalen Tunnelblick beim Klimaschutz überwinden müssen. Schwellen- und Entwicklungsländer sind für die Erreichung der Klimaziele zentral.“

Die Wissenschaftlern heben hervor, es sei für eine wirksame Klima- und Entwicklungspolitik unabdingbar, dass alle Länder, wie im Pariser Abkommen festgelegt, ambitioniertere nationale Klimabeiträge (NDCs) formulieren und langfristige Strategien (LTS) für die Dekarbonisierung erarbeiten. Um die internationalen Voraussetzungen für den transformativen Wandel zu verbessern, sei zudem wichtig, dass das internationale Finanzsystem an den Zielen des Pariser Abkommens ausgerichtet und die Mittel für die internationale Klimafinanzierung aufgestockt werden.

Die Autoren geben darüber hinaus konkrete Empfehlungen für fünf Politikfelder, die an der Schnittstelle zwischen Klimapolitik und nachhaltiger Entwicklung liegen. Sie zeigen, wie es im Rahmen stärkerer internationaler Zusammenarbeit gelingen kann, die Stromerzeugung weltweit zu modernisieren, die Verstädterung klimagerecht zu gestalten, die Welternährung emissionsarm zu sichern, Wälder und Ökosysteme zu schützen und Wasser nachhaltig zu nutzen. Projektbeispiele aus Uganda, Bangladesch, Madagaskar, Indonesien und Sambia unterstreichen die vielversprechenden Möglichkeiten zielgerichteter Klima- und Entwicklungskooperation in diesen Handlungsfeldern.

Zusammenfassung der Untersuchung

Nachhaltige Entwicklung bedarf einer Stabilisierung des Klimasystems zwischen 1,5° und maximal 2° C durchschnittlicher globaler Erwärmung. Dies erfordert eine drastische Minderung der globalen Treibhausgasemissionen. Entwicklungs- und Schwellenländer stehen hierbei zunehmend im Vordergrund, da sie schon heute zwei Drittel der globalen Emissionen verantworten. Werden die Ziele des Pariser Abkommens verfehlt, bleibt auch eine gerechte und nachhaltige globale Entwicklung, die niemanden zurücklässt, auf Dauer unerreichbar. Ein entwicklungsorientierter Umgang mit der Notwendigkeit drastischer Emissionsminderungen und mit den nicht mehr zu verhindernden Auswirkungen des Klimawandels erfordert eine enge und Politikfelder übergreifende Verzahnung klima- und entwicklungspolitischer Ansätze, einschließlich Landnutzung, Meeresschutz und Welthandel.

Das Pariser Abkommen und die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung bieten die notwendigen politischen Handlungsgrundlagen und Zielvorgaben. Ihre konsequente Umsetzung ist die zentrale Herausforderung der Gegenwart, der sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weltweit stellen müssen. Dabei sind alle Länder und Bevölkerungsgruppen im Blick zu behalten: niemand darf zurückgelassen werden („leave no one behind“).

Neben übergreifenden Ansätzen sind einzelne Handlungsfelder an der Schnittstelle von Klimapolitik und nachhaltiger Entwicklung von herausragender Relevanz. Zu diesen sektorspezifischen Handlungsfeldern zählen insbesondere die weltweite Stromerzeugung, die politische Gestaltung der Urbanisierung, die Sicherung der Welternährung, der Schutz von Wäldern und Ökosystemen und der Umgang mit den weltweiten Süßwasservorkommen. Es gibt bereits vielfältige Ansatzpunkte für die internationale Klimakooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Ihre zentrale Rolle für die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens kann dadurch nachhaltig gestärkt werden. Soweit der politische Wille gegeben ist und förderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden können, bieten speziell die oben genannten Handlungsfelder eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten, um die Potenziale und Erfahrungen der internationalen Zusammenarbeit wirkungsvoll einsetzen zu können. Die Empfehlungen der Autoren sind dafür exemplarisch und werden in der Studie detailliert ausgeführt und begründet.

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