Zusammenhang zwischen Klimakrise und Überschwemmungen belegt

Aber keine statistisch belastbaren Rückschlüsse auf zu befürchtende Häufigkeit extrem starker Regenfälle

Der Zusammenhang zwischen anthropgenem Klimawandel und zunehmenden Extremwetterereignissen ist nach Ansicht der Bundesregierung wissenschaftlich überzeugend dargelegt. Der am 09.08.2021 veröffentlichte erste Teil des IPCC-Sachstandsberichts bestärke die Bundesregierung darin, weiter ambitionierten Klimaschutz zu betreiben, heißt es in der Antwort (19/32386) auf eine Kleine Anfrage (19/32030) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem Titel „Sturzregen und Hochwasser – Auswirkungen der Klimakrise in Deutschland“.

Überschwemmung in Marienthal, Dernau – Foto © mit freundlicher Genehmigung HwK Koblenz

Allerdings ließen sich aufgrund der vorhandenen Daten keine statistisch belastbaren Rückschlüsse auf die zu befürchtende Häufigkeit extrem starker Regenfälle ziehen. Klimaprojektionen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zeigten jedoch, dass auch in Deutschland mit zunehmender Auftrittswahrscheinlichkeit von Starkniederschlagsereignissen zu rechnen sei, heißt es in der Antwort weiter. In welchem Maße das Risiko von Extremniederschlägen allerdings mit der Erwärmung steige, lasse sich aber nicht beziffern.

Darüber hinaus hält es die Bundesregierung für erforderlich, Starkregenrisikokarten nach einheitlichen Standards zu erstellen. Im Lichte der Erkenntnisse aus der jüngsten Flutkatastrohe werde deshalb geprüft, ob mit Blick auf die Erstellung solcher Risikokarten eine Anpassung des Wasserhaushaltsgesetzes erfolgen solle. (hib/CHB)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
Lisa Badum, Dr. Bettina Hoffmann, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 19/32030 –
Sturzregen und Hochwasser – Auswirkungen der Klimakrise in Deutschland

Vorbemerkung der Fragesteller
Nach den verheerenden Extremwetterereignissen und Hochwassern muss es nun vorrangig darum gehen, den betroffenen Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen und den Wiederaufbau zügig zu organisieren. Darüber hinaus müssen jetzt aber auch die richtigen Schlussfolgerungen aus den furchtbaren Ereignissen gezogen und die notwendigen Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, damit solche oder ähnliche Ereignisse in Zukunft so weit wie möglich vermieden werden können. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass in Deutschland die Erderhitzung bereits ca. 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter beträgt (https://www.spektrum.de/kolumne/klimawandel-deutschland-ist-schon-zwei-grad-waermer/1786148 vom 28.102020) und vermutlich auch in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen wird.
Zum Zusammenhang der weiteren globalen Erhitzung und zunehmenden Flutrisiken hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem Sonderbericht zu Klimawandel und Landnutzung festgestellt, dass es „mit großer Sicherheit einen Zusammenhang von steigenden Globaltemperaturen und zunehmenden Flutrisiken in der Zukunft“ gibt (IPCC SRCCL 2019, Kapitel 2, S. 147). Schon zuvor hatte der IPCC in seinem Sonderreport über die Folgen einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius berechnet, dass Überschwemmungen im Zuge des Klimawandels auf allen Kontinenten zunehmen werden (IPCC SR1.5 2018, Kapitel 3, S. 203).
Weitere Extremwetterereignisse wie Starkregen sind laut Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamtes (https://www.adelphi.de/de/publikation/klimawirkungs-und-risikoanalyse-2021-f%C3%BCr-deutschland, S. 103) auch in Deutschland zu erwarten, und es braucht nun (präventive) Maßnahmen, um diesen vorzugreifen und katastrophale Auswirkungen auf die Bevölkerung zu verhindern.

Vorbemerkung der Bundesregierung
Am 09.08.2021 hat der Weltklimarat (IPCC) den Beitrag der Arbeitsgruppe I zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht veröffentlicht, der den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammenfasst. Daran, dass der derzeit zu beobachtende Klimawandel vom Menschen durch den Ausstoß vom Treibhausgasen verursacht wurde und wird, gibt es keinen Zweifel. Der Bericht bestätigt, dass es eindeutig ist, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen er-wärmt hat. Er bestätigt weiter, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt auswirkt. Seit dem Fünften Sachstandsbericht gibt es stärkere Belege für beobachtete Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sowie insbesondere für deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen.
Der Zusammenhang zwischen durch den Menschen verursachten Klimawandel und zunehmenden Extremwetterereignissen ist damit wissenschaftlich überzeugend dargelegt und bestärkt die Bundesregierung, weiter ambitionierten Klimaschutz zu betreiben. Definitionsgemäß treten Extremwetterereignisse selten auf. Je kleiner der Betrachtungsraum – sowohl zeitlich als auch örtlich – gewählt wird, desto seltener können Extremwetterereignisse beobachtet werden.

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Entwicklung von Extremniederschlägen und Hochwassern in den letzten zehn Jahren in Deutschland vor?
    Hochwasser und auch Extremniederschläge unterliegen einer hohen Variabilität. Die Entstehung des Hochwassers hängt stets mit besonderen Witterungskonstellationen zusammen, die aber bisher nicht systematisch und regelmäßig wiederkehrend auftreten.
    Die bundesweite Entwicklung im Hinblick auf das Auftreten von Hochwassern in den mittelgroßen Flusseinzugsgebieten Deutschlands (79 Pegel, 500 km²bis 1000 km²) zeigt bezogen auf das Kriterium „Anzahl der Hochwassertage, an denen der Hochwasserabfluss über einem definierten Schwellenwert liegt“ – für die Periode 1961 bis 2017 keinen signifikanten Trend für die hydrologischen Sommer- und Winterhalbjahre (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbundesamt-2019-monitoringbericht-2019-zur).Ein anderes Kriterium zur Einschätzung von Hochwassern sind statistisch er-mittelte Hochwasserabflüsse, denen ein Wiederkehrintervall zugeordnet wird. Hier zeigen Studien, dass Hochwasserabflüsse kleinerer Wiederkehrintervalle in der jüngeren Vergangenheit höher sind. Eine belastbare Aussage zu systematischen Veränderungen extremer Hochwasserereignisse (Wiederkehrintervall mehr als 100 Jahre und seltener) ist aufgrund unzureichender Daten (Reihenlänge, Homogenität, lokaler Einflüsse) jedoch nicht möglich.
    Eine flächendeckende Auswertung aller Stark- und Dauerregenereignisse in Deutschland ist nur für den Zeitraum der radargestützten Niederschlagsüberwachung seit dem Jahr 2001 möglich. Aufgrund der hohen zeitlichen Variabilität sowie der nur 20 Jahre langen Zeitreihe lassen sich keine statistisch belastbaren Rückschlüsse auf eine Veränderung der Anzahl beobachteter Extremereignissen ziehen. Das gilt für Starkregen- wie auch Dauerregenereignisse gleichermaßen.Statistisch gesicherte Aussagen über mögliche Veränderungen der Häufigkeit von Starkniederschlägen in Deutschland basierend auf täglichen Stationsmessungen für die Niederschlagsschwellenwerte 10 mm und 20 mm sind nicht möglich.
  2. Wie bewertet die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der aktuellen Temperaturentwicklung in Deutschland (aktuell 2 Grad Celsius Erwärmung, siehe dazu die Vorbemerkung der Fragesteller) und den Extremniederschlägen bzw. Hochwassern hierzulande, und welche Erkenntnisse liegen ihr dazu vor?
    Näherungsweise ist ein Temperaturanstieg von ca. zwei Grad bereits im Zeitraum der Jahre von 1960 bis 2020 zu beobachten. Hierzu wird auf die Antwort auf Frage 1 verwiesen. Die Ergebnisse einer europaweit durchgeführten Studie (Blöschl et al. 2019: https://www.nature.com/articles/s41586-019-1495-6) bestätigen keine konsistent gleichartige Entwicklung. Es zeigten sich regional spezifische Zunahmen, aber ebenso auch Abnahmen beim Hochwasserabfluss.Obgleich sich eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Stark- und Dauerregenereignissen in den vorliegenden Beobachtungsdaten bislang nur als statistisch nicht nachweisbare Tendenz zeigt, ist ein kausaler Zusammenhang mit der Erwärmung aufgrund der erhöhten Aufnahmekapazität einer Luftmasse von Wasserdampf bei steigender Temperatur physikalisch plausibel. Warme Luftmassen können mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte. Damit steigt mit der Temperatur auch das Starkregenpotenzial. Allerdings hängt das tatsächliche Auftreten von Starkniederschlagsereignissen von weiteren Faktoren, wie insbesondere der großräumigen Verteilung der Hoch- und Tiefdruckgebiete sowie der für die Verdunstung verfügbaren Wassermenge, ab. In einzelnen Regionen der Erde muss die Erwärmung daher nicht zwingend auch eine Zunahme der Starkniederschlagsereignisse zur Folge haben.
    Klimaprojektionen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zeigen jedoch, dass für die Zukunft auch in Deutschland mit einer Zunahme der Auftrittswahrscheinlichkeit von Starkniederschlagsereignissen zu rechnen ist. Dabei wird die Zunahme der besonders seltenen und damit heftigen Ereignisse größer ausfallen als die der moderateren Ereignisse.

->Quellen: