Eurosolar: Sofortprogramm zur Beschleunigung der Energiewende

Energiepolitische Handlungsempfehlung zur Regierungsbildung 2021

Nach Jahren des Ausbremsens der Erneuerbaren Energien sei die Herausforderung für die künftige Bundesregierung besonders drängend. Deshalb appelliert die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien e.V. – EUROSOLAR – an die Wahlgewinner, die Regierungsbildung zügig zu gestalten, ein Sofortprogramm für die Beschleunigung der Energiewende sowie eine grundlegende Reform für eine Neue Energiemarktordnung auf den Weg zu bringen. Ein Sofortprogramm sei zur Überbrückung bis zur Wirksamkeit grundlegender Reformen notwendig.

Reichstagskuppel Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Sofortprogramm zur Beschleunigung der Energiewende

Warnzeichen, die zur Eile mahnten, gebe es wie Sand am Meer, heißt es in der Resolution der EUROSOLAR-Mitgliederversammlung vom 10.10.2021. Neben der hereinbrechenden Klimakrise (Dürren, Waldbrände, Flutwellen) sei das der drohende Fadenriss bei Unternehmen und Arbeitsplätzen der Erneuerbaren Wirtschaft. 100 % Erneuerbare in allen Sektoren sei das Fundament für alles. Ohne Erneuerbare gebe es keine Energiewende und seien Erklärungen zur „Klimaneutralität“ nichts als Etikettenschwindel. Deutschland könne sich einen weiteren Aderlass bei Arbeitsplätzen der Wind- und Solarenergie nicht leisten. Der Jobmotor der Erneuerbaren müsse jetzt angeworfen werden. Vertrauen hierfür schaffe ein konsequenter und beherzter Einstieg als wirtschaftliche und soziale Grundlage zur Erreichung der Klimaziele.

Das Sofortprogramm ziele auf die Optimierung bestehender energierechtlicher Instrumente, damit der Einbruch beim Ausbau Erneuerbarer Energien schnell überwunden und eine gute Startposition bei der Einführung einer Neuen Energiemarktordnung erarbeitet werden könne.

Kern des Sofortprogramms: Entbürokratisierung und Entfesselung Erneuerbarer Energien

An oberster Stelle müsse die breite soziale Mobilisierung stehen, die Stärkung der solaren Bewegung. Dafür müssten insbesondere dezentrale, gemeinwohlorientierte und demokratische Ansätze wie Bürgerenergie wieder Vorrang erhalten und dürften nicht weiter ausgebremst und diskriminiert werden.

  1. Abbau von Hürden bei Eigenversorgung: Stärkung der Eigenversorgung aus Erneuerbaren Energien für den gesamten Bedarf für Strom, Wärme und Mobilität in einem Haushalt, in einem Quartier und in einem Betrieb. Mieterstrom ist unbürokratisch zu ermöglichen.
  2. Aussetzung atmender Solardeckel: Sofortiges Einfrieren der Einspeisevergütung für PV-Anlagen auf dem Stand Mitte 2021, damit die gestiegenen Montagekosten nicht zum Einbruch des Solarzubaus führen (bis 10 kW installierte Leistung: 7,47 Cent/kWh; bis 40 kW: 7,25 Cent/kWh; bis 100 kW: 5,68 Cent/kWh). Dauer der Maßnahme: Mindestens 1 Jahr und in jedem Fall bis zu einer grundlegenden Reform für einen „atmenden Solarbooster“ mit mindestens einer Verdreifachung der Zubauziele.
  3. Ausweitung von Agri-, Parkplatz- und Floating-PV: Vervielfachung der Ausschreibungsmengen auf mindestens 0,5 GW in 2022 und Festlegung von Festpreisen für den Einstieg; danach in einer grundlegenden Reform jährlich ansteigend auf mindestens 5 GW pro Jahr in 2025.
  4. Keine Behinderung von Agri-PV: Abschaffung des Ausschlusses für Agrarsubventionen bei der Doppelnutzung einer landwirtschaftlichen Fläche mit Agri-PV.
  5. Windenergie-Deckel lockern: Freistellung von Ausschreibungen bei kleineren WEA bis zu 3 MW (Deminimis).
  6. Abschaffung des erstickenden Winddeckels bei Ausschreibungen: Die sog. endogene Mengensteuerung bewirkt eine Spirale nach unten bei den Ausschreibungsmengen und ist ein verkappter Zubaudeckel bei der Windenergie an Land. Sie muss beseitigt werden. Wettbewerb bei Windenergieanlagen größer 3 MW soll durch eine Ausweitung verfügbarer Standorte erreicht werden und nicht durch künstliche Verknappung des Angebots.
  7. Repowering beschleunigen, Planungshemmnisse beseitigen: Um den stockenden Windenergie-Ausbau an Land schnell aufzulösen, sollen Planungsvorbehalte der Windenergie an Land auf Bestandsflächen aufgehoben und die Privilegierung im Außenbereich für Repoweringanlagen durchgesetzt werden.
  8. Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Windenergie an Land: 6 Monate bis zur Vollständigkeit des Antrags und 6 Monate bis zur Genehmigung.
  9. Moratorium bei allen Maßnahmen zur Einschränkung der Wasserkraft: Eine beschleunigte Energiewende verträgt weder Rückbau noch Einschränkungen der CO2-ärmsten und regelbaren Energiequelle Wasserkraft. Um den Pfad zu 100% Erneuerbaren als Grundlage für Klimaschutz nicht zu gefährden, werden in einem Moratorium alle Anordnungen ausgesetzt, die die klimaschonende Wasserkrafterzeugung einschränken und nicht zu einer leistungssteigernden Modernisierung führen. In einer grundlegenden Reform sind die Ansprüche der EU-Wasserrahmenrichtlinie mit denen der beschleunigten Energiewende in Einklang zu bringen und nicht gegeneinander auszuspielen.
  10. Entfesselung Energiespeicher und Sektorenkopplung: Abschaffung des Letztverbraucherstatus bei kleinen Energiespeichern für Haushalte und im Ortsnetz bis zum Greifen einer grundlegenden Reform zum Abbau der Komplexität in der Regulierung von Energiespeichern und der Sektorenkopplung.
  11. Rückführung der EEG-Umlage und Lösung des EEG aus dem Beihilferegime der EU-Kommission: Überführung aller Altanlagen, die bis Ende 2020 in Betrieb genommen worden sind, in einen Altanlagen-Fonds und kontinuierliche Absenkung der EEG-Umlage (schrittweise bis 2030).
  12. Einführung eines Solarstandards für alle Neubauten: Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird um eine Mindestpflicht für den Einsatz der Photovoltaik auf allen Neubauten nach dem Vorbild des Solargesetzes Berlin ergänzt.

Vorbereitung einer grundlegenden Reform für eine Neue Energiemarktordnung

Kern der grundlegenden Reform sei eine Energiemarktordnung, die Erneuerbare Energien mit ihren spezifischen Eigenschaften ins Zentrum des Marktes stelle und damit den Weg für ein Energiesystem aus 100% Erneuerbaren bereite. Die Barrieren zwischen den Energiesektoren würden mit ihr überwunden (Sektorenkopplung), so EUROSOLAR.

Der zellulare Aufbau des Energiesystems erfolge von unten nach oben. In der untersten Zelle befänden sich die Gebäude, dem Ort des Verbrauchs. Hier wirkten Freiheit und Selbstbestimmung der Prosumer für eine unbürokratische, effiziente und möglichst weitgehende Nutzung der erneuerbaren Potenziale für die Eigen- und Quartiersversorgung. Die großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung würden dazu genutzt, die Energiewende effizient zu gestalten, ohne die Verbraucher:innen zu überwachen. In den Zellen der Orts- und Regionalnetze (Verteilernetze) wirkten Daseinsvorsorge und Versorgungssicherheit mit dem Ziel die im Außenbereich liegenden Erneuerbaren Energien in das Energiesystem einzubinden und den bedarfsgerechten Austausch zwischen Orten und Regionen zu organisieren. In die unteren Ebenen des dezentralen Energiesystems gehörten Speicher und Sektorenkopplung. Hierauf müsse der regulatorische Rahmen eingerichtet werden. Prosumer und Verteilernetzbetreiber würden zum Backbone der neuen dezentralen Energieversorgung.

Die Neue Energiemarktordnung sei der Handlungsrahmen für unser großes Ziel eines solaren Energiezeitalters, in dem Menschen auf der Erde auf der Basis sich erneuernder Ressourcen dauerhaft gut leben könnten. Sie reiche über die Energiewirtschaft hinaus und schließe Handlungsfelder von den Bereichen der Bauwirtschaft bis hin zur Landwirtschaft ein, ohne die das solare Energiezeitalter nicht erreichbar sei. Dabei gelte es, in grundlegenden Reformen über Klimaneutralität hinauszudenken und konkrete Beiträge für Plusenergie und für Klimapositivität zu leisten. Ein Leitstern hierfür sei das Projekt „Bauhaus der Erde“ (Potsdam) für einen Städtebau, der solare Plusenergie erzeuge und mit Biorohstoffen wie Holz Treibhausgase aktiv binde. Zu einer grundlegenden Reform für eine Neue Energiemarktordnung gehöre daher z.B. auch eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, das von den Zielen Plusenergie und Klimapositivität getragen sei.

Resumée von EUROSOLAR:

„Von einer echten dezentralen Energiewende mit rasantem Ausbau Erneuerbarer Energien profitieren Klima, Wirtschaft und Kommunen sowie alle Bürgerinnen und Bürger. Der Weg zu einer fossil- und nuklearfreien Energieversorgung wird jetzt sofort eingeschlagen und mit grundlegenden Reformen für eine Neue Energiemarktordnung vollendet. Nur dann beschreiten wir den Weg zum solaren Energiezeitalter als die Voraussetzung für eine Welt, in der Menschen auf Dauer gut leben können“.

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